Weserich, Mathias

Diplomierter Germanist von der Universität Leipzig, absolviert im Schuljahr 1950/51 ein Praktikum an der Fritz Reuter-Oberschule in Gneez, übernimmt den Deutschunterricht in Gesine Cresspahls Klasse Elf A Zwei. 

1681-1882 Sein Gruß nach der Vorstellung durch den neuen Direktor Kramritz »fiel aus wie ein Diener vom Nacken her, mit einem fast viereckig aufgerissenen Mund voller knallweißer Zähne«. Er ist kriegsversehrt, »noch ein Humpelmann«.

1694 Gesine Cresspahl und Pius Pagenkopf kennen Weserich schon von einem zufälligen Treffen am Stadtsee in den Ferien, wo er sich auf einer Bank seine Beinprothese richtet. Er entschuldigt sich für den erschreckenden Anblick. »Das wäre das: sagte er gelassen, als er sich von der Bank ins Stehen drückte. – Für Führer und Reich; geglaubt hab ich's auch: fügte er hinzu, anheim stellend, voll Vertrauen auf unsere diplomatischen Künste.«

1694-1705 Er liest mit der Klasse Fontanes »Schach von Wuthenow«. Da es keine Ausgabe des Romans gibt, organisieren die Schüler vervielfältigte Abschriften, die ihnen Mitte September zur Verfügung stehen. Weserich nötigt sie zu höchst genauer Lektüre. Die Klasse benötigt bei vier Wochenstunden Deutsch »für die ersten sechs Seiten der Erzählung an die drei Wochen«, was Weserich nicht ungewöhnlich findet. »Uns läuft die Zeit davon! rief er aus, und es war später Oktober, und wir standen im zweiten Kapitel.« Die Lektüre zieht sich bis Ostern 1951 hin.

1705-1707 Die Arbeit an der Erzählung nimmt ein jähes Ende, als Dieter Lockenvitz nach den Osterferien eine Zeitschrift mitbringt, »die Botschaft der ostdeutschen Staatskultur an den Rest der Welt« (d. i. die Zeitschrift »Sinn und Form«), in der »der amtierende Fachmann für sozialistische Theorie in der Literatur« (d. i. Georg Lukács) einen Aufsatz über »Schach von Wuthenow« veröffentlicht hat, der Weserichs akribische Arbeit zunichte macht mit der Behauptung, die Erzählung sei ein bloßes »Geschenk des Zufalls«. Weserich bleibt der Schule für eine Woche fern. »Der zurückkam, dem waren wir widerlich.« Er setzt die »Schach«-Lektüre ab, für den Rest des Schuljahres »raste er mit dieser Klasse durch den Roman ›Frau Jenny Treibel‹« und lässt sich nicht mehr auf Gespräche ein. »Der Ofen war aus«.

Der geknickte Lockenvitz schreibt einen zwanzigseitigen Aufsatz über »Schach von Wuthenow« und schickt ihn Weserich nach Leipzig nach. Er bekommt keine Antwort.

Einige Zeit später erscheint Weserichs Dissertation über »Schach von Wuthenow«, sie »wurde in Göttingen gedruckt, jenseits der Grenze«.

Gesines Resümee: »wir hatten bei ihm das Deutsche lesen gelernt.«

Vgl. auch 1710.