Namen

413-414 Jerichower Gerede über Ottje Stoffregens Namen 1933: »Stoffregen klingt auch nicht arisch. Klingt dir das arisch? Stoffregen. Und dann hat er noch Glück gehabt, daß dieser Kliefoth Bescheid wußte. Was für ein Kleie-am-Fuß. [...] Und Stoffregen, Ottje, er hätte das ja nun selber wissen müssen, als Lehrer, und ein Mensch denkt doch über seinen Namen nach. Ich nicht. Das glaub ich dir, Hünemörder. Und Dr. Kliefoth sagt zu Ottje: Das ist Mittel-Nieder-Deutsch, früher mit ein langen o gesprochn, und es kommt von stôven, und das heißt schnell jagen und bezieht sich auf das Wetter zur Zeit der Geburt. [...] Was heißt denn Stoffregen nu! Das ratet ihr nicht. Dem geb ich einen aus, der das rät. Na? Wolkenbruch heißt es. Platzregen heißt es. Siehst du wohl. Ottje Platzregen.«

544 »War es nicht doch Avenarius, Avenarius Kalter Morgen?« (Avenarius Kollmorgen)

896 Über Gesines Lehrerin Lafrantz: »Dann kam Olsching Lafrantz, stolz auf ihren Nachnamen, erbittert über den, den die Kinder ihr angehängt hatten« (Olsching, d. h. Alte).

913 Der Name des Leiters der Gestapostelle Gneez wird vom Erzähler bzw. von Gesine Cresspahl verschwiegen: »er braucht einen Namen nicht«.

1251-1255 Über den Unterricht in Gneez, 1945: »Zu den Beschäftigungen gehörten Versuche in der Namensforschung. Es war die schlimmste Gelegenheit für den Spitznamen. Die Schülerin Cresspahl wollte nicht angenagelt werden als Kresse am Pfahl, sie mochte aber auch nicht einen Namen als Christ haben, vielleicht von Chrest im Wendischen. Als sie an der Reihe war, erklärte sie ihren Namen als zusammengesetzt aus kross und Pall.« Aber die Lehrerin, Dr. phil. Beese, »sagte: Nichts da. Griechisch grastis, ›Grünfutter‹, Althochdeutsch kresso, dazu falen, Ostfalen. Hatte ich meinen Spitznamen. Grünfutter.«

1290 Im sowjetischen KZ Fünfeichen: »Cresspahl sah einen (er verweigerte den Namen), den quälten seine Nachbarn zum Zeitvertreib«.

1606 Der Bauer in Wehrlich, in dessen »Knechtschaft« Anita Gantlik nach der Flucht aus Ostpreußen von ihrem Vater zurückgelassen wird, bekommt keinen Namen: Anita macht ihre Hausaufgaben in der ehemaligen Stadtbibliothek, weil »ihr Schinder von einem Gastgeber, wir verzichten auf den Namen, sie von den Büchern zum Ausmisten seines Schweinestalls schicken konnte«.

1608 Ihren Vornamen verdankt Anita Gantlik einem »Film mit spanischer Szene« und einem Schlager, den ihre Mutter 1933 gehört hat: »›Juanita‹; ich vergeb's ihr.« Ihr Nachname ist nur der »Stummel« eines ursprünglich polnischen Namens.

1662 »Was immer Übernamen auszusagen vermögen, über eines Menschen Umgang, Pius war beschützt von dem seinen [...]. Die Schülerin Cresspahl hatte keinen; Marie nur einen für das erste Kindergartenjahr 1961/62 (our lil' Kraut).«

1698-1699 Anlässlich der Lektüre von Fontanes »Schach von Wuthenow« in der Klasse Elf A Zwei bekommt der Schüler Nagel den Spitznamen Pinne (nach der Äußerung des Küfers im dritten Kapitel »Is hier allens voll Pinnen und Nägel«). »Hat es tapfer hingenommen. War im Grunde froh, daß er nun auch so etwas Eigenes hatte, einen Spitznamen.«

1705 Schüler Lockenvitz auf die Frage des Kandidaten Weserich nach den denkbaren Gründen für den Titel »Schach von Wuthenow«: »Weil ein Personenname immer die ehrlichste Ankündigung ist [...] (hatte er von Th. Mann).«

1707 Lockenvitz entdeckt, »daß Fontane dem Schach an keiner Stelle einen Vornamen gibt, gewiß nach adliger Sitte, dennoch Anmerkung zur Person«.

1722 Gesine verschweigt den Namen der Stadt, in der Dieter Lockenvitz' Vater Direktor der städtischen Gärten war: »sei unbesorgt. Ich verschweige den Namen der Stadt

1723 Lockenvitz: »Ein empfindliches Kind. Wenn man so heißt. Ein Spitzname: Dietchen (gestiftet von Lise Wollenberg). Wenn man in der Tat Locken um den Kopf trägt, blonde ungebärdige Wellen. Hintendran ein Vitz, ein Fitz, ein Fetzchen. [...] Siehe aber auch Goethe: ›Denn der Eigenname eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn hängt und an dem man allenfalls noch zupfen und zerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen.‹«

1738, 1746 Zornig auf ihren Chef de Rosny, assoziiert Gesine Cresspahl das tschechische Wort ›hrozný‹ (furchtbar, schrecklich) mit seinem Namen: »Hroznýš, die Riesenschlange! Hrozitánský, ungeheuer!«

1751 Über den Vornamen Gesine und Cresspahls Jugendliebe Gesine Redebrecht, nach der Gesine Cresspahl benannt ist.

1751 Der Junge über der Apotheke, ein jugendlicher Verehrer der Schülerin Cresspahl, bekommt keinen Namen: »Und weil ich ihm nun einmal das Gewünschte vorenthalten mußte, gedenke ich wenigstens, seinen Namen zu verschweigen. Überhaupt ist mir, als würd ich nun ungenau sein mit Namen. Denn wenn Cresspahl an Knoop ein dänisches Geschäft gescho – vermittelt hatte, wird auch Gesine zum Begießen eingeladen auf ein Boot, eine Jacht im Hafen von Wismar. Wir wollen dem Menschen keinen Ärger machen«.

1797 Der Schüler Dieter Lockenvitz erklärt den Lesern seiner anonymen Post »die Herkunft des Gefängnisnamens ›Bützow-Dreibergen‹ aus den drei Hügeln an der südwestlichen Ecke des Bützower Sees, auf denen die Unterkunft einst hatte errichtet werden sollen«.

1801 Beim Prozess gegen Dieter Lockenvitz am 15. Mai 1952 informiert ein Justizangestellter die Klasse des Angeklagten unter der Hand über den Gerichtstermin: »zwar sollte im Protokoll etwas stehen von Öffentlichkeit, aber keine anwesend sein im Saal. Hier hatten die Schülerinnen Gantlik und Cresspahl vorgesorgt mit der Straftat einer vollendeten Bestechung an dem Justizangestellten Nomenscio Sednondico [Ich kenne den Namen, sage ihn aber nicht], welcher Herr N.S. über Elise Bock die Klasse Zwölf A Zwei so pünktlich verständigte, daß noch vor Beginn der Veranstaltung im Landgericht eine Zusammenrottung junger Bürger im stolzen Blauhemd Einlaß verlangte«.

1834 Der junge Mann, der die Studentin Gesine Cresspahl in Halle bespitzelt, »verdient keinen Namen«.

1872-1874 Gesine über »die Karriere eines Politikers in der westdeutschen Republik: »Hätt ich je Heimweh nach der westdeutschen Politik, ein Bild hängt ich mir auf von dem.« Marie: »Der kriegt keinen Namen?« Gesine: »Der verdient den Namen, den er sich macht.« Die Rede ist von Franz Josef Strauß.