Biberkopf, Franz (Biberkopf, Franz Karl; Räcker, Franz; Herr Klemens)

Der ›ehemalige Zement- und Transportarbeiter‹ (11) wird nach vier Jahren Haft wegen Totschlags aus dem Gefängnis Tegel entlassen und beschließt, in Zukunft »anständig« (11) zu bleiben. Verurteilt wurde er, weil er seine Freundin Ida getötet hat: »ich hab schon fast gemordet, war aber bloß Totschlag, Körperverletzung mit tödlichem Ausgang, war nicht so schlimm, ein großer Schuft war ich geworden, ein Schubiak, fehlt nicht viel zum Penner« (19). Bei einem Streit hatte er Ida mit einem »kleinen hölzernen Sahnenschläger« (99) so unglücklich geschlagen, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden musste, wo sie nach fünf Wochen starb: »komplizierter Rippenbruch, Riß im Brustfell, kleiner Lungenriß, anschließendes Empyem, Brustfellvereiterung, Lungenentzündung« (102).

Franz hat »blondes Haar, rote abstehende Ohren, lustige Bullaugen« (69), seine Augenfarbe ist braun (255) und er ist 1,80 m groß (169). Nach seiner Haftentlassung ist er zunächst sehr unsicher und fragt sich, ob die eigentliche Strafe nicht jetzt erst beginnt. Er geht ziellos durch die Straßen Berlins. Er trifft Nachum, einen Juden, der ihn in die Wohnung eines befreundeten Rabbis mitnimmt und ihm die Geschichte von Zannowich erzählt (22 ff.). Diese Geschichte und eine weitere, die er ihm bei einem späteren Zusammentreffen erzählt, spiegeln Franz' Erkenntnisstand zu Beginn des Romans wider: Niemand ist allein für seine Handlungen verantwortlich, und der Einfluss des Einzelnen auf seine Taten ist nur begrenzt.

Franz sucht Idas Schwester Minna auf und nötigt sie zum Beischlaf (39). Am nächsten Tag besucht er sie erneut, um ihr die Schürze zu ersetzen, die er ihr dabei zerrissen hatte. Bei seinem dritten Besuch eine Woche später schickt sie ihn dann aber für immer weg (41 f.).

Franz muss sich der Gefangenenfürsorge unterstellen und schlägt sich »vier Wochen lang den Bauch mit Fleisch, Kartoffeln und Bier« voll (43). Bald darauf lernt er Lina kennen und beginnt eine Beziehung mit ihr.

Sein Freund Gottlieb Meck rät ihm, Handel zu treiben (59). Franz handelt zunächst mit Textilwaren und später mit Zeitungen. Ein »älterer Mann am Hackeschen Markt« (71) empfiehlt ihm, sich auf pornografische Druckerzeugnisse zu spezialisieren. Franz denkt auch darüber nach, entscheidet sich dann allerdings, Zeitungen zu vertreiben.

Er verkauft völkische Zeitschriften, sympathisiert mit dem »Stahlhelm« und trägt eine Hakenkreuzbinde, was er gegenüber alten kommunistischen Freunden und Kriegskameraden wie Orge Dreske verteidigen muss. Vom Kommunismus will er nichts mehr wissen. Seiner Meinung nach sind Revolutionen in Deutschland nicht durchführbar.

Zusammen mit Otto Lüders vertreibt er Schnürsenkel und ähnliche Kleinwaren. Dabei lernt er eine Witwe kennen, die ihm für seine Liebesdienste Geld gibt. Er erzählt Lüders davon, was sich als Fehler erweist, denn am darauffolgenden Tag geht Lüders ebenfalls zu der Witwe und erpresst sie (108-110). Franz ist über diesen Zwischenfall so verstört, dass er verschwindet und eine Zeit lang exzessiv trinkt und mehr und mehr verwahrlost. Lina sucht erfolglos nach ihm, auch Gottlieb Meck, den sie um Hilfe bittet, kann nichts ausrichten. Lüders, den sie gemeinsam unter Druck setzen, macht Franz zwar in seinem neuen Dachzimmer ausfindig, doch Franz wirft ihn hinaus und sucht sich eine neue Bleibe (118 f.).

Anfang Februar 1928 trinkt Franz immer noch und lebt in den Tag hinein. Sein Geld ist aufgebraucht, und es droht der Rauswurf aus seinem Zimmer bei Frau Schmidt, weil er keine Miete mehr bezahlt. Nachdem er einen nächtlichen Einbruch in eine Großhandelsfirma im Haus gegenüber beobachtet hat (148), fängt er sich mehr und mehr. Er verkauft wieder Zeitungen und trinkt nicht mehr so viel.

Am 9. Februar trifft er Gottlieb Meck und lernt durch ihn Reinhold kennen, der ihn bittet, ihm seine Freundin Fränze abzunehmen, deren er überdrüssig geworden ist. Franz ist einverstanden, und als Reinhold ihm wenig später auch seine nächste Freundin, Cilly, abtreten will, gibt er Fränze an Ede weiter und übernimmt Cilly. Danach weigert er sich aber, Reinhold auch die nächste Liebschaft, Trude, abzunehmen, und warnt die Frauen, denen Reinhold nachstellt.

Am »Sonntag den 8. April 1928« (198) hört Franz Glocken, die Cilly nicht hört. Er geht danach aus dem Haus und kehrt nicht mehr zurück. Cilly sucht ihn ergebnislos. Franz hat eine Schlägerei auf dem Alexanderplatz zwischen zwei von Pums Leuten, Emil und Franz, beobachtet und Emil vor der Polizei gerettet. Emil schickt ihn zu Pums, um ihm für den Abend abzusagen. Franz lässt sich von Pums als Ersatz engagieren. Erst später merkt er, dass er bei einem Einbruch mitmacht. Die Einbrecher werden entdeckt und verfolgt. Während der Flucht stößt ihn Reinhold, der ihm die Einmischung in seine Frauengeschichten übel nimmt, aus dem fahrenden Auto. Franz wird von einem nachfolgenden Auto überfahren und liegt um 10 Uhr abends »auf dem Boden, den Kopf im Rinnstein, die Beine auf dem Trottoir« (201). Er ist schwer verletzt und schickt nach Herbert Wischow, der ihn in ein Krankenhaus nach Magdeburg bringt, wo er vorgibt, die Verletzungen stammten von einem Motorradunfall. Ihm wird der rechte Arm bis zur Schulter amputiert.

Als er aus dem Krankenhaus entlassen wird, lebt er zunächst bei Herbert und Eva, die ihm nach und nach Informationen über die Umstände des Unfalls entlocken und enttäuscht sind, dass er mit Pums und nicht mit ihnen gearbeitet hat. Wer ihn aus dem Auto gestoßen hat, erfahren sie nicht, weil Franz sich darüber ausschweigt. Sie drängen ihn, sich zu rächen oder zumindest eine finanzielle Entschädigung zu fordern, was er beides ablehnt. Nach dem Unfall ist Franz verändert, es ist sein dritter Neuanfang nach der Haftentlassung. Die Erfahrung der Todesnähe hat einerseits seine Lebenslust erhöht, andererseits den Wunsch bestärkt, etwas in seinem Leben verändern (239).

Sein Versuch, staatliche Unterstützung zu bekommen, scheitert schnell, als ihm klar wird, dass er dazu Fragen beantworten müsste, die er lieber nicht beantworten will. In dieser Situation stellt er seinen Vorsatz, anständig zu bleiben, zum ersten Mal in Frage. Beim Bummel mit Emmi, die er im Münzhof trifft, äußert er explizit, dass man mit Arbeit nicht reich werden kann, wohl aber »vom Schwindeln« (245). Er will zu Geld kommen: »Wo icks herkriege, ist mir egal« (251). Er lernt Willi kennen (246 ff.), für den er als Hehler arbeitet (253). Die Hehlerei bringt etwas ein, Franz kann sich neu einkleiden (254). Um Fragen nach der Ursache für seinen amputierten Arm zuvorzukommen, steckt er sich ein Eisernes Kreuz an und hat sich für alle Fälle falsche Papiere besorgt. Sie lauten auf den Namen eines »gewissen Franz Räcker, der 1922 bei den Unruhen umgekommen ist und dem seine Papiere schon vielen geholfen haben« (254).

Eva stellt ihm Mieze vor, und die beiden werden ein Paar: »Von diesem Mädchen, das prompt am nächsten Mittag an seine Tür klopft, ist Franz auf den ersten Blick entzückt« (256). Mieze verdient den gemeinsamen Lebensunterhalt als Prostituierte, was Franz zunächst befremdet, aber bald nicht mehr stört (262). Eva wünscht sich ein Kind von ihm und bittet Mieze, ihn dazu zu überreden, was ihr auch gelingt (276). Franz ist viel mit Willi zusammen, geht mit ihm zu politischen Versammlungen und interessiert sich für Politik. Herbert und Eva sind davon nicht begeistert und freuen sich, als die Beziehung zwischen Franz und Willi schließlich endet (279). Franz steigt wieder bei Pums ein und gibt die Politik auf.

Der Wiedereinstieg bei Pums ist die Folge zweier Treffen mit Reinhold. Franz ist beim ersten Wiedersehen sehr nervös (»Aber es ist schon ein Zittern in Franz«, 294), beim zweiten Mal ist er ruhiger. Er glaubt, dass zwischen ihm und Reinhold alles wieder in Ordnung ist, aber Reinhold will sich immer noch an ihm rächen. Anfang September nimmt Franz an einem Einbruch von Pums teil: »Bei dieser Partie, Nacht Sonnabend zum Sonntag, ist Franz zum erstenmal dabei. Er hat es geschafft. Franz Biberkopf, er sitzt im Auto, sie wissen alle, was zu tun ist, er hat seine Rolle wie sie« (318).

Reinhold erkennt, dass er Franz am meisten treffen kann, wenn er ihm Mieze wegnimmt. Er will sie kennenlernen und Franz ausspannen. Ein Treffen in Franz‘ Wohnung läuft völlig schief. Franz schlägt Mieze »ins Gesicht, daß sie zurücktaumelt, dann stößt er gegen ihre Schulter, sie fällt, er über sie und schlägt mit seiner einen Hand, wo es trifft« (335), und Reinhold bekommt in seinem Versteck alles mit. Franz und Mieze versöhnen sich abends wieder: »Sie lachen. Sie liegen sich in den Armen, küssen sich, sind sich herzensgut« (337), und Mieze fasst den Entschluss, Franz zu helfen, auch wenn er ihr nicht sagen will, was ihn bedrückt. Sie will sich die Pums-Leute ansehen und lässt sich von Matter zu einem Ball der Pums-Leute mitnehmen. Nachdem Reinhold sie auf einem Ausflug nach Freienwalde ermordet hat, ist Franz über ihr Ausbleiben zwar beunruhigt, spricht auch mit ihrem Kunden, um sie zu finden, erzählt es aber außer Eva niemandem, weil er fürchtet, die anderen könnten sich über ihn lustig machen (361). Er glaubt, dass Mieze ihn verlassen hat.

Nach einem missglückten Einbruch rät Reinhold ihm unterzutauchen. Eva besorgt ihm eine Bleibe bei Toni, einer Freundin in Wilmersdorf (377). Dann bringt Eva die Nachricht von Miezes Ermordung und davon, dass Franz und Reinhold wegen Mordes gesucht werden (382). Franz erkennt, dass Reinhold ihm Mieze wegnehmen wollte (385), und bald wird ihm auch klar, dass er ihm nur zur Flucht geraten hat, um ihn verdächtig zu machen (397).

Er trägt jetzt einen künstlichen Arm, wenn er nach draußen geht, um nicht erkannt zu werden. Er sieht sich als Opfer äußerer Umstände: »ich nehme mich zusammen, ich kann mich halten, wie ich will, es nutzt nichts, es will mich kaputt machen, und wenn ich ein Balken aus Eisen bin, es will mich kaputt brechen« (384). Seinen eigenen Anteil erkennt er nicht. Er hindert Herbert, einzugreifen und Reinhold an die Polizei zu verraten. Er will sich selbst an ihm rächen.

Franz irrt durch die Stadt, und am Ende befindet er sich, nach Miezes Grab suchend, auf einem Friedhof, wo er in einer Art Vision Toten begegnet und anschließend zusammenbricht. Er schafft es noch, nach Hause zu kommen, Eva muss sich danach mehrere Tage um ihn kümmern: »Er lebt nicht und er stirbt nicht« (390). Dann versucht er, Reinhold zu finden, um sich zu rächen. Das »ist seine letzte Medizin auf dieser Welt« (390). Am 22. November legt er einen Brand in Reinholds Wohnung, weil er glaubt, dass Reinhold dann aus seinem Versteck auftauchen würde, was aber nicht der Fall ist (393). Er weiß nicht, dass Reinhold schon längst unter falschem Namen im Gefängnis sitzt (413).

Ein Arzt, der Franz unter dem Namen »Herr Klemens« (395) behandelt, rät zu Erholung, am besten bei einer Reise. Franz will nicht weg und resigniert: »Ich hab genug ausgehalten und getan, mehr kann ich nicht. Es kann mir keiner absprechen, daß ich mich nicht habe gewehrt. Aber was zuviel ist, ist zuviel. Weil ich aber Reinhold nicht kann töten, bring ich mich selber um« (397).

Franz betritt ein Lokal, in dem die Polizei gerade eine Razzia durchführt, schießt auf einen Polizeibeamten, der ihn anspricht, und wird anschließend überwältigt. Auf dem Präsidium wird er schnell als Franz Biberkopf identifiziert, schweigt aber zu allen Anschuldigungen. Er wird in die psychiatrische Anstalt nach Buch gebracht (419). Die Polizei glaubt zunächst, dass er seinen Zustand nur vortäuscht, um sich zu schützen, Ärzte bestätigen aber bald, dass er wirklich krank ist. Franz beginnt, Nahrung zu verweigern, und wird schließlich künstlich ernährt. Er verliert aber immer weiter an Gewicht, da es ihm trotz aller Gegenmaßnahmen immer wieder gelingt zu erbrechen.

Im Delirium spricht er mit dem Tod, der ihm seine Fehler vorhält und deutlich macht, dass er schon mehrmals mit ihm gesprochen habe. Die Geschichte mit Lüders und der Unfall mit seinem Arm seien Warnungen gewesen. An Miezes Tod sei er mitschuldig, weil er vor Reinhold mit ihr prahlen musste (434). Franz, der sich die ganze Zeit gewünscht hat zu sterben, bittet jetzt um Aufschub. Zunächst sieht es so aus, als würde er ihn nicht bekommen, aber er hört auf, die Nahrung zu verweigern: »Sie gießen ihm Bouillon ein, er schluckt, erbricht nicht. Er will nicht, er möchte nicht erbrechen« (435). »In dieser Lage sind zahlreiche Menschen gestorben. Es hat da kein Weiter für sie gegeben. Sie haben nicht gewußt, daß sie sich nur noch einen einzigen Schmerz antun müssen, um weiterzukommen, daß nur ein kleiner Schritt nötig war, um weiterzukommen, aber den Schritt konnten sie nicht tun. Sie wußten es nicht [...]. Sie wußten nicht, sie brauchten nur noch weißzuglühen, dann wären sie weich geworden, und alles wäre neu gewesen« (435).

Franz schafft diesen letzten Schritt, auch weil er in einer Vision noch einmal mit Menschen aus seinem Leben zusammentrifft (Lüders, Reinhold, Ida und Mieze) und Einsicht in seine Fehler gewinnt. Zunächst sträubt er sich gegen die Erkenntnis, dass nicht alles nur durch unglückliche Umstände verschuldet war, sondern er selbst für sein Leben die Verantwortung trägt, am Ende aber sieht er es ein. Er weint und wird nun gelassen und ist bereit zu sterben. Alle Personen erscheinen noch einmal in einer zweiten Vision, die Franz ruhig ertragen kann, weil er für den Tod bereit ist: »nun ist alles erfüllt. Franz weint und weint, ich bin schuldig, ich bin kein Mensch, ich bin ein Vieh, ein Untier« (442).

Franz verwandelt sich durch diese Erkenntnis: »Gestorben ist in dieser Abendstunde Franz Biberkopf, ehemals Transportarbeiter, Einbrecher, Ludewig, Totschläger. Ein anderer ist in dem Bett gelegen. Der andere hat dieselben Papiere wie Franz, sieht aus wie Franz, aber in einer anderen Welt trägt er einen neuen Namen« (442). »Das also ist der Untergang des Franz Biberkopf gewesen, den ich beschreiben wollte vom Auszug Franzens aus der Strafanstalt Tegel bis zu seinem Ende in der Irrenanstalt Buch im Winter 1928-29. Jetzt hänge ich noch an einen Bericht von den ersten Stunden und Tagen eines neuen Menschen, der dieselben Papiere hat wie er« (442).

Die Polizei befragt ihn, für den Mord an Mieze kann er aber ein Alibi nachweisen, und die Ärzte erklären ihn wegen der Schüsse auf den Polizisten bei der Razzia für unzurechnungsfähig (445). Damit sind seine größten Probleme aus der Welt, und obwohl die Polizei noch einige Zeit nach seinen Einnahmequellen und der Ursache für den Verlust seines Armes forscht, können sie ihm keine Beteiligungen an Straftaten nachweisen. Er wird aus Buch entlassen und betritt wieder Berlin. Der Erzähler möchte ihn nun »Franz Karl Biberkopf nennen, um ihn von dem ersten zu unterscheiden« (447).

Er nimmt Kontakt zu Eva auf, die ihm hilft, aber keine Beziehung mehr mit ihm möchte. Sie hat das Kind, das sie von ihm erwartete, verloren. Franz erholt sich, und gemeinsam besuchen sie Miezes Grab. Eva ist erstaunt, dass Franz nicht sehr erschüttert zu sein scheint. Bei einem anschließenden Gespräch in einer Konditorei, erklärt er ihr, dass er nicht an Miezes Grab stehen müsse, um an sie zu denken, und dass er Reinhold auch nicht vergessen wird. Im Prozess gegen Reinhold und Matter wegen Miezes Ermordung sagt er gegen Reinhold aus, hätte ihn aber viel schwerer belasten können, wenn er gewollt hätte (451).

»Dem Biberkopf wird gleich nach dem Prozeß eine Stelle als Hilfsportier in einer mittleren Fabrik angeboten. Er nimmt an. Weiter ist hier von seinem Leben nichts zu berichten« (452).

Abb.: Schutzumschlag der Erstausgabe von Georg Salter mit freundlicher Genehmigung des S. Fischer Verlags.