Adrast

Der ›Freigeist‹ Adrast soll Henriette heiraten, ist aber in deren Schwester Juliane verliebt. Adrast ist gebildet und vielgereist. Er hat ein ausschweifendes Leben geführt, für das er Schulden in Kauf genommen hat. Konventionellen religiösen Werten begegnet er mit Stolz und Verachtung, weshalb er auch seinen zukünftigen Schwager, den Geistlichen Theophan, für einen Heuchler hält und kategorisch ablehnt.

Adrasts Vorurteile, sein Hass auf die Priesterschaft und sein scharfer Ton entspringen persönlichen Erfahrungen: »Priestern habe ich mein Unglück zu danken. Sie haben mich gedrückt, verfolgt; so nahe sie auch das Blut mit mir verbunden hatte« (I, 2; LM II, 56). Seine Liebe zur tugendhaften Juliane zeigt aber, dass es ihm nicht allein um Prinzipien zu tun ist.

An ihrer Schwester Henriette moniert er, dass sie Pflicht, Tugend, Anstand und Religion verspotte, obwohl ihr Verhalten vermutlich auf ihn selbst zurückgeht (wie Juliane bemerkt, IV, 3). Henriette wiederum tadelt Adrasts Zynismus und Herablassung und hebt dagegen Theophans vorurteilslose Freundlichkeit hervor.

Aufrichtig um Adrasts Freundschaft bemüht, zeigt Theophan Verständnis für dessen Freigeisterei und führt sie auf seine Jugend zurück. Der tiefere Grund für Adrasts Hass liegt in seiner Eifersucht auf Theophan, denn der ist Juliane versprochen. Jeder Großmütigkeit Theophans unterstellt er niedere Absichten. Als sein Gläubiger Araspe, ein Vetter Theophans, eintrifft, verdächtigt er den Konkurrenten der Rufschädigung. Theophans Versuch, ihm die Wechsel ohne Rückzahlung auszuhändigen, steigert sein Misstrauen ebenso wie alle weiteren Versuche Theophans, ihm zu helfen und sein Vertrauen zu gewinnen.

Adrast trifft inzwischen Vorbereitungen, seine Schulden auf ehrlichem Wege zu begleichen, nicht nur aus Stolz gegenüber Theophan, sondern aus Wahrheitsliebe. Der Vorschlag seines Dieners Johann, die Gültigkeit der Wechsel abzustreiten, empört ihn (I, 5). Als er Juliane schließlich seine Liebe gesteht, tritt seine idealistische Gesinnung ebenso zutage wie seine Verbundenheit mit Julianes Vater Lisidor.

Erst als Theophan durch Adrasts anhaltende Feindseligkeit die Geduld verliert und endlich ärgerlich wird, lenkt Adrast erstaunt ein und gibt seine bornierte Haltung auf. Als er erfährt, dass Juliane ihn liebt, fällt mit der Eifersucht auch das Hauptmotiv seines Handelns weg. Damit steht am Ende auch der Freundschaft der beiden Männer nichts mehr im Wege.