Teje (Große Gemahlin, Göttin-Witwe)

Die ›Große Gemahlin‹ Amenhoteps III. und Mutter Echnatôns hat im Roman ihren ersten großen Auftritt beim Hebsed-Fest zum 30-jährigen Thronjubiläum ihres Gemahls. Bei der prunkvollen Ausfahrt der Königsfamilie sieht Joseph sie in ihrem »hochbeschirmte[n] Feuerwagen« stehen, »klein und dunkel von Antlitz« mit blitzenden Augen und »aufgeworfene[m] Mund«; »ihr zierlich-festes Götternäschen bog sich entschlossen«. Den stärksten Eindruck macht ihm ihr Kopfputz: »Etwas so Schönes […] gab es auf Erden nicht, denn es war die Geierhaube, der ganze Vogel, aus Gold gemacht, dessen Leib ihr mit vorgestrecktem Kopfe den Scheitel deckte, indes die Schwingen in wundervoller Arbeit über Wangen und Schultern hinabgingen.« Über der Geierhaube ragt die Doppelfederkrone in die Höhe und vor der Stirn stehen der »Raubschädel des Geiers mit krummem Schnabel« und der »giftgeblähte Uräus« (V, 976). Das die Straßen säumende Volk ruft sie, begeistert auf einem Bein hüpfend, als Eset, Mut und »süße Hathor« an (ebd.).

Amenhotep hat ihr in den königlichen Gärten einen »unter Blumen und Fremdbäumen lachenden See« anlegen lassen (V, 972), an dem sie nächtliche Wasserfeste abhält. Als Mitglied von Tejes »Ehrenstaat« zählt auch Mut-em-enet zu deren Gästen (V, 1015).

Nach Amenhoteps III. Tod übernimmt die »Göttin-Witwe« die Regentschaft, da Echnatôn erst 15 Jahre alt ist (V, 1363). Das ist für sie keine neue Aufgabe, denn »geherrscht und das Leben der Länder gehütet« hat sie schon in den letzten Lebensjahren ihres Gemahls, in denen er »der Vergreisung des verfallen war« (V, 1375). Auch vorher schon hat sie auf seine Politik einigen Einfluss genommen, die sie nun fortsetzt, darunter insbesondere die von ihm betriebene Trennung von weltlicher und geistlicher Macht mit dem Ziel, den Einfluss des »schweren Kollegiums von Karnak« zu beschneiden und Amun »auf den Rang einer Lokalgröße, des Stadtgottes von Weset zurückzuführen« (V, 1376).

Ein Jahr später, als Echnatôn sechzehn und damit »volljährig« wird, gibt sie die Regentschaft ab, was ihr nicht leicht fällt, zumal sie Zweifel hat, ob Echnatôn seinem Amt gewachsen sein wird (vgl. V, 1375 f.). Sie kennt die Schwächen ihres Sohnes und leidet »hohe, ängstliche Not« um ihn (V, 1471). Dennoch verhält sie sich »stets etwas spöttisch«, wenn er mit »Königssorgen« ratsuchend zu ihr kommt; sie ist ein wenig eifersüchtig auf seine Herrschermacht (V, 1393). Umgekehrt fühlt er sich gekränkt, weil sie seine leidenschaftliche Liebe für Atôn nur aus staatspolitischen Gründen unterstützt »als eine Frau, die das Weltganze ausschließlich unter dem staatsklugen Gesichtswinkel sah und nicht, wie er, vor allem unter dem religiösen« (V, 1394).

Bei Josephs erster Begegnung mit Echnatôn in der »kretischen Laube« in »Pharao’s Absteige-Palast zu On« (V, 1406) ist sie zugegen. Joseph, der sie bis dahin nur bei den königlichen Ausfahrten von fern gesehen hat, erkennt dennoch »ihre eigentümlichen Züge« sofort wieder, »das fein gebogene Näschen, die aufgeworfenen, von Furchen bitterer Weltkunde eingefaßten Lippen, die gewölbten, mit dem Pinsel nachgezogenen Brauen über den kleinen, schwarzglänzenden, mit kühler Aufmerksamkeit blickenden Augen«. Ihr Haar ist in ein »silbriges Beuteltuch« gehüllt, sie trägt eine goldene »Stirn- und Schläfenspange« mit zwei vor der Stirn sich aufbäumenden Uräusschlangen und als Ohrschmuck runde Scheiben aus bunten Edelsteinen, aus denen auch der Halskragen gefertigt ist. Im Unterschied zu der sehr gelösten Haltung ihres Sohnes, hält sie ihre »kleine, energische Gestalt [...] sehr gerade, sehr aufgerichtet und wohlgeordnet, sozusagen im alten, hieratischen Stil, die Oberarme auf den Lehnen des Sessels, die Füßchen auf dem Hochschemel geschlossen nebeneinander gestellt« (V, 1412).

Sie verfolgt das Gespräch aufmerksam und lässt nur gelegentlich »die fast männlich tiefe, energische Stimme ihres zierlichen Körpers vernehmen« (V, 1421). Die Ansichten des fremden Jünglings gefallen ihr, wie sie einige Male mit fast unmerklichem, von Joseph aber genau registriertem Kopfnicken kundtut, und »ihren klugen, scharfblickenden Augen, die, dunkel im Dunklen glänzend, auf ihn gerichtet waren, während die Furchen um ihren aufgeworfenen Mund ein spöttisches Lächeln bildeten«, entgeht nichts (V, 1442). Sie durchschaut seine Absichten und zweckdienlichen Strategien, ohne sie zu tadeln, und während Echnatôn in einer seiner Absenzen verharrt, spricht sie Klartext mit dem jungen Mann, der ihr ziemlich »verzogen« vorkommt (V, 1470). Sie kündigt ihm an, dass Echnatôn ihn »erhöhen wird, wahrscheinlich recht unmäßig«, und verbittet sich, als er den Bescheidenen spielen will, alle Faxenmacherei: »›Papperlapapp‹, machte sie ungeduldig. ›Du hast's darauf angelegt und dich ihm untergeschoben vom ersten Worte an! Vor mir brauchst du das Kind nicht zu spielen oder das Lamm, wie die dich nannten, die dich verzogen. Ich bin eine politische Frau, es lohnt nicht, Unschuldsmienen vor mir zu ziehen. […] Ich habe nichts gegen die Politik, ich schätze sie und mache dir's nicht zum Vorwurf, daß du deine Stunde nutztest.‹« (V, 1471)

Dann aber, als Joseph sie seiner ehrlichen Treue- und Dienstbereitschaft versichert, kommen mütterliche Weichheit und das schmerzliche Wissen zum Vorschein, dass Josephs Rede vom »falschen Rechten« (vgl. V, 1430 f., 1454 f.) ein zutreffendes Porträt ihres Sohnes abgibt: »›Ja, diene und hilf ihm!‹ sagte sie, indem sie ganz nahe an ihn herantrat mit ihrer kleinen festen Person und ihm die Hand auf die Schulter legte. ›Versprichst du's der Mutter? Wisse, es ist eine hohe, ängstliche Not mit dem Kinde – aber du weißt es. Du bist schmerzhaft klug und hast sogar vom falschen Rechten gesprochen, indem du dem Vielgewandten [d.i. Hermes-Thot] das Wissen zuschobst, daß einer recht sein kann und doch falsch.‹« (V, 1471 f.)

Der Verlegenheit des wieder zu Bewusstsein gelangten Echnatôn um ein passendes Amt für Joseph, da der Staat »leider komplett« ist und »alle schönsten Ämter« besetzt sind, hilft Teje ab mit dem Hinweis auf die hergebrachte Position des ›Obersten Mundes‹ und ebnet damit den Weg zu der ›unmäßigen‹ Erhöhung Josephs: »Das wäre das wenigste«, sagt sie wegwerfend, »es ist ein Hergebrachtes, [...] daß zwischen Pharao und den Großen des Staates ein Mittler stand und Oberster Mund […]. Der Oberste Mund ist etwas ganz übliches. Man muß nicht Schwierigkeiten sehen, wo keine sind« (V, 1477 f.).

Von dem See, den Amenophis III. in seinem 11. Regierungsjahr für Teje anlegen ließ, berichtet Steindorff (I, 82). Die Beschreibung von Tejes Physiognomie, zumal ihrer Augen und ihres aufgeworfenen, oft spöttisch verzogenen Mundes, ist in erster Linie von dem außerordentlichen Porträtkopf der Königin aus dem Ägyptischen Museum Berlin inspiriert (vgl. Abb. 2). 

Die Beschreibung des prunkvollen Kopfputzes, die sich zweifellos anderen Bildvorlagen verdankt (den Berliner Kopf krönt Hathors oder Muts Kuhgehörn mit den Doppelfedern), erinnert an die kleine Teje-Statuette des Louvre (vgl. Abb. 1). Allerdings findet sich davon in den von TM benutzten Bildwerken keine Abbildung. Erman/Ranke und Steindorff haben die Abbildung eines (mit dem Brüsseler Relief identifizierten) Porträts, das der Beschreibung nahekommt; allerdings fehlt dort die Geierhaube (vgl. Erman/Ranke, Tafel 31,2; Steindorff I, 51, Abb. 46). Denkbar ist auch eine Anregung durch ein Bildnis der Nefertari, Gemahlin Ramses' II., bei Steindorff (II, 251), deren Kopfputz der Beschreibung im Roman am ehesten entspricht (vgl. Abb. 3).

Abb.: (1) Teje mit Geierhaube und Doppelfederkrone (Paris) – (2) Teje mit Kuhgehörn und Doppelfederkrone (Berlin) – (3) Nefertari mit Geierhaube und Doppelfederkrone (Theben-West, Grab QV 66).

Letzte Änderung: 20.02.2015  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück