Tuzzi, Hans

Der Gatte Diotimas, früher Vizekonsul, jetzt »Sektionschef« im Außenministerium. Er sieht aus »wie ein lederner Reisekoffer mit zwei dunklen Augen« (24., 102), seine Frau nennt ihn »Giovanni«. Diotima liebt ihn mit oberflächlicher Treue, ist aber auf der Suche nach Interessanterem. Das findet sie in dem Preußen Dr. Arnheim.

Bei den Sitzungen der Großen vaterländischen Aktion in seinem Haus ist Tuzzi nicht anwesend. Im Gespräch mit Arnheim wirkt er »mit seinem Bärtchen und den südländischen Augen [...] wie ein levantinischer Taschendieb neben einem Bremenser Handelsherrn« ( 49., 195). Dabei ist Tuzzi »in aller Stille einer der führenden Diplomaten seines Landes« (50., 200). Arnheim stößt sein österreichischer Zynismus ab (49., 196). Arnheim wiederum ist Tuzzi persönlich und grundsätzlich unangenehm, und er macht sich Gedanken über die »gründliche Anwesenheit« Arnheims in seinem Hause (50., 200; 91., 417).

Tuzzis Lektüre besteht aus Homer, der Bibel und Peter Rosegger (52., S. 208). Er stellt fest, dass es »ein peinigendes und sorgfältig zu verbergendes Leiden ist«, der Gatte einer bedeutenden Frau zu sein (78., 334).

Als er einmal an dem »Konzil« in seinem ihm fremd gewordenen Haus teilnimmt, sagt Tuzzi zu Ulrich, etwas Ähnliches habe es schon einmal in den Anfängen des Christentums gegeben: unzählige Sekten, wie die Adamiten, Archontiker, Ophiten usw. (91., 410). Ohne das dann sich etablierende geistliche Beamtensystem gäbe es vom christlichen Glauben heute keine Spur mehr (411). Tuzzi leidet unter dem »Entzug an Anerkennung« durch seine Frau, der er früher als erfahrener, urteilssicherer Mann gegolten hatte (412).

Ulrich betrachtet mit Sympathie das »gedörrte Aussehen des knapp mittelgroßen Mannes« und »das dunkle, starke, viel unsicheres Gefühl verratende Auge, das nicht im geringsten ein Beamtenauge war« (413). Im Gespräch erreichen die beiden eine überraschende Einigkeit. Ulrich: »Ich habe mit Bedauern hervorgehoben, daß das Geistige und Gute ohne Mithilfe des Bösen und Materiellen nicht dauernd existenzfähig sei, und Sie antworten mir ungefähr, je mehr Geist vorhanden, desto mehr Vorsicht nötig. Sagen wir also: man kann den Menschen als einen gemeinen Kerl behandeln und auf diese Weise nicht ganz zu allem bringen; man kann ihn aber auch begeistern und damit nicht ganz zu allem bringen. Zwischen beiden Methoden schwanken wir darum, beide Methoden mischen wir; das ist das Ganze« (91., 415).

Der »vormärzlich gesinnte« Tuzzi äußert dann die »Halbdummheit«, es sei besser, wenn der Staatsbürger nicht über alles nachdenke, und »der Vetter« Ulrich meint, das entspreche ja auch den Grundsätzen der Kirche und des Sozialismus (415 f.). Bei einer »Konzilssitzung« im Spätwinter (Januar/Februar 1914), zu der er ausnahmsweise gestoßen ist, flüstert Tuzzi Ulrich zu, Arnheim sei ein Sendling des Zaren. Er solle die Aktion pazifistisch beeinflussen (116., 589).

Dieser Ansicht ist er auch noch im März, als Ulrich Diotima besucht. Tuzzi fragt Ulrich, etwas verzweifelt, um Auskunft, was bei einem Mann (womit er Arnheim meint) »Seele« sei (III, 16., 803). Wie er auf Diotimas Wendung zur Vervollkommnung des Ehelebens reagiert, erfahren wir nur indirekt. Denn im Sommer hört Ulrich von General Stumm, dass Tuzzi seiner Frau die Parallelaktion aus der Hand genommen und sie selbst mit ihren Aktivitäten dem Unterrichtsministerium untergeordnet habe (1132 f.). Er sei nun wieder Herr im Hause. Ulrich meint, dass »diesen Diplomaten die Leiden der Seele, als sie über ihn hereinbrachen, dahin gebracht, daß er in allem und jedem nur noch pazifistische Machenschaften sah« (1133). »Pazifismus war für ihn die faßlichste Vorstellung von Seelenhaftigkeit« (1133 f.). »Er mußte unerhört gelitten haben« – mehr als wenn es sich um einen körperlichen Ehebruch gehandelt hätte (1134). Ulrich denkt mit Sympathie an den »kleinen, mageren Sektionschef« (1133), und beide, er und der General, bewundern »die echt hinterhältige Gesinnung«, die sich bei ihm nun bewährt hat (1137).