Rebekka

Rebekka, die ›heldenmütige Mutter‹ (IV, 527), ist die Regisseurin des ›richtigstellenden Betrugs‹ (IV, 527), der ihrem Liebling Jaakob den Vatersegen zukommen und seinen Zwillingsbruder Esau leer ausgehen lässt (IV, 201-214; vgl. Genesis 27-28). Anders als Isaak, der sich lange vormacht, Esau als den einige Minuten früher Geborenen bevorzugen zu müssen, ist sie von Anfang an gewiss, dass allein Jaakob der Segen zusteht, und oft erzählt sie dem Söhnchen die Geschichte seiner Geburt, bei der er, obwohl ihm »von Isaaks Gott die Erstgeburt zugedacht gewesen«, aus »Freundlichkeit und Höflichkeit zurückgetreten« sei, weil »Esau sie gar so heftig für sich in Anspruch genommen habe«. Jaakob glaubt ihr das gern, ja er glaubt sich selbst »zu entsinnen, daß er sich so verhalten habe« (IV, 197).

Den Titel einer heldenmütigen, einer »hochsinnigen Mutter« erwirbt sie sich beim Erzähler durch ihr selbstloses Handeln nach dem Segensbetrug. Als offenbar wird, dass Esau Rache brütet, schickt sie Jaakob zu seinem Schutz auf die Reise nach Mesopotamien zu ihrem Bruder Laban, bereit, ihren Liebling vielleicht ganz zu verlieren, »wenn er nur den Segen besaß und ihn in die Zeitläufte tragen konnte«. Sie »opferte ihr Herz« (IV, 214). Beim Abschied weint sie nicht, aber »sie hielt ihn lange in jener Morgenfrühe, streichelte seine Backen, behing ihn und die Kamele mit Amuletten, drückte ihn wieder und bedachte in ihrem Herzen, daß, wenn ihr Gott oder ein anderer es so wollte, sie ihn vielleicht nicht wiedersehen werde« (IV, 217). Tatsächlich sieht sie ihn nicht wieder, denn als Jaakob nach Jahr und Tag aus Mesopotamien zurückkehrt, ist Rebekka »schon ins Totenreich hinabgestiegen« (IV, 166). »Aber Rebekka bereute nichts, weder damals noch später« (IV, 217).

Rebekka ist die Tochter des Aramäers Bethuel, eines Neffen des ›Ur-Vaters‹ Abraham, der darauf bestanden hatte, dass Isaak »nur ein Weib nehme aus seinem Geschlecht und seines Vaters Hause, nämlich aus dem Nachors von Charran, auf daß man wisse, was man bekäme« (IV, 254).

Als Abrahams Erster Knecht Eliezer für Isaak um Rebekka freite, war sie ein schönes Mädchen von »liebreizender Milde« (IV, 122). Zur Zeit des Segensbetrugs ist sie »eine Matrone mit goldenen Ohrringen von stattlicher starkknochiger Gestalt und großen Gesichtszügen, welche noch viel von der Schönheit bewahrten, die Abimelek von Gerar einst in Gefahr gebracht«. Ihre schwarzen Augen blicken »klug und fest«, zwischen ihren Brauen steht ein »Paar energischer Falten«, ihre Nase ist von »männlich kräftiger Ausbildung«, ihre Stimme »tief und wohltönend«. Auch ihre »bernsteinbräunlichen Schultern« weiß der Erzähler zu rühmen, »an deren stolze Rundung die Jahre so wenig noch gerührt hatten wie an die edel geformten Arme« (IV, 204).

Esau bereitet der Mutter von Anfang an Verdruß. Als Säugling verletzt er mit seinem »widerwärtigen Frühgebiß« ihre Brust, »so daß bald beide Zitzen völlig wund und entzündet waren und auch der kleine Jaakob mit verdünnter Tiermilch ernährt werden mußte« (IV, 198). Später, als erwachsener Mann, schafft er ihr Ärger mit seinen ›chetitischen Weibern‹, »von denen Rebekka, Bethuels Tochter, zu sagen pflegte: ›Mich verdrießt es, zu leben vor den Töchtern Heth‹« (IV, 133).

Als Jaakob seinen Liebling Joseph für die Reise zu den Brüdern rüstet, sieht er sich in den Spuren der Mutter wandeln, wie sie ihn einst für die Reise zu Laban gerüstet hatte, »und seine Seele war voll feierlicher Empfindung der Wiederkehr«. Der Erzähler hält das für eine »gewagte Zusammenschau«, denn »seine Rolle hielt den Vergleich nicht aus mit der Rebekka's, dieser heldenmütigen Mutter, die wissend ihr Herz geopfert« (IV, 527).

Letzte Änderung: 07.09.2009  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück