Carl Sternheim: Der Snob (1914)

Maske, Theobald

Der Vater Christian Maskes, ein kleiner Beamter, der bereits in Sternheims Komödie »Die Hose« (1911) als bürgerlicher Held fungierte. Hier ist er nun sechzig Jahre alt, Pensionär und immer noch mit Luise, Christians Mutter, verheiratet. Er hat sich einen »Bastard geleistet« (I, 1, S. 140) und verlangt von seinem Sohn finanzielle Unterstützung zur Begleichung der Alimente. Außerdem teilt er ihm mit, dass er beabsichtigt, seinen Wohnsitz in die nähere Umgebung Christians zu verlegen.

Mit diesem Vorhaben durchkreuzt er jedoch Christians Pläne, der die Eltern abschieben will, weil sie ihn wegen ihrer kleinbürgerlichen Herkunft und Attitude am angestrebten gesellschaftlichen Aufstieg zu hindern drohen. Aus diesem Grund bietet er seinem Vater eine genau kalkulierte Geldsumme an, indem er die Kosten für seinen Unterhalt im elterlichen Haus vom ersten bis sechzehnten Lebensjahr mit sechshundert Mark jährlich veranschlagt, wobei er Theobald zusätzlich tausend Mark für seine amourösen Verstrickungen zu zahlen bereit ist.

Theobald lässt sich auf diesen Handel ein, versucht aber vehement, seinen ›Marktwert‹ zu steigern, indem er geradezu pathetisch die vermeintlich selbstlose Aufopferung für den heranwachsenden Jungen betont: »Wir haben uns zwanzig Jahre lang krumm gelegt. [...] Oft unterblieb ein Sonntagsbraten. Denn wir liebten dich affenartig« (I, 4, S. 149). Mit dem Hinweis auf Christians Krankheiten und die Kosten für seine medizinische Versorgung versucht er, den Preis zusätzlich in die Höhe zu schrauben: »Masern und Stockschnupfen fallen mir aus dem Kopf ein. Ich sehe deine ewige Rotznase vor mir. Wir wandten Kamillenspülungen an« (I, 4, S. 151). Unter der Bedingung, dass Christian auch noch die Kosten für die Übersiedlung und die neue Wohnsitzgründung übernimmt, ist Theobald bereit, in die Schweiz umzuziehen. Christians ursprüngliches Angebot, Brüssel als Wohnort zu beziehen, lehnt Theobald mit der Begründung ab, dass er als »Deutscher von Schrot und Korn« keine »welsche[n] Sitten« annehme (I, 4, S. 157).

Einige Zeit später – Christian steht inzwischen vor der Ernennung zum Generaldirektor einer Aktiengesellschaft und ist im Begriff, sich mit Komtesse Marianne zu vermählen – taucht Theobald unverhofft wieder bei seinem Sohn auf, um ihm die Nachricht vom Tod seiner Mutter zu überbringen. Theobalds Betroffenheit hält sich sichtlich in Grenzen, er gibt offen zu, bis zu Luises Tod ein außereheliches Verhältnis »mit Seltenheit und Regelmäßigkeit« (II, 8, S. 184) geführt zu haben.

Für die bevorstehende Heirat seines Sohnes mit einer Grafentochter hat er kein Verständnis. Er lehnt sie als eine ins Lächerliche gesteigerte Umkehrung aller Werte ab: »Kann man denn nicht zu dir kommen, ohne daß du das Unterste zu oberst kehrst?« (II, 8, S.186). Für ihn ist die Vorstellung, zukünftig in Adelskreisen zu verkehren, ein »Knalleffekt« (II, 8, S. 185). Die gesellschaftliche Diskrepanz scheint ihm unüberwindbar: »Ein subalterner Beamter ich, deine Mutter Schneiderstochter [...]. Und der Vater Graf, die ganze Verwandtschaft – Junge, du bist verrückt!« (II, 8, S. 185 f.) Christians Einladung zur Hochzeit lehnt Theobald empört ab: »Mit einer Gräfin am Arm in meiner Aufmachung durch die Kirche Spießruten zu laufen« (II, 8, S. 189).

Seine Einstellung gegenüber Christians Aufstieg in die adlige Gesellschaft ändert sich jedoch abrupt, nachdem er einer Einladung von Graf Palen zu einem ›Beschnupperungsgespräch‹ bei einer Flasche Rotwein gefolgt ist (II, 9, S. 191). Er bleibt zum Hochzeitsfest, bei dem er schließlich das Vertrauen und den Respekt der gräflichen Familie gewinnt, weil man seinen Verdienstorden für das Eiserne Kreuz hält (III, 3, S. 202). Überschwänglich erweist er seinem Sohn nun voller Staunen »bodenlosen Respekt« für seine Vermählung mit der Komtesse: »wie du dir so ein adliges Hühnchen ins Bett holst, das brachte mein Bürgerblut zum Sausen« (III, 3, S.201). Voller Stolz bestärkt er Christian in seinem Aufstiegswillen und sieht darin mit großer Genugtuung eine Aufwertung des eigenen Geschlechts und Namens: »In dir ist alles Maskesche um ein paar Löcher weitergeschnallt« (ebd.).

Maske, Luise

Luise, die Ehefrau von Theobald Maske und Mutter Christians, stammt als Tochter eines Schneiders aus einfachen Verhältnissen (II, 8, S.185). Als verständnisvolle Mutter steht sie auch dann noch ganz auf der Seite ihres Sohnes, als dieser aus Karrieregründen die Eltern in die Schweiz abschiebt: »Ich sorge schon, daß alles geschieht« (I, 4, S.160). 

Bevor es zur Trennung kommt, gibt sie Christian noch den Rat, »vorsichtig mit Frauen« zu sein (I, 4, S.160), da sie die »Verführung zum Genuß« (I, 4, S.160) aus eigener Erfahrung kenne, eine Anspielung auf ihre Erlebnisse als junge Ehefrau (vgl. Luise Maske in »Die Hose«). Er könne stolz auf seine »makellose« Mutter sein (I, 4, S.160), eine Bemerkung, der Christian Hohn spricht, wenn er, um sich seiner adeligen Braut Marianne ebenbürtig zu erweisen, in seiner Hochzeitsnacht behauptet, einer ehebrecherischen Liaison seiner Mutter mit einem französischen Grafen zu entspringen.

Zu diesem Zeitpunkt ist Luise schon tot, sie stirbt noch vor Christians Hochzeit in Zürich.

Maske, Christian

Christian Maske ist der Sohn von Theobald und Luise Maske, den Protagonisten der Komödie »Die Hose« (1911). Als Anteilseigner und Mitbegründer afrikanischer Minen eröffnet sich für ihn die Möglichkeit, Generaldirektor dieser Aktiengesellschaft zu werden. Die angestrebte berufliche Karriere und der damit verbundene Aufstieg ins Großbürgertum allein stellen Christians Ambitionen jedoch nicht zufrieden. Er erstrebt die gesellschaftliche Anpassung an die Aristokratie. Um dieses Ziel zu erreichen, versucht er, Schritt für Schritt seine kleinbürgerliche Herkunft abzustreifen und zu verleugnen.

So zahlt er ohne Skrupel Sybil, seine Geliebte, mit der er vier Jahre zusammenlebte und die ihm entsprechende Umgangsformen beibrachte, mit vierundzwanzigtausend Mark und einer fünfprozentigen Verzinsung nebst einer »monatliche[n] Apanage« (I, 1, S. 142) als Aufwandsentschädigung aus und schickt sie in die Wüste, weil er durch sie seine zukünftige gesellschaftliche Stellung gefährdet sieht.

Ebenso emotionslos schiebt er seine Eltern nach finanzieller Abfindung in die Schweiz ab, weil ihm im Umgang mit den adligen Kreisen das kleinbürgerliche Milieu der Eltern – Theobald ist ein pensionierter subalterner Beamter und Luise Schneiderstochter – hinderlich und peinlich ist: »Euer Hiersein würde, wie gesagt, Kräfte brechen, die ich insgesamt brauche« (I, 4, S. 154).

Aufgrund der Vermittlung von Graf  Palen, der im Auftrag des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft für die Reputation Christians bürgen soll, steht nun der Ernennung Christians zum Generaldirektor nichts mehr im Wege. Nachdem er zuvor dem Grafen seine »Sehnsucht« nach dem »Adelsdiplom« (I, 6, S. 163) gestanden hat, gelingt ihm der Sprung nach oben durch die Vermählung mit Marianne, der Tochter des Grafen. Bemerkungen des Grafen, die darauf hindeuten, dass es in Adelskreisen offenbar Mode geworden ist, eine »schlichte Abstammung« (II, 4, S.176) respektabel zu finden, ermutigen Christian, die ins Abseits geschobenen Eltern, die er im Gespräch mit Graf Palen bereits für tot erklärt hatte, zu sich zurückzuholen.

Da tritt unverhofft Vater Theobald auf, um Christian den plötzlichen Tod seiner Mutter mitzuteilen, was Christian sogleich veranlasst, seiner geheuchelten Trauer Ausdruck zu verleihen, indem er ein entsprechend würdiges Grabmal für die Mutter in Auftrag gibt: »Niemandem kann ich anvertrauen, wie ich an ihr gehangen. Vielleicht findet der Künstler den Ausdruck dafür« (II, 8, S. 184).

Seine Verbindung mit der Tochter eines Grafen und die Einladung zur Hochzeit lehnt der Vater kategorisch ab und will sofort wieder abreisen. Daran hindert ihn der unvermutet auftauchende Graf Palen, dem Christian nun den zuvor als tot deklarierten Vater vorstellen muss. Als der Graf Theobald zu einem Frühstück einlädt, um ihn näher kennenzulernen, steht Christian zitternd Ängste aus, der Vater könnte ihn rettungslos blamieren (III, 10, S.192). Die Katastrophe tritt jedoch nicht ein: Graf Palen hegt Sympathie mit Christians Vater, und der von dem Zusammensein mit ihm sichtlich geschmeichelte Theobald zollt seinem Sohn gut gelaunt seine Bewunderung und »bodenlosen Respekt« für seinen gesellschaftlichen Aufstieg (III, 3, S.201).

Christian hat nun erreicht, was er wollte. Sein Geld- und Karrierebedürfnis hat er in wirtschaftlicher Hinsicht durch die Position des Generaldirektors befriedigt, seine angestrebte soziale Assimilierung an den Adel gelingt ihm durch die Liaison mit Komtesse Marianne, und zu guter Letzt krönt er seine Position noch dadurch, dass er in der Hochzeitsnacht gegenüber Marianne seine Herkunft als Ergebnis eines außerehelichen Abenteuers zwischen seiner Mutter Luise und einem französischen Grafen fingiert.

Palen, Aloysius Graf

Als Vertreter westfälischen Uradels repräsentiert Graf Palen die Lebensauffassung des aristokratischen Standes in Perfektion. Die Berufung auf Herkommen und Tradition steht dabei im Vordergrund. Er hält den »Adel für ein Produkt der Züchtung im Hinblick auf Werte, die ihr Wesen in der Zeit haben, also nicht in einer Generation zu erringen sind« (II, 1, S. 169). So werde »Besitz, welcher Art er auch sei, […] ersessen« (II, 1, S. 170). Als Adliger lebt er im »Bewußtsein angeborener Besonderheiten« (II, 1, S. 170).

Er gerät jedoch in einen Standeskonflikt, als er sich gezwungen sieht, der Bitte Christian Maskes um die Hand seiner Tochter Marianne nachzugeben, weil der reiche Aktionär dem bankrotten Adligen – »wir verloren bis auf Reste unser Vermögen« (II, 4, S. 176) – aus seiner wirtschaflichen Klemme helfen kann. Obwohl seine ›Standesvorurteile‹ gegen eine Verbindung seiner Tochter mit einem Bürgerlichen sprechen (II, 4, S. 174), arrangiert er sich mit Christian und bürgt für dessen Reputation, als es um seine Ernennung zum Generaldirektor geht. Aus dem gleichen Grund rät er seiner Tochter zu dieser Verbindung, um sich und sein Haus »aus einer Reihe schwieriger Umstände [zu] retten« (II, 1, S.168). Beim Hochzeitsfest lässt er sich schließlich von Theobald Maskes Begeisterung über den Bräutigam mitreißen und scheint geradezu geneigt, sich allen ständischen Vorbehalten zum Trotz mit dem kleinbürgerlichen Vater seines Schwiegersohnes zu verbrüdern (III, 3, S. 202). 

Palen, Marianne

Marianne, die fünfundzwanzigjährige Tochter von Graf Palen, soll auf dessen Wunsch eine Ehe mit dem kapitalkräftigen Christian Maske eingehen, um die Familie aus finanziellen Schwierigkeiten zu befreien. Zur Überraschung ihres Vaters ist sie von Christian sofort fasziniert: »Von diesem Mann empfange ich die erste volle Empfindung meines Lebens« (II, 1, S. 170). Den Standesdünkel des Vaters vehement abwehrend, hebt sie die Einzigartigkeit Christians hervor: »Die wenigen Zeichen, die ich von seiner Person habe, geben mir Gewißheit, er ist außerordentlich und steht über unserer Voraussicht« (I, 1, S. 171).

Als Christian, um seine Position weiter zu stärken, sich ihr in der Hochzeitsnacht als dominanter Patriarch und als Ergebnis eines angeblichen Seitensprungs seiner Mutter mit einem französischen Grafen präsentiert, fallen bei Marianne die letzten Reste ständischen Vorbehalts. Sie unterwirft sich ihm bedingungslos: »Und mir ist, als ob doch eine letzte Wand zwischen uns niederfällt, als ob erst jetzt ich ungehemmt in dich versänke.[...] Mein lieber Mann und Herr!« (III, 4, S. 215)

Hull, Sybil

Lebensgefährtin Christian Maskes in den zurückliegenden vier Jahren, von der Maske sich gleich in der ersten Szene des Stücks lossagt. Er hat Sybil viel zu verdanken. Wie er ihr selbst zugesteht, brachte sie ihm die für den gesellschaftlichen Aufstieg nötigen Umgangsformen bei: »Den Fisch nicht mit dem Messer zu fressen, daß ich nicht in den Zähnen stocherte!« (II, 6, S. 180). Sie förderte seine »kaufmännischen Talente« (I, 1, S. 141), unterstützte ihn finanziell und verhalf ihm »aus tiefstem Elend« (I, 1, S.141) zu seinem kometenhaften Aufstieg in das Großbürgertum.

Da er Ambitionen hegt, sich nun mit der Aristokratie zu verbinden, will er seine Vergangenheit und Herkunft abstreifen. Aus diesem Grunde beabsichtigt er, sich von Sybil zu  trennen und ihr ihre »Aufwendungen« für ihn mit vierundzwanzigtausend Mark abzugelten. Damit Sybil dem Vorschlag zustimmt, bietet er ihr über die genannte Summe hinaus noch eine monatliche Abfindung an. Sybil, die Christians wahre Absichten durchschaut, bezeichnet ihn offen als Parvenu und kapitalistischen Egozentriker. Obwohl sie ihn noch liebt, akzeptiert sie seine Entscheidung mit der ironischen Bemerkung: »Ergebene Dienerin, Herr Generaldirektor« (I, 1, S.146).

Bevor sie die Bühne verlässt, entlarvt sie seine Verlogenheit im Umgang mit seinen Eltern, die er, nachdem er sie zuvor in die Schweiz abgeschoben hat, nun angeblich aus ›Sehnsucht‹ wieder zurückholen möchte. Sie konfrontiert ihn mit seinem wirklichen Motiv, das ihrer Meinung nach darin besteht, dass es in Adelskreisen »schick« geworden ist, »Beispiele schlichter Erzeuger« zu geben (II, 6, S.180). Sie verlässt Christian, nicht ohne ihre Verachtung und Geringschätzung gegenüber seinen niederen Beweggründen zum Ausdruck zu bringen.

Jungfer, Eine (Anna)

Dienstmädchen der Komtesse Marianne und mit dieser sehr vertraut. Marianne muss sie nach der Eheschließung mit Christian darauf hinweisen, dass sie nun nicht mehr mit Komtesse, sondern mit ›gnädige Frau‹ angesprochen werden möchte. Außerdem solle die Jungfer ihre »Albernheiten« sein lassen (III, 1, S. 197).

Nach der Hochzeitsfeier hilft Anna ihrer Herrin im Salon eines Hotels beim Umkleiden. Durch einen Vorhang von Christian getrennt, tratschen die beiden Frauen über die Hochzeitsgäste, und die Jungfer macht Marianne wegen ihres aufreizenden Hochzeitskleides Komplimente. Christian sieht in Anna eine potentielle Spionin, die möglicherweise intime Informationen über ihn weitergeben könnte (III, 2, S. 198).

Diener, Ein

Christian Maskes Diener. Seine Funktion beschränkt sich auf die Ankündigung von Besuchern und die Entgegennahme von Anweisungen (II, 4, S. 176 f.; II, 9, S. 190).

© Eckhard Fischer 2011 – Alle Rechte vorbehalten.