Der Kaiser und die Hexe (1897)

Kaiser, Der (Porphyrogenitus)

Durch eine siebentägige Enthaltsamkeit will der Kaiser von Byzanz sich von der Hexe lösen, der er sieben Jahre lang verfallen war. Als der junge Kaiser sich vor ihr in die Jagd flüchtet, fühlt er sich allerdings selbst als der Gejagte. Um »dieses Teufelsblendwerk« endlich abzuschütteln (III, 182), umgibt er sich zum Selbstschutz mit seinem Gefolge. Doch selbst als er die Hexe unbeabsichtigt mit seinem Dolch trifft und vermeintlich auch tötet, wird er sie nicht los. Unverkennbar verkörpert die Hexe einen Teil seiner Selbst. Die Ratschläge, die er seinem Kämmerer Tarquinius erteilt, sind gleichzeitig eine Analyse der eigenen Selbstentfremdung. Dieser entkommt der Kaiser schließlich durch die Begegnungen mit dem Verurteilten und dem Greis. Den Verurteilten begnadigt er, den Greis lässt er aus seiner goldenen Schüssel essen und in seinem Bett schlafen. Am Ende löst er sich endgültig von der Hexe. Ihm ist klar geworden, dass es im Leben auf die Treue gegenüber sich selbst, auf die Wahrhaftigkeit des eigenen Lebensentwurfs ankommt.

Hexe, Die

Die junge und schöne Hexe war sieben Jahre lang mit dem Kaiser verbunden. Dieser ist aber im Begriff, den Pakt mit ihr zu kündigen. Um ihn erneut an sich zu binden, umgarnt sie ihn. Als sie bemerkt, dass er sich tatsächlich von ihr löst und ihrer Verführung standhält, wird sie zornig und bekennt ihre eigene Abhängigkeit. Bei Sonnenuntergang verwandelt sie sich in ein runzliges altes Weib und verschwindet im Wald.

Tarquinius

Ein Hofkämmerer. Der junge Tarquinius ist dem Kaiser treu ergeben. Er sagt ihm frei heraus, dass er ihn für einen guten Menschen hält, »so mit Hoheit und mit Güte / Wie ein Stern mit Licht beladen« (III, 185). Der Kaiser gibt ihm gut gemeinte Ratschläge, die sich mehr an ihn selbst als an Tarquinus richten: Er rät ihm, sich selber treu zu sein, Innen und Außen in Einklang zu halten, damit kein »Schleier zwischen Herz und Aug und Welt« entsteht (III, 186). Das Leben dürfe nicht zum »Schattenspiel« werden (ebd.), das den Menschen zum Schauspieler mache: »Wer nicht wahr ist, wirft sich weg!« (III, 187)

Verurteilte, Der (Lydus)

Während seiner Jagd trifft der Kaiser auf den zum Tode verurteilten Brandstifter Lydus. Durch seine Taten, so erklärt er dem Kaiser, hat er sich an einem Richter rächen wollen, der »das Recht bog« (III, 190). Sein eigenes Ende empfindet er nun als das »höchst nötige gerechte Ende« (III, 191). Nachdem er seine Geschichte erzählt hat, begnadigt ihn der Kaiser und ernennt ihn zum Admiral. Wer »sich selber / Furchtbar treu war«, lautet die Maxime des Kaisers, »der ist jenseits / Der gemeinen Anfechtungen« (III, 192).

Mensch, Der arme

Begegnet dem Kaiser im Wald, der ihn bittet, ihm den Leichnam der Hexe aus den Augen zu schaffen. Nach Einbruch der Dunkelheit soll der arme Mensch ihr ein nie wieder aufzufindendes Grab schaufeln.

Blinder, Ein uralter (Der Greis)

Der Kaiser findet den Alten, der sich als Johannes der Pannonier entpuppt, im kaiserlichen Forst und bemüht sich um sein Wohlergehen. Es stellt sich heraus, dass der Alte dreiunddreißig Tage lang Kaiser in Byzanz gewesen war, bis ihm der jetzige Kaiser den Thron raubte. Auf Befehl des dreijährigen Porphyrogenitus war er geblendet und in den Wald verbannt worden. Reumütig lässt der Kaiser den Blinden daraufhin aus seiner goldenen Schüssel essen und in seinem Bett schlafen.

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