Jansen, Friedrich

Sohn des Gneezer Rechtsanwalts Jansen, abgebrochener Jurastudent, Ortsgruppenleiter der NSDAP in Jerichow, wird im Frühjahr 1933 Bürgermeister von Jerichow als Nachfolger von Dr. Erdamer. Gibt das Amt 1941 auf, sein Nachfolger ist Eduard Tamms. Geht 1945 ins Lauenburgische, wird wegen Waffenbesitzes von den Engländern erschossen.

413 Gerede der Jerichower im Dezember 1933 über Albert Papenbrocks geschäftliche Winkelzüge (Pacht der Ziegelei): »Das hat er nur getan, damit Friedrich Jansen Bescheid weiß, wo es lang geht, daß er Bürgermeister sein kann und Ortsgruppenleiter von der Partei und abgebrochener Student der Rechte, aber daß Papenbrock Papenbrock ist. [...] Und Jansen hatte es wohl gar nicht so richtig mitbekommen, daß ihn da was überfahren hatte. Der hatte reichlich andere Sorgen. Ach nee. Doch. Das weiß der, daß wir wissen, daß wir Rechtsanwalt Jansen in Gneez einen Gefallen tun und nehmen seinen verkrachten Sohn als Bürgermeister [...]. Klar ist Friedrich Jansen ein alter Kämpfer, Mitglied der Partei seit 1927, darum haben wir ihn gewählt«.

474 Nach zwei Jahren, 1935, hat Friedrich Jansen »gelernt, auf Kleineschulte und den alten Papenbrock zu hören. Es gab immer noch ein paar, mit denen wurde er nicht fertig.« Zu denen gehört auch Heinrich Cresspahl.

498 Ein Versuch, Heinrich Cresspahl wegen seiner Äußerungen über den in Bau befindlichen Flugplatz Jerichow Nord bei der Gestapo in Gneez zu denunzieren, schlägt fehl.

663 Cresspahl »hätte den als Schwein beschrieben. Nicht im deutschen Sinn des Wortes, schlicht wegen seiner Ähnlichkeit. Da war Jansens rosige Länge, obendrein weißlich behaart, die schweren Schenkel, nicht wuchtig, sondern wabbelig, die massigen Arme, ansehnlich auf den ersten Blick, weichmusklig auf den zweiten, und am ganzen Leibe das zarte ängstliche Fett, angesammelt in sechsunddreißig Jahren ohne handfeste Arbeit. Das reichte Cresspahl nicht, ihn ein Schwein zu nennen; vielleicht war ihm das mecklenburgische Wort dafür zu schade. Er nannte ihn beim vollen Namen, mit einem gewissen Ernst. Damit tat er dem Vertreter der Hitlerpartei größeren Schaden, und billiger«. – Jansen macht sich Notizen über Cresspahl; in seinem »ziegenlederne[n] Notizbuch« haben »die Anmerkungen zum Buchstaben C mittlerweile die Abteilung für D halb aufgefressen«.

664 Das Bürgermeisteramt hat ihn »mit knapper Not vor einem Leben vom Hungerlohn oder im Arbeitshaus gerettet«; nun führt er ein Leben »mit Frühstück kurz vor Mittag, Bürostunden nach Belieben, Spazierfahrten und vertrunkenen Nächten«. Die Verwaltung der Stadt besorgen die Beamten, die Jansens Vorgänger Dr. Erdamer »erzogen« hatte.

665 Will Tierarzt Semigs Schäferhund King (Rex) kaufen, den Heinrich Cresspahl nach Semigs Flucht in Pflege genommen hat, aber das ›abartige Tier‹, »das die arische Rasse an Juden verraten hatte«, knurrt ihn an. Cresspahl verkauft es vorsorglich an einen Interessenten in Berlin.

666-667 Kauft 1938 von der Familie von Zelck die Villa der Ziegelei, eines »der angesehensten Häuser der Stadt«. Zur Villa gehört aber auch die inzwischen unrentable Ziegelei. So hat Jansen »von der Villa nicht viel mehr als die Kaufurkunde zu Eigentum, so platzgreifend wohnten da nun Hypotheken mit«. Jansen »hätte aus seinem politischen Amt wohl gern ein Vermögen an sich gezogen, war aber dazu nicht geschickt genug«. – Sein Vater, dem er 1933 »wegen seines Mißtrauens gegen die neue Herrschaft Verachtung und ähnliche Sohnesstrenge ausgesprochen hatte«, will von ihm nichts mehr wissen und verweigert ihm seine Hilfe. – Die Bobziens geben einem ihrer Zuchtbullen den Namen Friedrich, und Jansen kann nichts dagegen tun. »Es war ein mächtiges Tier, träge und tückisch, und hatte einen etwas zu dösigen Blick.«

702-703 Hält bei der Einweihung des Flugplatzes Jerichow Nord mit hochrotem Gesicht und schwer atmend eine Rede. »Von den Fotografien, die Jansen in diesem Zustand zeigten, setzte Stellmann am nächsten Tag mehr ab als von jedem anderen Motiv.«

722-724 In der Nacht der Novemberpogrome vom 9. auf den 10. November 1938 steht vor Tannebaums Laden »auch Friedrich Jansen Wache, Bürgermeister, Polizeichef, mit gezogener Pistole«. – Er befiehlt dem Stadtpolizisten Ete Helms, das Geld aus Tannebaums Ladenkasse, das Tannebaum selbst auf Knien einzusammeln gezwungen wird, von diesem entgegenzunehmen und ihm zu bringen, aber »Ete Helms stand Habacht vor ihm, wollte das Geld nicht nehmen. Jansen, hochrot im Gesicht, drohte ihm mit Strafe wegen Verweigerung eines Befehls, und Ete schlug die Hacken zusammen und nahm das Geld nicht«. – Kurz darauf tritt Lisbeth Cresspahl vor den Bürgermeister und ohrfeigt ihn. »Friedrich Jansen hielt ihr einfach die Hände fest.« Ete Helms führt sie (zum Schein) ab und »Friedrich Jansen kommandierte nun die Feuerwehr. Die Feuerwehr mußte ihr Wasser eine halbe Stunde in das Haus schießen, das nicht brannte, weil Jansen mit der Pistole hinter der Spritze stand.«

868 Gibt 1941 das Bürgermeisteramt »wegen Arbeitsüberlastung« auf (Nachfolger: Eduard Tamms) und verkauft die Ziegelei an einen Lübecker Fabrikanten, »bloß um seine Schulden bezahlen zu können«.

1000 Nach Kriegsende hat er sich »ins Lauenburgische verdrückt, wo sein mecklenburgisches Wirken unbekannt war; bei einer Ausweiskontrolle wurde die Pistole entdeckt, die er für den Notfall bei sich trug, und die Briten verurteilten ihn wegen des Waffenbesitzes zum Tode und erschossen ihn ahnungslos in Lübeck«.

Anhang XIII. Heinrich Cresspahl erinnert sich 1949: »wegen Papenbrocks Feigheit habe Jerichow nach Dr. Erdamer einen verkrachten Jurastudenten aufs Rathaus bekommen, als Gefälligkeit für den alten Dr. Jansen, und eine Schande für die Stadt«.

Anhang XIII. Hat Hünemörder ins KZ gebracht: »Hätten die Briten Jansen nicht versehentlich wegen Waffenbesitzes erschossen, es fänden sich Leute in Jerichow genug, ihn umzubringen. Zum Beispiel Hünemörder«. Der habe »nach der Hitlerrede 1934« prophezeit, dass spätestens 1939 Krieg sein werde, und sei dafür in ein Konzentrationslager gesteckt worden. »Hünemörder kam erst 1936 aus dem Konzentrationslager frei, und zog von Jerichow nach Lübeck, eigens um sich den Anblick von Friedrich Jansen zu ersparen.«

Vgl. auch 418. 496-498. 530. 532. 624. 650-651. 668. 670-671. 678. 692. 719. 738. 741-742. 744. 754. 756-759. 781. 857. 867. 942. 969. 1781. Anhang XII-XIII.