Cherub, Cherubim (Cherubu, pl. Cherubim, Cheruben)

Die geflügelten Wesen, von denen zwei das Paradies bewachen »mit hauendem Schwert« (V, 1552), gehören wie die Seraphim zu den höchsten Engeln, sie tun Dienst in der nächsten Umgebung des Gottesthrons und haben zum Zeichen ihres hohen Rangs sechs Flügelpaare (IV, 47). Jaakob und Joseph sehen sie in ihren Himmelsträumen (IV, 113, 141-143, 459-468).

Vom Vater nach den Wetteraussichten befragt, berichtet Joseph, dass am Tag zuvor, als er unter dem Unterweisungsbaum geschlummert hatte, ein »Cherubu« namens Jophiel ihn »freundlicherweise« zu den »Wettervorrichtungen« des Himmels geführt habe, »damit ich mich umsähe und etwas Einblick nähme«. Dabei habe er gehört, dass an die »Handlanger« in den »Höhlen voll Dampf« schon Befehl von höchster Stelle ergangen sei, für die erwünschten Spätregen zu sorgen (IV, 113).

Jaakob sieht in seinem Traum von der Himmelsleiter »gefiederte Menschentiere, Cheruben«, die die »Rampe« zu beiden Seiten bewachen. Es sind »gekrönte Kühe mit den Gesichtern von Jungfrauen und mit anliegenden Fittichen« (IV, 142).

Joseph schließlich gelangt in seinem großen Himmelstraum in den Araboth, den obersten Himmel und Thronsaal Gottes. Dort stehen Cherubim »zu beiden Seiten vor den Säulen und zwischen ihnen, ein jeder mit sechs Flügeln und ganz mit Augen bedeckt« (IV, 465).

Rahels Brautschleier, die Ketônet passîm, zeigt das gestickte Bild eines heiligen Baumes, »an dem standen zwei bärtige Engel gegeneinander und berührten ihn zur Befruchtung mit den schuppigen Zapfen der männlichen Blüte« (IV, 298). Als Joseph in Peteprês Garten Dattelpalmen bestäuben muss, erinnert er sich »auf nachdenklich-schmerzliche Art« an das ›teure und schrecklich verlorene Besitztum seines vorigen Lebens und an dieses Bild zweier Cheruben: »Josephs Arbeit nun war die jener Genien« (IV, 881).

Die Beschreibung der Cherubim stützt sich auf Benzinger (228-230, 330), Jeremias I (80, 99-101, 383 f., 618 f.), Jeremias II (413 f.) und Mereschkowskij (211). Letzterer bezieht sich insbesondere auf die Vision des Hesekiel (Hesekiel 1, 1 ff.), in der »Cherubim« den Gottesthron tragen, die man sich als »geflügelte assyrisch-babylonische Stiere, Kherubu« vorzustellen habe, wie wir sie von den Palästen Assurnasirpals in Nimrud und Sargons II. in Dur Scharrukin (vgl. Abb. 2) kennten.

Nach Jeremias und Benzinger haben die Cheruben oder Genien in der babylonischen wie auch in der jüdischen Vorstellungswelt unterschiedlichste Erscheinungsformen, werden als Menschengestalten mit Tierköpfen oder als Tiergestalten mit (weiblichen oder männlichen) Menschenköpfen, stehend, schreitend oder auch sphinxähnlich lagernd, dargestellt (Jeremias II, 413 f.; Benzinger 229; vgl. dort auch die Abbildungen).

Der Begriff »Cherub« wird nur an den oben erwähnten Stellen verwendet. Die mit ihm verbundenen Bildvorstellungen dürften aber auch bei der Darstellung weiterer Engelsfiguren wirksam gewesen sein, etwa bei dem Engel Amphiel aus Josephs Himmelstraum, dessen (nach Beendigung der Reise verwandelte) Gestalt den männlichen Genien von babylonischen Reliefs ähnelt, wie TM sie etwa bei Jeremias abgebildet fand (IV, 464; vgl. Jeremias II, 410, hier Abb. 1). Auch bei den vier »heiligen Tieren« und »Engelswächtern«, die am Gottesthron die vier Seiten der Welt bewachen, dürfte TM an Cheruben gedacht haben (IV, 37; vgl. Jeremias II, 414 und Gorion I, 55).

Neben den Cheruben gibt es die Seraphim, die, wie TM bei  Gorion (I, 93) lesen konnte, ebenfalls sechs Flügelpaare ihr eigen nennen, nur übertroffen von dem »sehr großen Fürsten unter den Engeln« Semael, der vor seinem Sturz zwölf Flügelpaare besaß (IV, 47), ansonsten ist schlicht von Engeln die Rede.

Josephs Himmelstraum ist der Geschichte von Henochs Entrückung nachgebildet, die in den apokryphen Henoch-Schriften erzählt werden. TM kannte sie vermutlich aus Gorion (I, 293-308). Auch der Wettertraum ist an Henochs Himmelsreisen angelehnt (vgl. Kap. 17-18 des äthiopischen Henoch-Buchs). Die Details über die himmlischen »Wettervorrichtungen« folgen ebenfalls Gorion (I, 38 ff.).

Abb.: (1) Relief mit Schutzgeistern und Dattelpalme vom Palast Assurnasirpal II. in Nimrud – (2) Geflügelter Stier mit Männerkopf vom Palast Sargons II. in Dur Scharrukin (Khorsabad). – (3) Befruchtende Genien auf einer (auf einem Relief dargestellten) assyrischen Gewandstickerei aus Nimrud.

Letzte Änderung: 09.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück