Schumann, Gerd

Junger Kommunist, Werber für die KPD im Sommer 1945, später Landrat von Gneez. Im Oktober 1946 verhaftet und in ein Straflager in der Sowjetunion deportiert. 1962 ist er wieder in Mecklenburg. Gerd Schumann ist sein Deckname.

1186-1187 »Auf dem Lande um Jerichow war inzwischen ein junger Mann unterwegs, Gerd Schumann nannte er sich, ehemals beim Nationalkomitee Freies Deutschland in der Sowjetunion, nach einem Lehrgang für Verwaltungstechnik in Stargard/Pommern abgesandt in diesen Winkel als Werber für die Kommunistische Partei. Cresspahl hatte mit ihm gesprochen, er fand ihn umgänglich«. – 23 Jahre alt, »stämmig und schon ein wenig speckig«, man nennt ihn trotz seiner weißblonden Haare »Rotkopf«. – Die Mitgliederzahl der KPD wächst zwischen Juni und August 1945 von eintausend auf achttausend. – Cresspahl lädt ihn nach Jerichow ein, hofft insgeheim darauf, dass er das Bürgermeisteramt an ihn abgeben kann, aber Schumann lehnt ab.

1343 Wohnt in Gneez im Hotel Stadt Hamburg bei Alma Witte. Verliebt sich dort in Slata, hängt an ihr »mit spöttisch verwirrten Blicken [...], mit schwermütig betonter Miene, als sei er nicht der künftige Landrat von Gneez«.

1375 Marie fordert Gesine auf, ihr von einem zu erzählen, dem der Aufbau des Sozialismus in der Sowjetisch Besetzten Zone »Spaß« gemacht hat: »Der das freiwillig tut. So einen. Der Bescheid weiß. Der glücklich ist damit. Einen mußt du doch wissen.« Gesine erzählt ihr an diesem Tag (18.6.1968) und den folgenden Tagen Gerd Schumanns Geschichte.

1375-1382 Im Sommer 1946 ist er Landrat von Gneez. – Über seinen Werdegang und seine Arbeit für den Wiederaufbau Mecklenburgs. – Über seine Auseinandersetzungen mit alten Parteimitgliedern über die Politik der Sowjets und die politische Ausrichtung der Partei. – Über seine tägliche Arbeit als Landrat, seinen Kampf mit einzelnen Amtsträgern, mit den Eigenheiten der Mecklenburger und ihrer Sprache. Er stammt aus dem Badischen. – Über sein Verhältnis zu Slata.

1394-1399 Sein Wahlkampf für die Gemeindewahlen am 15. September 1946. – Über die weitreichende Unterstützung des SED-Wahlkampfs durch die Sowjets. – Nachdem ihm der Stadtkommandant von Gneez, Jenudkidse,  ›Nachhilfe‹ in Sachen Wahlkampf erteilt hat, absolviert er bis zu zehn Wahlveranstaltungen am Tag. – Trotzdem »verliert« er die Wahl, bekommt »nur« 66 Prozent der Stimmen. »Mehr als ein Viertel der Leute in Mecklenburg vertraute ihm nicht. Überdies hatte er die Freunde enttäuscht. Jetzt glaubte er das Gefühl der letzten Wochen zu erkennen: Angst vor dem Versagen, Ahnung der Niederlage.«

1408 Kurz darauf Wahlkampf für die Landtagswahlen in Mecklenburg am 20. Oktober 1946. Schumann ist »mit unsicherem Gefühl unterwegs«. Besucht am letzten Tag vor der Wahl Jerichow, wo Bürgermeister Bienmüller den Wahlkampfredner mit subversiven Plakaten angekündigt hat und ihn ohne die gewohnte Ehrerbietung empfängt. Er besucht Peter Wulff, der ihn abblitzen lässt und die Rückkehr des verhafteten Cresspahl fordert. Er beschwert sich bei den Stadtkommandanten, den Herren Wendennych, die barsch reagieren, ihm die Pistole abnehmen lassen. Er verlangt im Haus gegenüber ein Zimmer, um sich vor der Wahlkampfrede auszuruhen, wird aber von einem dreizehnjährigen Mädchen (Gesine Cresspahl) abgewiesen. Fällt mit seiner Rede durch. Auch diese Wahl »verliert« Schumann, seine Partei bekommt noch weniger Stimmen als bei den Gemeindewahlen.

1420 Nach dem Wahlsonntag lässt Jenudkidse ihn festnehmen. Bei den Verhören bittet Schumann »unverhofft, ihm selbst nicht erklärlich, um die Adresse von Slata. (Nur um ihr zu schreiben.) J. J. Jenudkidse galt als ein ruhiger Kommandant, ohne Neigung zu gehässigen oder gar unüberlegten Einfällen. Er ließ den jungen Mann an eine solche Adresse befördern«, d. h. in ein sowjetisches Straflager bringen.

Sechzehn Jahre später, im Frühling 1962, trifft Gerd Schumann eine Frau im Schweriner Burggarten und erklärt ihr, »daß dies der Abschluß seiner Erziehung war, die endgültige Abkehr von privaten Wünschen, das vollständige Aufgehen in der Partei«. Er heiratet später und nimmt seinen richtigen Namen wieder an. »Nach Gneez kam er nie wieder. Ich habe ihn nie wieder gesehen.«

Vgl. auch 1362. 1409. 1410. 1419. 1437.