Ölbaum

Ölbäume sind, ähnlich wie die Dattelpalmen und Feigenbäume, an allen Schauplätzen des Romans gegenwärtig. Auf dem Acker- und Weideland, das Jaakob vor den Toren Schekems kauft, stehen Ölbaume (IV, 164), in seinem Lager im Hain Mamre bei Hebron hat er einen »Ölgarten« (IV, 442), und auch auf Josephs Anwesen in Menfe spiegeln sich Ölbäume »in dem ummauerten Karree eines Lotosteiches« (V, 1587). Die rohen Methoden der Brüder bei der Olivenernte und Ölkelter sind Anlass für eine von Josephs ›Angebereien‹ beim Vater (IV, 442; vgl. auch IV, 880).

Der Ölbaum und der Feigenbaum sind die beiden Bäume im »Garten der Welt«, von denen Joseph am Beginn des Romans zum Vater spricht (IV, 111 f.). Er ergänzt damit seine aus seinem Horoskop bezogene Selbstdeutung als ein doppelt, von »Tagessegen« und »Segen der Nacht« Gesegneter (IV, 108-110), dessen »Witz« den »Geschäftsträger und Unterhändler mache zwischen Vatererbe und Muttererbe« (IV, 110): Der Ölbaum ist der Lebensbaum und der Sonne heilig; er repräsentiert (wie der Wein) das Geist- und Vaterprinzip; der Feigenbaum dagegen ist dem Mond heilig, er ist der Baum des Erkennens und des Todes; er repräsentiert das Leib- und Mutterprinzip. Wer von seinen Früchten isst, wird sterben, aber seine Seele wird »Wurzeln haben, woher die Quellen kommen« (IV, 111).

Echnaton erwähnt Hermes' Rolle als Erfinder der Ölbaumkultur (V, 1428).

Die Frau von Peteprês Hausmeier Mont-kaw, die ihm bei der Geburt des ersten Kindes gestorben war, hatte Beket geheißen, was soviel wie ›Ölbaum‹ bedeutet (V, 995). Der sterbende Mont-kaw nennt sie sein »Ölbäumchen«, das er wieder anzutreffen hofft »am Nile des Westens« (V, 1000).

Die Übertragung der kosmischen Gegensätze (Sonne vs. Mond) auf  Öl- und Feigenbaum folgt den Bemerkungen zu Genesis 2,9 ff. von Jeremias I (74-77). Dort auch der Hinweis, dass der Weinstock, der gewöhnlich als das »Lebensholz« (76) verstanden wurde, in jüdischen Legenden auch durch den Ölbaum ersetzt wird (77). – In »Die Bäume im Garten. Rede für Pan-Europa« von 1930 verwendet Thomas Mann zur Charakterisierung des »Weltgegensatzes« von Leben und Tod, Ober- und Unterwelt dieselben mythischen Symbole und spricht in sehr ähnlichen Wendungen wie Joseph (vgl. den hier verfügbaren Auszug). – Den Namen Beket und seine Bedeutung hat TM aus Erman/Ranke (103).

Abb.: Olea Europaea L. aus: Köhler's Medizinal-Pflanzen in naturgetreuen Abbildungen mit kurz erläuterndem Texte. Gera 1887. Band 2, nach S. 109. – Bildquelle: biolib.de

Letzte Änderung: 04.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück