Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812 auf 13 (1878)

Theodor Fontane: Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812 auf 13. Hrsg. von Christine Hehle. 2 Bde. Berlin: Aufbau 2011 (Große Brandenburger Ausgabe. Das erzählerische Werk. Bd. 1/2).

Der Roman ist in 4 Bände mit je gesonderter Kapitelzählung gegliedert. Nachweise von Zitaten erfolgen unter Angabe der Bandzahl (römisch) sowie der Kapitel- und Seitenzahl (z.B. II, 4/193 = 2. Band, 4. Kapitel, S. 193). – Auf die Angabe der Bandzahl der Brandenburger Ausgabe wird verzichtet, sie  ergibt sich von selbst: Band 1 enthält die Bände I-II, Band 2 die Bände III-IV. Vgl. dazu auch die Kapitelübersicht.

Amtmann, Bohlsdorfer

Er fährt am Abend des 29. Januar mit seiner jungen Frau an Lewin vorüber, der nach der Nachricht von Kathinkas Flucht zur Stadt hinaus gewandert ist und kurz hinter Dalwitz auf einem Steinhaufen sitzt (vgl. III, 18/233 f.). Seine junge Frau, die Renate davon berichtet, zeigt eine überraschende Ähnlichkeit mit Kathinka (IV, 1/241).

Augereau, General

Herzog von Castiglione, Gouverneur von Berlin, »ein großer, starker Mann mit Adlernase und durchdringendem Blick«. Während aus Russland Trupps von geschlagenen Soldaten der ›Grande Armée‹ nach Berlin kommen, reitet er in der Uniform eines Marschalls von Frankreich an der Spitze einer aus Westen neu eingetroffenen französischen Division mit allem Pomp durch Berlin, um »den Berlinern in beherzigenswerther Weise zu zeigen, daß der Kaiser nach wie vor unerschöpfte Hilfsquellen und trotz Moskau noch immer Armeen habe« (III, 12/168). Lewin, der gerade einigen aus Russland angelangten Offizieren bei der Quartiersuche behilflich ist, ist Zeuge des Schauspiels.

Bamme, von

Mitglied des engeren Gesellschaftskreises von Gräfin Amelie (vgl. II, 3/172), Generalmajor auf Gut Quirlsdorf, letzter Spross seines Hauses, mit dem »nicht viel« erlöschen wird, »ein kleiner, sehr häßlicher Mann mit vorstehenden Backenknochen und Beinen wie ein Rococotisch«, eine husarenhafte Erscheinung, »aber doch noch mehr Kalmück als Husar« (II, 3/180). In Groß-Quirlsdorf hält man ihn für einen »Tückebold, auch noch für Schlimmeres«; seine »geistigen Bedürfnisse« erschöpfen sich in »necken, spotten und mystifiziren«; zu seinen Gunsten spricht ein schelmischer Zug und der Umstand, »daß er sich gab wie er war« (II, 3/181). Auf Schloss Guse ist er eine »Lieblingsfigur« und »Hecht im Karpfenteich«, Berndt von Vitzewitz und seine beiden Kinder dagegen hegen eine Abneigung gegen ihn (II, 3/182). Er streitet gern mit Seidentopf über archäologische Funde, die er oft selbst in der Gegend verstecken lässt, »wie man Ostereier versteckt« (II, 3/182), und beschäftigt sich mit den Geschichten von »weißen Frauen«, speziell der weißen Frau von Orlamünde (vgl. IV, 12/341-344).

Der Plan einer »Insurrektion des Landes zwischen Oder und Elbe«, den Berndt von Vitzewitz ihm am Silvesterabend auf Schloss Guse unterbreitet, findet zu dessen Überraschung sofort seine Zustimmung. »Ohne Grundsätze und Ideale, war sein hervorstechendster Zug das Spielerbedürfniß; er lebte von Aufregungen.« (II, 19/342 f.) Anfang Februar quartiert er sich bei Berndt ein und bestimmt Hohen-Vietz zum Hauptquartier (vgl. IV, 8/306). Tante Schorlemmer weist alle weiblichen Dienstboten des Hauses »aufs schärfste« an, sein Zimmer »auch bei heftigem Klingeln« nicht zu betreten (IV, 9/320). Er übernimmt den Oberbefehl über die von den Gutsherrn aus der Umgebung zusammengestellten Kompanien. Je näher der Tag des Sturms auf Frankfurt rückt, umso unruhiger wird er. »Denn so groß sein Selbstbewußtsein war, so groß war auch, selbst unter gewöhnlichen Verhältnissen, seine Selbsterkenntnis. […] Er fühlte sich der ihm zugefallenen Aufgabe nicht recht gewachsen« (IV, 17/387). Dass er bei dem Angriff eine große Fuchsstute reiten soll, missfällt ihm; er fühlt sich nur auf seinem kleinen Shetland-Pony wohl: »wir haben dasselbe Maß und passen zusammen« (IV, 17/388). Nach der missglückten Aktion will er sich an Lewins Befreiung nicht beteiligen. Er »habe keine ›glückliche Hand‹« (IV, 23/452).

Er gibt Hoppenmarieken, für die er von Anfang an ein besonderes Interesse hat, nicht nur das letzte Geleit, sondern stattet der in ihrer Kate Aufgebahrten zuvor auch einen Besuch ab, voller Neugier auf ihr Aussehen im Tod, und nennt sie, als er sie mit ihrem Stab in der Hand liegen sieht, »Zwergen-Bischof«. Auch die Ausstattung ihres Hauses findet er »superbe« (IV, 26/481). Uhlenhorst, dem Müller Miekley darüber berichtet, hält sein Verhalten für nur »natürlich«, denn Bamme und Hoppenmarieken seien Geschwister, hätten denselben Vater (den Teufel) und seien an demselben Ort (in der Hölle) geboren (IV, 26/484). Am Abend des Beerdigungstages kehrt Bamme auf sein Gut zurück.

Einige Tage später stattet er Berndt erneut einen Besuch ab und entpuppt sich mit seiner Reaktion auf die Nachricht von Lewins und Maries Verlöbnis als halber Revolutionär, der zwar nicht an Freiheit und Brüderlichkeit, wohl aber an Gleichheit glaubt und die Adelsprivilegien für obsolet erklärt: »Es ist nichts mit den zweierlei Menschen.« (IV, 27/491) Er vererbt Marie sein gesamtes Vermögen und versieht seine Verfügung mit dem Zusatz: »Ich hab‘ es früh erfahren, wie wenig der Schein bedeutet.« (IV, 28/497) Es sind Worte, die Marie bei einem Gespräch mit ihm gesprochen hatte und die »ein nervöses Zucken um den Mund des Alten« ausgelöst hatten (vgl. IV, 17/391).

Bischofswerder, Fräulein von

Hofdame der Königin-Witwe (d.i. der Witwe Friedrich Wilhelms II.), Tochter des ehemaligen Ministers Bischofswerder, der Alexander von Ladalinski behilflich war, in der höfischen Gesellschaft Berlins Fuß zu fassen (vgl. III, 3/33, 39). Sie ist Gast bei der Soirée im Hause Ladalinski nach Neujahr und sitzt neben der Gräfin Reale. Sie trägt das spärliche blonde Haar in zwei Locken gelegt, die sich in der Hitze des Saals aufgelöst haben und lang herunterhängen. »Überhaupt war alles lang an ihr«, Lewin erinnert sie an Mamsell Laacke (III, 5/73 f.). Auch an Ladalinskis Abendgesellschaft am 21. Januar nimmt sie teil und sitzt auch hier neben der Gräfin Reale.

Bninski, Jarosch Graf

Im preußischen Exil lebender polnischer Graf, dennoch Patriot, ein »Pole vom Wirbel bis zur Zeh« (II, 4/193), der allem Preußischen feindlich gegenübersteht. Als Soldat in polnischen, später in französischen Diensten hatte er sich als tapfer und treu erwiesen (vgl. II, 14/271 f.). In Berlin verkehrt er im Haus Ladalinskis und nimmt mehrmals an den Sitzungen der ›Kastalia‹ teil. Er liebt Kathinka von Ladalinski. Auf der Soirée ihres Vaters tanzt er mit ihr die Mazurka, ein Anblick, der Lewin von der »wirkliche[n] Ueberlegenheit seines Nebenbuhlers« überzeugt: »Alles was er sah, war Kraft, Grazie, Leidenschaft; was bedeutete daneben sein gutes Herz?« (III, 5/79)

Bei der tags darauf stattfindenden ›Kastalia‹-Sitzung, auf der von Hirschfeldt aus seinen Erinnerungen an den spanischen Krieg liest, zollt Bninski, der auf der Gegenseite gekämpft hatte, dem Rittmeister seinen Respekt (vgl. III, 7/118). »Es ist nichts Kleinliches an ihm«, stellt Bummcke fest: »Selbst seine Vorurtheile beleidigen nicht. Er haßt uns, aber er haßt das Ganze, nicht die Einzelnen.« (III, 15/193) Bei Ladalinskis Abendgesellschaft am 21. Januar bespöttelt er die Angewohntheit der Deutschen, Treuebündnisse durch feierliche Rituale und Symbole zu befestigen, und gerät dabei mit der Gräfin Reale aneinander (vgl. III, 14/182 f.).

Am Tag nach dem Lehniner Ausflug (dem er auf Jürgaß‘ Wunsch fernbleibt), hält er beim Geheimrat um Kathinkas Hand an und stößt auf freundliche, aber entschiedene Ablehnung. In dem anschließenden Gespräch mit Kathinka wird die gemeinsame Flucht beschlossen (vgl. III, 16/214-216). Das Paar lebt in der Folgezeit überwiegend in Paris.

Bogun, Hanne

Hütejunge von Scharwenka, der nur einen Arm, aber »vier Augen« hat, nämlich »sieht wie ein Habicht« (II, 15/278), was sich bei der Suche nach den Dieben, die in Hohen-Vietz und den umliegenden Dörfern ihr Unwesen treiben, als nützlich erweist, denn er entdeckt das Lager der Diebe auf einer Rohrinsel der Oder (vgl. II, 15/288). Auch deutet er gegenüber Lewin von VItzewitz an, dass Hoppenmarieken etwas mit den Einbrechern zu tun hat (vgl. II, 15/286). Nach der Ergreifung der Diebe ist sein Lob in aller Munde (vgl. II, 16/293). Der Erfolg tut ihm nicht gut, nährt seine Eitelkeit und »wachsenden Dünkel« (IV, 19/406). Beim Sturm auf Frankfurt hofft er sich erneut hervortun zu können und trägt ein langes Messer bei sich. Damit ersticht er einen Voltigeur am Lebuser Tor (vgl. IV, 19/412).

Bonnivant, Alceste

Schauspielerin, die am Silvesterabend auf Schloss Guse einige Szenen aus »Guillaume Tell« von Lemierre zum Besten gibt. Gräfin Amelie kennt sie von Rheinsberg her, die Damen haben sich seit 22 Jahren nicht gesehen. Demoiselle Alceste »vereinigte in sich die Liebenswürdigkeiten ihres Standes und ihrer Nation«, ist sehr »groß, sehr stark und sehr asthmatisch, von fast kupferfarbenem Teint« und in eine abgetragene schwarze Seidenrobe gehüllt; ihre kleinen, schwarzen, »größte Herzensgüte verrathenden« Augen und ihre Aufgeschlossenheit für »alles Heitere und Schelmische« machen ihre wenig attraktive äußere Erscheinung wett, und ihre »Anfälle von Künstlerwürde« mit sogleich nachfolgender »Selbstpersiflirung« geben Anlass zu »herzlichster Erheiterung« (II, 19/339). Drosselstein und Bamme liegen ihr schon nach einer halben Stunde zu Füßen. Für ihre Darbietung erntet sie einen »Beifallssturm« (vgl. II, 19/351).

Brühl, Graf

Kammerherr, der auf der Soirée im Hause Ladalinski mit den Freunden der ›Kastalia‹, darunter Bummcke, Jürgaß, Lewin und Tubal, zusammensitzt (vgl. III, 5/76).

Bummcke, von

Hauptmann der Infanterie, Mitglied der ›Kastalia‹ (vgl. I, 17/148). Er tanzt auf der Soirée im Hause Ladalinski Anfang Januar 1813 mit Kathinka. Mit seinem Kompliment, ihr Name klinge ihm wie »Janitscharenmusik«, erntet er eine amüsierte Replik über die musikalische Bedeutung der ersten Silbe seines Namens (vgl. III, 5/76). Er nimmt auch an der Schlittenpartie nach Lehnin teil. Anfang Februar geht er nach Breslau (wohin inzwischen der König mit Hofstaat und Garden geflüchtet ist), um sich einer Freiwilligenarmee anzuschließen, da man jeden Tag mit dem Aufruf des Königs zum Kampf gegen die französischen Besatzer rechnet (vgl. IV, 8/297).

Damerow

Ein Knecht, der den auf der Straße zwischen Dalwitz und Bohlsdorf zusammengebrochenen Lewin vorfindet und in den Bohlsdorfer Krug bringt (vgl. III, 18/235).

Drosselstein, Graf

Mitglied des engeren Gesellschaftskreises von Gräfin Amelie (vgl. II, 3/172), zugleich dessen »vornehmste Erscheinung« (II, 3/173). Aus Ostpreußen stammend, war er seiner Frau zuliebe auf das brandenburgische Familiengut Hohen-Ziesar übergesiedelt, von dem aus die Hauptstadt leichter zu erreichen war. Doch seine Frau starb früh. Seither hat er seine frühere Heiterkeit verloren. Er hat alles, was den anderen Mitgliedern des Zirkels abgeht: »Schliff, Bildung, Ton« und »Verständniß für Kunst und Schönheit« (II, 3/177). Sein Ansehen gründet auf »Selbstsuchtlosigkeit und reinem Wandel« (II, 3/177).

Er teilt Berndt von Vitzewitz‘ Einschätzung der politischen Lage und seinen Unmut über die Untätigkeit des preußischen Königs und seiner Minister (vgl. II, 7/209 f.), kann sich aber erst nach einigem Zögern dazu entschließen, Berndts Vorhaben eines »auf eigene Hand zu führenden Volkskrieges« zuzustimmen (II, 13/254). Anfang Februar besuchen ihn die drei Vitzewitz samt ihren Gästen, Tubal, Hirschfeldt, Hansen-Grell und Bamme (vgl. IV, 11). Beim Kaffee erzählt er in der ihm eigenen Kürze die Geschichte der »weißen Frau« von Hohen-Ziesar, Wangeline von Burgsdorff (vgl. IV, 12/340 f.). Ein in nächster Zeit zu führender Schlag gegen die Franzosen wird zunächst lose verabredet (vgl. IV, 11/338) und dann durch die Neuigkeiten, die der überraschend zu der Gesellschaft stoßende Turgany aus Frankfurt bringt, zu einem konkreten Plan: Man beschließt einen Überfall auf die in Frankfurt einmarschierten französischen Regimenter. Drosselstein soll sich der Unterstützung des russischen Generals Tschernitscheffs vergewissern, Berndt und Bamme sollen eine »Rekognoszirungsfahrt« nach Frankfurt unternehmen und die Details mit Othegraven besprechen (IV, 13/349). Drosselsteins Mission im russischen Hauptquartier hat Erfolg, General Tschernitscheff sagt ihm seine Unterstützung zu (IV, 14/351 f.). Einen Tag später berichtet Drosselstein, dass Tschernitscheff seine Zusage von der Zustimmung seines Kommandanten abhängig macht (vgl. IV, 16/381). Wie befürchtet, bleibt die russische Unterstützung aus und die Aktion misslingt.

Ehrecke

Wächter am Berliner Rathaus Ecke Königstraße, den Lewin auf seinem nächtlichen Heimweg von der Soirée bei Ladalinskis trifft (vgl. III, 6/84).

Faulstich, Dr.

Mitglied des engeren Gesellschaftskreises der Gräfin Amelie auf Schloss Guse (vgl. II, 3/172 f.), ein, wie Lewin findet, zwar »kluger und interessanter Mann«, aber von »zweifelhaftem Gepräge« (II, 10/229). Er besucht ihn mit Tubal nach dem Weihnachtsfest in seiner Wohnung in Kirch-Göritz, und auf dem Weg dorthin gibt er seinem Vetter einen Abriss seiner Geschichte (vgl. II, 10/230-234): Sohn eines strenggläubigen Predigers in der Altmark, studierte er einige Semester Theologie in Halle, von der ihn seine »literarischen Liebhabereien« stark ablenkten; er lernte Ludwig Tieck kennen und spielte einige Zeit seinen Mentor; nach dem Bruch mit seinem Vater ging er nach Berlin, gehörte dort zur Entourage der Gräfin Lichtenau; nach deren Niedergang fand er mit Ludwig Tiecks Hilfe eine Anstellung als Bibliothekar bei Graf Drosselstein, der ihm schließlich eine Lehrerstelle in Kirch-Göritz verschaffte, eine »halbe Sinekure«, die es ihm erlaubt, sich ganz seinem Steckenpferd, der literarischen Romantik, zu widmen (II, 10/232). Er bestreitet, so Lewin, seinen »ethischen Bedarf aus dem ästhetischen Fonds«, ist eine »schwache Natur« (ebd.), liebt die Bequemlichkeit, hat einen entschiedenen »Mangel an Gesinnung« und »kennt nur sich selbst« (II, 10/233). In Kirch-Göritz lebt er mit der kinderlosen Witwe Griepe, seiner Vermieterin, die ihn beherrscht.

Neben Tieck verehrt und bewundert er insbesondere Novalis und zitiert seinen beiden Besuchern Passagen aus den »Hymnen an die Nacht« und den »Geistlichen Liedern« (vgl. II, 11/242-245). Er agiert als Intendant der musikalischen und theatralischen Darbietungen am Silvesterabend auf Schloss Guse und steht dabei äußerste Nervenbelastungen aus (vgl. II, 19/344 f.).

Nach seinem Besuch bei Hansen-Grell vergleicht Lewin beide Männer: »während der eine [Faulstich] das Schöne nur feinsinnig kostete, strebte ihm der andere mit ganzer Seele nach. Was den einen verweichlichte, stählte den andern, und so war Grell ein Vorbild, während Faulstich eine Warnung war.« (III, 18/228)

Unter Punkt 6 ihrer letztwilligen Verfügungen bestimmt Gräfin Amelie, dass bei ihrem Tode »Faulstich, dem ich mein Miniaturbild mit der Rubineneinfassung hinterlasse, […] eine Cantate dichten, und Nippler (der ein Douceur von zehn Dukaten empfängt) […] diese Cantate komponiren« soll, die am dritten Sonntag nach ihrem Begräbnis in der Guser Kirche oder an ihrem Grab gesungen werden soll (IV, 5/279). Faulstich hat den Text schon am Begräbnistag fertig und lässt sie, auf Zettel gedruckt, verteilen (vgl. IV, 5/275 f.).

Ferdinand, Prinz von Preußen

Jüngerer Bruder Friedrichs II., Herrenmeister des Johanniterordens. Berndt von Vitzewitz und Alexander von Ladalinski statten dem 82-Jährigen einen Neujahrsbesuch im Ordenspalais ab. Er beklagt die Proteste gegen die Politik des Königs und seines Ministers Hardenberg, stellt die Gehorsamspflicht gegenüber Monarch und Regierung über alles (vgl. III, 1/12). Die Offenheit, mit der Berndt von Vitzewitz seine Position äußert, weiß er dennoch zu schätzen.

Fichte

Professor der Philosophie an der Berliner Universität, bei dem Lewin Vorlesungen hört. Am Tag nach der Soirée bei Ladalinskis hört er den »kleine[n] Mann mit dem scharfgeschnittenen Profil und den blauen aber scharf treffenden Augen« im vollbesetzten größten Hörsaal der Universität über den »Begriff des wahrhaften Krieges« sprechen (III, 6/90). Anders als Savigny und Thaer, die Lewin zuvor gehört hat, kommt Fichte sofort auf die soeben bekannt gewordene »Kapitulation« Yorks zu sprechen, die er als Anfang vom Ende Napoleons und als den »erste[n] Schritt« rühmt, der »uns aus der Erniedrigung in die Erhöhung führt« (ebd.). Die Studenten sind begeistert.

Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), berühmter Philosoph, Vertreter des Deutschen Idealismus und glühender Gegner Napoleons, war seit 1811 erster gewählter Rektor der Berliner Universität. – Bei der »Kapitulation« Yorks handelt es sich um die sog. »Konvention von Tauroggen«: Der auf französischer Seite kämpfende preußische Generalleutnant York von Wartenburg hatte am 30. Dezember 1812 auf eigene Faust einen Waffenstillstand mit dem russischen Generalmajor Diebitsch geschlossen.

Geertz, Baron

Holsteinischer Adeliger, »Hofcavalier bei der Königin-Wittwe« (d.i. der Witwe Friedrich Wilhelms II.), Freund von Jürgaß, häufig Gast im Hause Ladalinski und hin und wieder Teilnehmer an den Sitzungen der ›Kastalia‹ (III, 5/75). Auf der Soirée bei Ladalinski führt er den verwirrten Lewin zu seinen Freunden.

Griepe, Frau

Noch nicht vierzigjährige Witwe eines Seilermeisters in Kirch-Göritz, Eigentümerin eines Eckhauses, dessen Obergeschoss sie an einen Rentamtmann vermietet hat und dessen Erdgeschoss sie sich mit Dr. Faulstich teilt, dem sie das größere von zwei Zimmern vermietet hat, während sie selbst die dahinter liegende »Stube mit Kochgelegenheit« bewohnt (II, 11/237). Sie behandelt Dr. Faulstich, mit dem sie nach Lewins Überzeugung ein Verhältnis hat, mit »äußerster Respektlosigkeit« (II, 11/239).

Grüneberg

Deckenflechter in Berlin, mit seiner Stieftochter Ulrike Gast auf Frau Hulens Abendgesellschaft, ein Mann mit einer »Eulenphysiognomie« (III, 4/53).

Grüneberg, Ulrike

Stieftochter des Deckenflechters Grüneberg, ebenfalls Gast auf Frau Hulens Abendgesellschaft, eine ›beinahe hässliche‹ junge Frau, die sich gleichwohl für schön hält »und durch ihre Schönheit zu etwas Höherem berufen« glaubt (III, 4/53). Auf dem Heimweg hält sie sich ausgiebig über die Gastgeberin und ihre Gäste auf.

Grützmacher

Für die Soirée im Haus Ladalinski Anfang Januar gemieteter »Livreediener«, in dem Jürgaß den ehemaligen »Regimentsfriseur von Goecking-Husaren« wiedererkennt (III, 5/79).

Haacke, von

Von dem »riesengroßen« Major von Haacke (III, 5/78) erfahren Lewin und seine Freunde, dass die Kapitulation des Generals York den König »indignirt« hat, York das Kommando entzogen wurde und zu erwarten steht, dass er vor ein Kriegsgericht gestellt wird (III, 6/92).

Bei der »Kapitulation« Yorks handelt es sich um die sog. »Konvention von Tauroggen«: Der auf französischer Seite kämpfende preußische Generalleutnant York von Wartenburg hatte am 30. Dezember 1812 auf eigene Faust einen Waffenstillstand mit dem russischen Generalmajor Diebitsch bei Tauroggen geschlossen.

Hansen-Grell, Detleff

Dichterisch begabter Kandidat der Theologie, den Jürgaß in der ›Kastalia‹ einführt. Er ist, wie Tubal in seinem Weihnachtsbrief an Lewin berichtet, »eher häßlich als hübsch«, hat strohiges Haar, blasse Augen, gerötete Lider und Stoppelbart (I, 17/149). Ein »heiliges Feuer«, das ihn beim Vortrag seiner Ballade »Hakon Borkenbart« erfasst, bringt die »Prosa« seiner äußeren Erscheinung zum Verschwinden (I, 17/151).

Sohn eines märkischen Vaters und einer Handwerkerstochter aus Schleswig, wuchs er teils in der Mark, in dem zur Herrschaft der Jürgaß gehörenden Dorf Gantzer, teils bei den Großeltern in Schleswig auf, lebte einige Jahre in Kopenhagen als Erzieher im Haus des Grafen Moltke und kehrte dann nach Brandenburg zurück (vgl. II, 9/226). Jürgaß, Tubal und Bninski sind von seiner Kunst beeindruckt, Kathinka macht sich über ihre Schwäche für den »nordische[n] Wundervogel« lustig, der am Ende wohl nur eine »Eidergans« sei (II, 9/227).

Bei der ersten ›Kastalia‹-Sitzung des neuen Jahres, die bei Lewin in der Klosterstraße stattfindet, trägt er das Balladenfragment »General Seydlitz« vor und löst damit einen »Jubel« aus, »wie ihn die Kastalia seit lange nicht gehört hatte« (III, 7/106). Die dänische Geschichte, über die man sich beim Dejeuner bei Jürgaß unterhält, wie die Geschichte überhaupt interessiert ihn vornehmlich als Reservoir poetischer Stoffe (vgl. III, 10/140-144).

Lewin, der sich zu ihm »von Anfang an in hohem Maße hingezogen gefühlt hatte«, besucht ihn am 29. Januar 1813 in seiner Wohnung in der Kreuzgasse (III, 17/221). Hansen-Grell spricht über Hölderlin, der bei aller Klassizität ein Romantiker sei (vgl. III, 17/226). Lewin vergleicht ihn im Stillen mit Faulstich: »während der eine [Faulstich] das Schöne nur feinsinnig kostete, strebte ihm der andere mit ganzer Seele nach. Was den einen verweichlichte, stählte den andern, und so war Grell ein Vorbild, während Faulstich eine Warnung war.« (III, 18/228)

Anfang Februar kommt er mit Tubal und Hirschfeldt nach Hohen-Vietz; die drei wollen nach Breslau gehen (wohin inzwischen der König mit Hofstaat und Garden geflüchtet ist), um sich einer Freiwilligenarmee anzuschließen, da man jeden Tag mit dem Aufruf des Königs zum Kampf gegen die französischen Besatzer rechnet (vgl. IV, 9/315). Berndt von Vitzewitz überredet sie, zunächst in Hohen-Vietz zu bleiben und bei der Festsetzung französischer Trupps zu helfen (vgl. IV, 9/318). Er nimmt an der »Rekognoszirungsfahrt« nach Frankfurt und auch an dem Überfall selbst teil (vgl. IV, 14/353). Dabei wird er von einem französischen Offizier getötet (IV, 19/419). Er wird an der alten Nikolaikirche in Frankfurt neben dem füsilierten Othegraven begraben (vgl. IV, 20/430).

Bei der Ballade »Hakon Borkenbart« handelt es sich um eine 1863/64 entstandene Ballade Fontanes; Hansen-Grells »General Seydlitz« hat er für den Roman geschrieben und später als dritten Teil seines Gedichtzyklus »Seydlitz« in der dritten Auflage seiner »Gedichte« (1889) veröffentlicht (vgl. Kommentar Bd. 1, S. 525 und Bd. 2, S. 532).

Haushälterin Seidentopfs

Selbstbewusste, auf respektvolle Behandlung bedachte Person, die von Seidentopfs Gästen ein »auszeichnendes Entgegenkommen« erwartet (I, 12/106).

Hektor

Hund der Vitzewitz auf Hohen-Vietz, ein »prächtiger Neufundländer« (I, 1/15), der sich Lewin besonders zugehörig fühlt (vgl. I, 1/14; I, 3/26 f.). Als Jagdhund taugt er nicht, »scheucht alles auf und bringt nichts zu Schuß«, so Lewin, das »beste Thier und der schlechteste Hund« (II, 9/229). Als der gerade erst genesene Lewin aus Bohlsdorf heimkommt, unterlässt er seine sonst so stürmische Begrüßung und leckt ihm nur die Hand (vgl. IV, 4/273). Er mogelt sich in die Kutsche, in der Lewins Befreier nach Küstrin fahren (IV, 23/455). Indem er den glücklich befreiten Lewin stürmisch begrüßt, schützt er ihn vor den Schüssen der Wachsoldaten und bricht, von einer Kugel getroffen, zusammen. Alles drängt zur raschen Flucht, aber Tubal bringt es nicht übers Herz, »das treue Thier« zurückzulassen, kehrt um und trägt den Hund zur Kutsche. Dabei wird er seinerseits von einer Kugel getroffen und stürzt nieder (IV, 23/458). Hektor erholt sich von seiner Verletzung, Tubal aber stirbt in der darauffolgenden Nacht.

Himmerlich

Mitglied der Kastalia (I, 17/149 f.), steuert zur ersten Sitzung nach Neujahr »vier sehr lange Strophen unter der gemeinschaftlichen Ueberschrift: ›Sabbath‹« bei, eine Übersetzung aus dem Englischen (III, 7/94; vgl. 100 f.). Sein Vortrag überzeugt nur Buchhändler Rabatzki (vgl. III, 7/100 f.).

Hirschfeldt, von

Preußischer Rittmeister, der in Spanien gegen die französische Besatzung gekämpft hat. Jürgaß bringt ihn und von Meerheimb zur ersten ›Kastalia‹-Sitzung nach Neujahr mit, auf der er aus seinen »Erinnerungen aus dem Kriege in Spanien« vorliest (III, 7/109-117). Sein Vortrag macht tiefen Eindruck, Graf Bninski, der in Spanien auf französischer Seite gekämpft hat, zollt ihm seinen besonderen Respekt. Zu seinen Ehren macht der mit Rheinwein gefüllte silberne »Kastaliabecher« die Runde (vgl. III, 7/118). Hirschfeldt nimmt auch an der Schlittenpartie nach Lehnin teil.

Anfang Februar kommt er mit Tubal und Hansen-Grell nach Hohen-Vietz; die drei wollen nach Breslau gehen (wohin inzwischen der König mit Hofstaat und Garden geflüchtet ist), um sich einer Freiwilligenarmee anzuschließen, da man jeden Tag mit dem Aufruf des Königs zum Kampf gegen die französischen Besatzer rechnet (vgl. IV, 9/315). Berndt von Vitzewitz überredet sie, zunächst in Hohen-Vietz zu bleiben und bei der Festsetzung französischer Trupps zu helfen (vgl. IV, 9/318). Bamme ernennt ihn sofort zu seinem »Aide-de-Camp« (IV, 9/318). Hirschfeldt nimmt an der »Rekognoszirungsfahrt« nach Frankfurt und an dem Überfall selbst teil (vgl. IV, 14/353).

Auch an Lewins Befreiung ist er beteiligt (vgl. IV, 23). Tubal ruft ihn an sein Sterbebett und lässt ihn einige Verfügungen, seine Bestattung betreffend, wissen. Einige Tage nach Tubals Tod brechen er und Lewin nach Breslau auf, um sich für den bevorstehenden Befreiungskrieg rekrutieren zu lassen (vgl. IV, 27/488). Beim Abschied von Pastor Seidentopf, der die zurückliegenden Tage »stürmische Tage« nennt, expliziert er den Titel des Romans: »Und doch Tage vor dem Sturm!« (IV, 27/493) Im Krieg verliert er einen Arm (vgl. IV, 28/496).

Hoppenmarieken

Botenfrau von Hohen-Vietz, eine Zwergin, alt und sehr hässlich, wohnt in einer Lehmkate auf dem abseits gelegenen »Forstacker«, dem »Armenviertel« von Hohen-Vietz (I, 8/72). Sie holt dreimal in der Woche Post und Zeitungen aus Frankfurt oder Küstrin und bringt sie ihren Empfängern; versieht ihre Botendienste in Wasserstiefeln, Kopftuch und rotem Friesrock, mit einer Kiepe auf dem Rücken und einem langen »krummstabartigen Stock« in der Hand (I, 8/73). Daneben betreibt sie Eierhandel in den Dörfern um Hohen-Vietz auf der Basis von Tauschgeschäften. Man sagt ihr aber auch weniger gut beleumdete Geschäfte nach, zu denen neben Kartenlegen, Besprechen, Wahrsagerei und Kuppelei auch Hehlerei gehört, wie sich nach der Ergreifung der Diebesbande herausstellt, die in und um Hohen-Vietz ihr Unwesen treibt (vgl. II, 17/320-325). Obwohl sie jeden Sonntag den Gottesdienst besucht, hält man sie für eine Hexe, sieht ihr aber dennoch vieles nach. Für Lewin ist sie eine poetische Figur, an der sich seine Phantasie entzündet (vgl. I, 8/75), umgekehrt ist er der einzige Mensch, »an dem sie wirklich hing« (II, 12/252). In ihrer Kate hält sie zahlreiche Vögel in Vogelbauern. Als sie am Ende in ihrer Stube aufgebahrt liegt, sitzt ein schwarzer Vogel auf dem Rand ihres Sarges und pickt Ebereschenbeeren und Weizenkörner auf, die die Forstackersleute ihr in die Hand gelegt haben. »Das war so Forstackerpoesie.« (IV, 26/482)

Kurz nach Weihnachten wird sie bei einem ihrer nächtlichen Gänge überfallen, ihr »Liebling« Lewin und Tubal, von ihrem Besuch bei Faulstich in Kirch-Göritz heimkehrend, kommen ihr zu Hilfe (vgl. II, 12/251 f.). Wie sich später herausstellt, handelte es sich um eine Auseinandersetzung mit den Dieben, mit denen sie unter einer Decke steckt. Ihre Kate wird durchsucht, und als Berndt von Vitzewitz sie mit dem dort gefundenen Diebesgut konfrontiert, stimmt sie ein jämmerliches Geschrei an; auf Zureden Lewins lässt Berndt sie laufen (vgl. II, 17/324 f.).

Beim Brand des Saalanbaus auf Hohen-Vietz ›bespricht‹ sie das Feuer und lässt ihren langen Stock an der Ecke zwischen Saalanbau und Wohnhaus stecken. Tatsächlich lässt das Feuer sofort nach, und das Wohnhaus bleibt unversehrt (vgl. III, 9/131). Nach Lewins Gefangennahme wirkt sie an seiner Befreiung mit: Sie wirft das Garnknäuel in sein Gefängnis, mit dem er in der Nacht die rettende Strickleine heranziehen soll (vgl. IV, 22/448). Auf der Rückfahrt von der nächtlichen Befreiungsaktion sieht Berndt sie auf einem Prellstein sitzen, aber »sie salutirte nicht – und rührte sich nicht« (IV, 23/459). Am Morgen wird sie, immer noch auf dem Prellstein sitzend, tot aufgefunden. »Ob erfroren oder vom Schlage getroffen, hatte sich durch Pachaly, der auch dokterte, nicht feststellen lassen, und auch Leist bezeigte keine Lust, den Ursachen ihres Ablebens wissenschaftlich nachzuforschen.« (IV, 24/462)

Generalmajor von Bamme stattet der in ihrer Kate Aufgebahrten neugierig einen Besuch ab und nennt sie, die man mit ihrem Stab in den Sarg gelegt hat, »Zwergen-Bischof« (IV, 26/481). Pastor Seidentopf gibt ihr einen Platz auf dem Kirchhof und ein christliches Begräbnis, an dem neben Bamme auch Berndt und Lewin teilnehmen. Zwei Frauen vom Forstacker amüsieren sich über Seidentopfs Gebet am Grab: Alle wolle er (in den Himmel) hineinbeten. »Joa. Awers Hoppenmarieken beet’t he nich rinn.« (IV, 26/483) Kandidat Uhlenhorst bezeichnet Bamme und Hoppenmarieken als Geschwister: Sie hätten denselben Vater (den Teufel) und seien an demselben Ort (in der Hölle) geboren (IV, 26/484).

Hulen, Wilhelmine

Zimmerwirtin von Lewin in der Klosterstraße in Berlin (I, 1/8). Anfang Januar gibt sie in ihrer Wohnung eine Abendgesellschaft, zu der Feldwebel Klemm, Mamsell Laacke, Schimmelpenning, das Ehepaar Ziebold, Nachbarin Zunz, Deckenflechter Grüneberg und Ulrike Grüneberg geladen sind. Der trostlose Abend ist von verhohlener wechselseitiger Gleichgültigkeit oder Verachtung geprägt. »Befriedigt war nur Frau Hulen selbst.« (III, 4/68) Nach Lewins Zusammenbruch schreibt sie ihm einen rührenden Brief nach Hohen-Vietz (vgl. IV, 7/295-297).

Jeetze

Alter Hausdiener auf Hohen-Vietz. Er empfängt den zum Weihnachtsfest heimkehrenden Lewin in einem Frackrock, »an dem nur die großen blanken Knöpfe verriethen, daß es eine Livrée sein sollte« (I, 1/14), und in Gamaschen, »ohne die er nicht wohl zu denken war« (I, 3/26). Nach Tante Amelies Tod trägt er schwarze Gamaschen. Generalmajor von Bammes Zweideutigkeiten gefallen ihm, er begleitet sie beim Servieren mit »leisem Gekicher« (IV, 10/323).

Jürgaß, Dagobert von

Rittmeister im »Göcking’schen (ehemals Zieten’schen) Husarenregiment« (III, 10/134), Mitglied der Kastalia (vgl. I, 17/148). Er führt Hansen-Grell bei der ›Kastalia‹ ein (vgl. I, 17/148) und bringt Hirschfeldt und von Meerheimb zu der ersten Sitzung nach Neujahr mit (vgl. III, 7/96). Er bewohnt eine repräsentative, reich ausgestattete Beletage am Gendarmenmarkt, die er sich als ein »auf Halbsold gestellte[r] Husarenoffizier« nur dank eines beträchtlichen Vermögens leisten kann, das ihm seine Tante, ein Fräulein von Zieten, hinterlassen hat (III, 10/134).

Er ist Gast der Ladalinskis bei der Soirée Anfang Januar und auch bei der Gesellschaft am 21. Januar. Bei letzterer erzählt er die Geschichte von den drei Ringen der Puttkammers (vgl. III, 14/184 f.). Er macht den »Reisemarschall« bei der Schlittenpartie nach Lehnin (III, 14/190). Zuvor bittet er Bninski, auf eine Teilnahme zu verzichten, wohl weil seine patriotische Inszenierung beim Imbiss (vgl. III, 15/205) Verlegenheiten schaffen könnte (vgl. III, 15/192 f.). Anfang Februar geht er nach Breslau (wohin inzwischen der König mit Hofstaat und Garden geflüchtet ist), um sich einer Freiwilligenarmee anzuschließen, da man jeden Tag mit dem Aufruf des Königs zum Kampf gegen die französischen Besatzer rechnet (vgl. IV, 8/297).

Kallies (Sahnepott)

Anderhalbbauer in Hohen-Vietz, ein »schmalschultriger, langaufgeschossener Mann«, wird von den anderen Bauern, mit denen er sich regelmäßig in Scharwenkas Krug trifft, gern gehänselt. Sein Spitznahme ist »Sahnepott«, weil er als kleines Kind einmal in eine Rahmbutte gefallen ist (I, 7/66).

Karges

Knecht des Pfarrers Zabel von Dolgelin. Krist hat ein kurzes Gespräch mit ihm, während der von seinem Bohlsdorfer Krankenlager nach Hause zurückkehrende Lewin im Dolgeliner Krug einen Imbiss nimmt. Karges soll seinen Herrn nach Schloss Guse zur Speisung der Schulkinder fahren, bei der Zabel zwar eigentlich nichts zu suchen habe, aber er müsse ja überall dabei sein (vgl. IV, 4/270 f.).

Kemnitz, Drews

Krüger von Bohlsdorf, bei dem Lewin auf seiner Heimfahrt am Weihnachtsabend 1812 eine Pause einlegt und der ihn nach seinem Zusammenbruch im Januar aufnimmt. Seine Frau führt bei Renate und Tante Schorlemmer ausgiebig Klage über seine Schläfrigkeit und mangelnde Geschäftstüchtigkeit (vgl. IV, 2/256 f.).

Kemnitz, Frau

Frau des Krügers in Bohlsdorf. Als Lewin am Weihnachtsabend 1812 den Krug betritt, steht sie, ein Kind auf dem Arm, vor dem Christbaum; Lewin ist von ihrer Erscheinung ergriffen (vgl. I, 1/11 f.). Als er Ende Januar bewusstlos in ihren Krug gebracht wird, kümmert sie sich um ihn und richtet für Renate und Tante Schorlemmer, die den Kranken umsorgen, eine Giebelstube her (vgl. IV, 1/239 f.). Als Schulmeistertochter empfindet sie ihre Heirat mit dem Krüger als sozialen Abstieg. Gegen Renate und Tante Schorlemmer beklagt sie sich über ihren Mann, der dauernd schläfrig sei, das Ankreiden vergesse und der Konkurrenz des neu eröffneten ›rothen Kruges‹ am Ortsrand nichts entgegenzusetzen habe (vgl. IV, 2/256 f.).

Klemm

Alter Feldwebel, der sich im Wieseckeschen Saal auf dem Windmühlenberg vom Nachbartisch aus in das Gespräch der Herren Stappenbeck, Rabe, Niedlich und Schnökel über die politische Lage einmischt und ihnen umständlich erklärt, dass und warum Napoleon die Russen letztlich doch noch besiegen werde (vgl. III, 2/24-27). Einen sich anbahnenden Streit zwischen ihm und Stappenbeck verhindert Rabe, indem er die Tischgesellschaft aufhebt. Auf dem Heimweg weiß Stappenbeck wenig Schmeichelhaftes über ihn zu berichten (vgl. III, 2/28-30).

Zu Frau Hulens Abendgesellschaft erscheint er in »demselben Aufzuge, Stulpenstiefel und hochzugeknöpfte schwefelgelbe Weste, in dem er sich überall präsentirte« (III, 4/54). Auch hier setzt er den Anwesenden auseinander, warum Napoleon zuletzt obsiegen werde (vgl. III, 4/62 f.). Anstelle Stappenbecks ist es hier Schimmelpenning, der ihm Kontra bietet, und anstelle Rabes ist es Frau Hulens Sülze, die den aufkommenden Streit verhindert.

Kniehase

Schulze von Hohen-Vietz, Ziehvater von Marie Kniehase, ein »breitschultriger Mann« in den Fünfzigern mit spärlichem Haar und einem Gesicht, das »Kraft, Festigkeit und Wohlwollen« ausdrückt (I, 9/82). Er ist pfälzischer Abstammung, seine Familie war um 1750 ins Oderbruch übergesiedelt, in das Dorf Neu-Barnim, wo Kniehase 1763 geboren wurde. Als Zwanzigjähriger trat er ins Regiment Möllendorf ein, das er 1795 als Unteroffizier verließ. Zwei Jahre zuvor hatte er während eines Kampfes bei Kaiserslautern seinen verletzten Gefreiten Peter Kümmeritz aus dem Kartätschenfeuer gerettet. Im Sommer 1796 heiratete er dessen Schwester Trude und erwarb eine Hofstelle in Hohen-Vietz. Die Ehe blieb kinderlos. Im Jahr 1800 wurde er zum Dorfschulzen gewählt. Vier Jahre später nahmen er und seine Frau die zehnjährige Tochter eines fahrenden Künstlers, Marie, an Kindes statt an (I, 9/89). »Kniehase hatte keinen Feind«, genießt vielmehr im Dorf wie im Herrenhaus einen ausgezeichneten Ruf als »tüchtiger« und »frommer Mann« (I, 9/86).

Berndt von Vitzewitz muss seine ganze Beredsamkeit aufbieten und von Othegraven Unterstützung erbitten, um Kniehase dazu zu bewegen, seine Königstreue aufzugeben und Berndts Plänen für einen auf eigene Hand geführten »Volkskrieg« gegen Napoleons Truppen zuzustimmen (vgl. II, 13/256-264). Bei dem Überfall auf die französischen Regimenter in Frankfurt wird er leicht verletzt. Er organisiert alles Notwendige für Lewins Befreiung (vgl. IV, 20/433) und nimmt an der nächtlichen Befreiungsaktion teil.

Kniehase, Marie

Ziehtochter der Kniehases. Sie kam 1804, etwa zehnjährig, mit ihrem Vater, einem Schauspieler und fahrenden Künstler, ins Dorf und führte in einem mit Sternen aus Goldpapier besetzten Kleidchen den »Shawltanz« auf, der die Hohen-Vietzer Bauern ganz »benommen« machte (I, 9/87). Ihre Mutter, eine »Tochter aus gutem Hause« (I, 9/88), war früh gestorben, ihr Vater brach nach der Vorstellung in Scharwenkas Krug zusammen und starb innerhalb weniger Tage. Er wurde auf dem Hohen-Vietzer Kirchhof begraben, und Kniehases adoptierten das Kind. Pastor Seidentopf prophezeite, sie werde den Kniehases »Segen bringen, wie die Schwalben am Sims« (I, 9/89). Binnen kurzem war sie der »Liebling des Dorfes«, das »Fremde und Geheimnißvolle«, das sie umgab, regte die Phantasie der Hohen-Vietzer an, ihr Ziehvater nannte sie ein »Feenkind« (I, 10/90). Frau von Vitzewitz ließ sie zusammen mit ihrer Tochter Renate unterrichten, so wurde sie »Spiel- und Schulgenossin Renatens«, und die beiden Mädchen »liebten sich wie Schwestern« (I, 10/93 f.).

Marie hat eine bewegliche Phantasie, alles, wovon sie hört, nimmt sofort »lebendige Gestalt« an (I, 9/83). Von Standesunterschieden weiß sie nichts, sie erscheinen ihr wie »bloße Rollen«, und der Gedanke der »Gleichheit aller irdischen Dinge« lebt »dunkel« in ihr (I, 10/96). Sie liebt alles Schöne, ohne es besitzen zu wollen, ist mutig, aber auch demütig, wie Frau von Vitzewitz bemerkt hatte, vor allem aber ist sie »wahr«, wie der Erzähler, sichtlich bewegt, hinzusetzt: »innerhalb einer Welt des Scheins« sei hier »ein Menschenherz erblüht, über das die Lüge nie Macht gewonnen« habe, noch weniger das »Unlautere«, das sie gar nicht wahrnehme. Ihre Phantasie und Leidenschaft schützten sie: »Weil sie stark fühlte, fühlte sie rein.« (I, 10/97)

Ähnlich äußert sich Othegraven über sie, der sie unerwidert liebt (vgl. I, 16/141) und dessen Antrag sie mit einfachen, klaren Worten ablehnt (vgl. II, 18/332). Ihr Herz gehört Lewin, der seinerseits, wie sie wohl weiß und geduldig hinnimmt, nur Augen für Kathinka von Ladalinski hat, so sehr, dass er selbst die Verse, die er tief beeindruckt auf einer Grabplatte in der Bohlsdorfer Kirche liest und die ganz zu Marie gehören, lange Zeit auf Kathinka bezieht: »Sie schwingt die Siegesfahne / Auf güldnem Himmelsplane / Und kann auf Sternen gehn.« (I, 1/13)

Auch die alte Weissagung, die sich aus den Tagen des alten Matthias von Vitzewitz erhalten hat und vom Ende des Fluchs spricht, den sein Brudermord über das Geschlecht der Vitzewitz gebracht hat, wird schon bald auf Marie bezogen: »Und eine Prinzessin kommt ins Haus, / Da löscht ein Feuer den Blutfleck aus« (I, 2/25). Beim Brand des Saalanbaus »leuchteten ihre großen dunklen Augen selber wie Feuer« (III, 9/130), und am nächsten Morgen zitiert Berndt von Vitzewitz den alten Spruch (III, 9/132).

Als Berndt von dem misslungenen Sturm auf die französischen Regimenter in Frankfurt ohne Lewin zurückkehrt, fällt sie in Ohnmacht (vgl. IV, 20/424). Nach Lewins Befreiung wird »das in Jubel und Tränen ausbrechende Wiedersehen zwischen Lewin und Marie auch zugleich ihr Verlöbnis«, ein Verlöbnis, »wie Menschenaugen kein schöneres gesehen. Denn es war nur gekommen, was kommen sollte; das Natürliche, das von Uranfang an Bestimmte hatte sich vollzogen« (IV, 24/459 f.).

Alles weitere erfährt man am Ende aus Renates Tagebuch: Nach Lewins Rückkehr aus dem Krieg werden beide in der Bohlsdorfer Kirche getraut; Pastor Seidentopfs Hochzeitspredigt dreht sich ganz um den Vers »Und kann auf Sternen gehen« (IV, 28/495 f.). Sie leben zunächst auf Schloss Guse, nach Berndts Tod auf Hohen-Vietz (vgl. IV, 28/497). Bei Pastor Seidentopfs Tod haben sie schon mehr als drei Kinder (vgl. IV, 28/496). Generalmajor von Bamme vererbt Marie sein gesamtes Vermögen (vgl. IV, 28/497).

Marie wird das Privileg zuteil, ästhetische Anschauungen ihres Autors zu formulieren (vgl. I, 15/132 f.).

Kniehase, Trude

Schulze Kniehases Frau, Schwester von Peter Kümmeritz, vierzig Jahre und »noch hübsch«, schwarzes glänzendes Haar, dunkler Teint (I, 9/82). Sie zieht Marie liebevoll auf. Bei Othegravens Heiratsantrag bleibt sie auf Maries Bitte hin im Zimmer (vgl. II, 18/330).

Krach, von

Mitglied des engeren Gesellschaftskreises der Gräfin Amelie (vgl. II, 3/172), bedeutender Jurist, Gerichtspräsident, ein »Mann von Gaben und Charakter«, der sich vor vielen Jahren, gegen Friedrich II. opponierend, auf sein Gut Bingenwalde zurückgezogen hatte. Er ist »hager, groß, scharf, wenig leidlich« und geizig, seine alljährlichen Diners sind ein »Schreckniß der gesammten Oderbruch-Aristokratie« (II, 3/178 f.). Bei Gesellschaften gehört er zu »denen, die nüchtern bleiben und sich begnügen, erst zänkisch, dann cynisch und schließlich apathisch zu werden« (II, 6/205).

Kratzer

Hund des Bürstenbinders Stappenbeck, ein hässlicher Spitz, »ebenso storr und widerhaarig wie sein Herr« (III, 2/27). Bei seinen Schimpfreden auf Feldwebel Klemm pfeift Stappenbeck das Tier heran und präsentiert seine Folgsamkeit und Treue als Exempel dafür, dass Klemm tue, was »kein Hund nich« tue (III, 2/30).

Kriele

Müller in Manschnow, bei dem in den Weihnachtstagen eingebrochen wird. Die Diebe erbeuten sein unter Dielen verstecktes Erspartes und stehlen sein Pferd (vgl. II, 8/221). Lewin und Tubal treffen ihn auf dem Rückweg von ihrem Besuch bei Dr. Faulstich in Kirch-Göritz (vgl. II, 12/248). Das gestohlene Pferd bekommt er immerhin zurück (vgl. II, 15/293).

Krist

Kutscher von Hohen-Vietz. Er fährt Lewin am Weihnachtsabend 1812 mit dem Ponygespann von Berlin nach Hohen-Vietz (I, 1/7-15), bringt ihn nach seinem Krankenlager im Bohlsdorfer Krug nach Hause und ist auch bei seiner Befreiung aus der Festungshaft dabei.

Sein kleiner Sohn Wilhelm (Willem) ist Patenkind von Lewin. Er hat kurz vor dem Weihnachtsfest einen Ohnmachtsanfall, weil er, wie Krist vermutet, »oll‘ Matthias« gesehen hat, das Schlossgespenst von Hohen-Vietz, den Geist des Urahns Matthias von Vitzewitz (I, 1/9 f.).

Krull

Ganzbauer in Hohen-Vietz, trifft sich sonntags mit den anderen Bauern in Scharwenkas Krug. Er beteiligt sich an der Suche nach den Dieben, die um Weihnachten mehrere Einbrüche in der Umgebung verüben. Er und Reetzke bringen die Diebe nach Frankfurt (vgl. II, 15/292). Bei Lewins Befreiung stellt er mit Kümmeritz und Reetzke das »Seitenkommando«, das die Fliehenden bei Bedarf decken soll (IV, 23/454, 458).

Kubalke, Eva

Kammerzofe der Gräfin Amelie, Tochter des Hohen-Vietzer Küsters Jeserich Kubalke und Schwester von Maline Kubalke, »ein hübsches, blutjunges Ding von entschieden wendischem Typus« (II, 8/218). Sie unterhält ihre Herrin mit Neuigkeiten und Klatschgeschichten aus den umliegenden Dörfern. Nach dem Tod der Gräfin kehrt sie in ihr Elternhaus zurück.

Kubalke, Jeserich

Küster von Hohen-Vietz, über achtzig Jahre alt (vgl. IV, 14/363; IV, 25/473). In zweiter Ehe verheiratet, hat er zwei junge Töchter, Maline und Eva. Als Maries Vater starb und auf dem Hohen-Vietzer Kirchhof begraben wurde, dichtete er einen Vers für sein Grabkreuz: »Ein Stärk’rer zwang den starken Mann, / Nimm ihn Gott in Gnaden an.« (I, 9/89) Er schließt Marie und Tubal versehentlich in der Kirche ein (vgl. IV, 359). Nach Tubals Tod führt er Geheimrat Ladalinski zu später Abendstunde zu seinem in der Hohen-Vietzer Kirche aufgebahrten Sohn. Sein »kindlicher Glaube« bewegt Ladalinski (IV, 25/476). Ohne die Parallele zu Ladalinskis Schicksal zu ahnen, erzählt Kubalke ihm von seiner ersten Frau, die ihm mit einem jungen Kandidaten der Theologie davonlief, und von der Tochter aus dieser Ehe, mit der »alles ebenso« war wie mit der Mutter, sie lief mit 17 Jahren fort (vgl. IV, 25/477).

Kubalke, Maline

Kammerjungfer von Renate von Vitzewitz, Tochter des Hohen-Vietzer Küsters Jeserich Kubalke und Schwester von Eva Kubalke. Sie ist mit dem jungen Scharwenka, Wenzlaff, so gut wie verlobt, gibt ihm aber den Laufpass, weil er ihr, wie sie behauptet, vorgeworfen hat, arm zu sein. Er aber hat nur ihrem Hochmut einen Dämpfer verpassen wollen, denn, so Wenzlaff zu Lewin, sie ist »eitel und hochmüthig« (II, 15/284). Mit Renates Hilfe sieht sie ihren Fehler ein und versöhnt sich mit Wenzlaff (vgl II, 16/297 f.).

Kümmeritz, Peter

Ganzbauer in Hohen-Vietz, fünfzig Jahre alt, von soldatischem Habitus, den er aus seiner Zeit als Grenadier und Gefreiter im Regiment Möllendorf beibehalten hat. Während eines Kampfes bei Kaiserslautern wurde er verletzt und in letzter Minute von seinem Unteroffizier Kniehase aus dem feindlichen Kartätschenfeuer gerettet (vgl. I, 9/84 f.). Kniehase heiratete später seine Schwester Trude. Im Kreis der Bauern, die sich regelmässig in Scharwenkas Krug treffen, vertritt er neben Kniehase »die Traditionen der preußischen Armee« (I, 7/65). Er wünscht sich einen »ehrlichen Krieg« gegen Frankreich (I, 7/69). Bei Lewins Befreiung stellt er mit Krull und Reetzke das »Seitenkommando«, das die Fliehenden bei Bedarf decken soll (IV, 23/454, 458).

Laacke, Mamsell

Musik- und Gesangslehrerin in Berlin, Freundin von Frau Hulen und Gast auf deren Abendgesellschaft Anfang Januar, ein »Mädchen von vierzig, groß, hager, mit langem Hals und dünnem rothblonden Haar« und eigentümlich starr blickenden wasserblauen Augen. Die »drei Grazien«, die sie durchs Leben begleiten, sind »Armuth, Demuth und Hochmuth« (III, 4/48). An dem Abend bei Frau Hulen trägt sie zusammen mit Ziebold ein sentimentales Duett vor (vgl. III, 4/65 f.). Bei der anschließenden Polonaise lässt sie absichtlich einige Takte aus, weil sie sich ausgenutzt fühlt (vgl. III, 4/66). Das Fräulein von Bischofswerder erinnert Lewin an Mamsell Laacke (vgl III, 5/73 f.).

Ladalinski, Alexander von

Polnischer Adeliger, Vater von Kathinka und Pertubal, Geheimrat in preußischen Diensten, »ein Sechziger, groß und schlank«, mit vollem kurzgeschnittenem grauem Haar und Adlernase, dessen Erscheinung »etwas entschieden Distinguirtes« hat (III, 3/32). Geboren auf Bjalanowo, dessen Güter teilweise im angrenzenden Schlesien liegen, hatte er eine ausgezeichnete Erziehung genossen, in Wien und Paris gelebt und in Berlin die preußische Komtesse Sidonie von Pudagla, Schwägerin von Gräfin Amelie, kennengelernt und geheiratet. Das Paar lebte auf Schloss Bjalanowo, Tubal und Kathinka wurden geboren, dann, 1792, lief ihm seine Frau mit einem benachbarten Gutsherrn, Graf Miekusch, davon. Nach der Auflösung Polens beschloss Ladalinski, »sich zu expatriiren« und seinen polnischen Besitzungen den Rücken zu kehren (III, 3/39). Er lebte zunächst auf seinen schlesischen Gütern und trat dann in preußische Dienste, zuerst im Auswärtigen Amt, später im General-Oberfinanzdirektorium.

Fest entschlossen, nie wieder in die Heimat zurückzukehren, ist ihm die ›Borussifizierung‹ seiner Familie zum Lebensinhalt geworden, die er durch seinen Übertritt zum Protestantismus befördert. Er ist »preußischer als die Preußen selbst« (III, 3/39). Dass er ein Windspiel, Lieblingshunderasse Friedrichs II., als Haushund hält, ist wohl kein Zufall.

Die von seiner Schwägerin Amelie gewünschte Doppelhochzeit seiner Kinder mit den beiden jungen Vitzewitz auf Hohen-Vietz entspricht ganz seinen eigenen Wünschen, könnte sie doch die Verwurzelung seiner Familie in Preußen befördern. Beunruhigt durch einen Brief Amelies, die das Interesse Tubals und insbesondere Kathinkas an dieser Verbindung bezweifelt, stellt er Kathinka am Tag nach der Soirée in seinem Haus zur Rede und erhält eine unzweideutige Antwort: Sie habe Lewin lieb, aber sie liebe ihn nicht (vgl. III, 8/121). Er respektiert ihre Gefühle, lässt aber keinen Zweifel daran, dass er eine Verbindung mit ihrem Verehrer Bninski entschieden ablehnt, auch wenn er den Grafen persönlich schätzt. »Die Ladalinskis sind aus Polen heraus, und sie können nicht wieder hinein.« (III, 8/123) Er fürchtet zudem, das Vertrauen des preußischen Hofes zu verlieren und gar als halber Spion dazustehen, wenn er einer Verbindung seiner Tochter mit einem preußenfeindlich gesinnten Polen zustimmt (vgl. III, 8/124). Bninskis Antrag lehnt er freundlich, aber entschlossen ab (vgl. III, 16/212). Kathinkas Flucht erschüttert ihn zutiefst. An Lewins Bett zeigt er sich überzeugt, dass Lewin genesen werde, er selbst aber nicht (vgl. IV, 2/250). Den noch unzerstörten Rest seiner Hoffnungen, die Verbindung Tubals mit Renate von Vitzewitz, erlegt er Renate auf: »Nein, Renate, es liegt bei Dir. Ein Herz zwingt das andere.« (IV, 2/252).

Nach Tubals Tod kommt er nach Hohen-Vietz, um seinen Sohn zu sehen und ihn nach Bjalanowo zu überführen. »Alle Ladalinskis stehen dort. Das Leben hat seine Forderungen, aber auch der Tod.« (IV, 25/471) Hirschfeldt möchte ihm Tubals Wunsch, in Hohen-Vietz beerdigt zu werden, mitteilen, aber Berndt von Vitzewitz hindert ihn daran. Es ist schon dunkel, als Ladalinski, nur begleitet von dem alten Kubalke, dessen einfache Frömmigkeit ihn bewegt, zur Hohen-Vietzer Kirche hinaufgeht, vor deren Altar Tubal aufgebahrt liegt. Das überwunden geglaubte »alte katholische Gefühl« wird in ihm wieder lebendig, er legt den Kruzifix vom Altar auf den Sargdeckel (vgl. IV, 25/475 f.). Am nächsten Morgen reist er, dem von Pachaly gefahrenen Schlitten mit Tubals Sarg folgend, nach Bjalanowo ab, einer Gruft zu, »die nicht mehr die seine war und an deren Thür er um Gastlichkeit bitten mußte für seinen Todten. Das war mehr als er tragen konnte. Scharf und leise klang das Glöckchen, und scharf und leise fielen seine Tränen.« (IV, 26/480)

Ladalinski, Kathinka von

Tochter von Alexander und Schwester von Tubal von Ladalinski, Nichte der Gräfin Amelie, die sie mit ihrem ›Vetter‹ Lewin von Vitzewitz verbunden sehen möchte. Lewin liebt sie, hat sich ihr aber noch nicht erklärt, sie nimmt seine »Huldigungen hin, im übrigen spielt sie mit ihm« (III, 3/42). Sie ist eine Schönheit mit kastanienbraunem Haar und hellblauen Augen, die »wie Feuer« leuchten. Lewins Gefühle für sie sind dem Erzähler angesichts ihrer Erscheinung »nur zu begreiflich« (II, 9/228). Anders als ihr Vater, der seine polnische Herkunft vergessen machen möchte, versteht Kathinka sich als Polin (vgl. II, 14/270 f.).

Am Silvesterabend auf Schloss Guse spricht sie, für die erkrankte Renate einspringend, den von Faulstich verfassten Prolog zur Theatervorstellung und erntet lebhaften Beifall. Nur Lewin bedrückt ihre Sicherheit: »›Sie kann alles, was sie will,‹ sagte er zu sich selbst; ›wird sie immer wollen, was sie soll?‹« (II, 19/348). Ähnliche Wirkungen auf Lewins Gemüt hat die Mazurka, die sie auf der Soirée ihres Vaters Anfang Januar mit Graf Bninski tanzt: »Alles was er sah, war Kraft, Grazie, Leidenschaft; was bedeutete daneben sein gutes Herz?« (III, 5/79)

Als ihr Vater sie am Tag darauf zur Rede stellt, bekennt sie offen, dass sie Lewin lieb habe, aber nicht liebe. Der Frage, ob sie Bninski liebe, weicht sie aus. Auf die Erklärung ihres Vaters, dass er auf einer »Nichtheirath mit Bninski« bestehe (III, 8/123), reagiert sie mit dem Versprechen, nichts unternehmen zu wollen, was seine Stellung am preußischen Hof und seine Zugehörigkeit zu Preußen gefährden könnte (vgl. III, 8/125).

In den darauffolgenden Tagen, besonders bei dem Ausflug nach Lehnin, fordert sie Lewin zu einer couragierteren Werbung heraus (vgl. III, 13/172; 15/208), aber Lewin bleibt scheu und zurückhaltend, und sie nennt ihn ein »Kind« (III, 15/209). Ob es sich um halbwegs ernstgemeinte – vielleicht dem Vater zuliebe unternommene – Bemühungen handelt, es doch noch einmal mit Lewin zu versuchen, oder nur um eines ihrer koketten Spiele, bleibt undeutlich. Dass Bninski schon am Tag nach dem Lehniner Ausflug bei ihrem Vater – erfolglos – um ihre Hand anhält (vgl. III, 16/211 f.) und beide danach die gemeinsame Flucht planen, spricht eher für Letzteres, auch wenn Kathinkas Bereitschaft zur Flucht nicht nur mit ihren Gefühlen für Bninski, sondern auch mit ihrer »Lust am Wagniß« zu tun haben mag (III, 16/215). Sie ist sich völlig bewusst, dass sie niemanden »mehr gequält« und niemandem »tiefer verschuldet« ist als Lewin (ebd.). Die Flucht ist der einzige Weg, das dem Vater gegebene Versprechen zu halten, denn, so Bninski, »sie wirft alle Schuld auf uns« (III, 16/214).

Am 4. Februar schreibt sie ihrem Bruder eine kurze Nachricht und bezeichnet sich als »glücklich, ganz glücklich. Freilich ein Rest bleibt.« (IV, 10/329) Renates Tagebuch erwähnt einen Jahre später geschriebenen Brief Kathinkas aus Paris: »Teilnehmend, aber sehr vornehm. Wir sind ihr kleine Leute geworden. Sie kennt nur noch zweierlei: Polen und ›die Kirche‹.« (IV, 28/497)

Ladalinski, Pertubal von (Tubal)

Sohn von Alexander und Bruder von Kathinka von Ladalinski, Neffe der Gräfin Amelie, Kommilitone und ›Herzensfreund‹ seines ›Vetters‹ Lewin von Vitzewitz. Am dritten Weihnachtstag trifft ein Brief von ihm auf Hohen-Vietz ein, in dem er von Bninskis Weihnachtsbesuch und von Hansen-Grells Auftritt in der ›Kastalia‹ berichtet (vgl. I, 17/146-153). Gleich nach dem Weihnachtsfest kommt er mit Kathinka für einige Tage nach Hohen-Vietz. Die beiden Freunde besuchen Dr. Faulstich, dessen Lesungen aus Novalis' »Hymnen an die Nacht« und »Geistlichen Liedern« Tubal tief beeindrucken (vgl. II, 11/245; II, 12/247).

Er beteiligt sich an der Suche nach den Dieben, die um Weihnachten mehrere Einbrüche in der Umgebung verübt haben. Unterwegs schüttet er Berndt von Vitzewitz sein Herz aus »über das unruhige und widerspruchsvolle Leben, das er von Jugend auf geführt habe« und das der Entscheidung seines Vaters geschuldet sei, der polnischen Heimat den Rücken zu kehren (II, 15/282). Tubals Reden lassen bei Berndt Zweifel an der von seiner Schwester Amelie und Geheimrat Ladalinski erwünschten Verbindung Tubals mit seiner Tochter Renate aufkommen. Tubals Gefühle für Renate sind denn auch eher oberflächlich (vgl. III, 3/42). Renate, die früh spürt, dass sie mit ihm nicht glücklich werden kann, sagt nach Kathinkas Flucht zu Lewin: »Es ist ein dunkles Haus, und was sie selbst nicht haben, das können sie niemand geben: Licht und Glück. Es war immer ihr Schicksal, Liebe zu wecken, aber nicht Vertrauen.« (IV, 7/298 f.) Marie Kniehase erfasst Tubals Charakter intuitiv: »Er liebt dich und ist doch seiner eigenen Liebe nicht sicher. Voller Mißtrauen gegen sich selbst, begegnet er dir mit Scheu. Vielleicht, daß er es dir offen bekennen wird, um wenigstens vor sich selbst einen Halt und etwas, das einer Rechtfertigung ähnlich sieht, gewonnen zu haben.« (IV, 9/321)

Nach Kathinkas Flucht fühlt er sich mitschuldig und meidet eine Begegnung mit Renate und Lewin (vgl. IV, 2/252). Dennoch taucht er Anfang Februar, begleitet von Hirschfeldt und Hansen-Grell, unvermutet in Hohen-Vietz auf; die drei wollen nach Breslau gehen (wohin inzwischen der König mit Hofstaat und Garden geflüchtet ist), um sich einer Freiwilligenarmee anzuschließen, da man jeden Tag mit dem Aufruf des Königs zum Kampf gegen die französischen Besatzer rechnet (vgl. IV, 9/315). Berndt von Vitzewitz überredet sie, zunächst in Hohen-Vietz zu bleiben und ihnen bei der Festsetzung französischer Trupps zu helfen (vgl. IV, 9/318).

Tubal sucht das Gespräch mit Renate und bittet sie um ein bindendes Wort. Dabei spricht er das »Selbstbekenntnis«, das Marie am Abend vorher vorausgesagt hat (IV, 10/329 f.; vgl. IV, 9/321). Renate bittet ihn, sich noch nicht zu binden, sondern abzuwarten: »Und hast du dann das eigene Herz geprüft und das meine vertrauen gelehrt, dann, ja dann!« (IV, 10/330) Tags darauf fragt Tubal sich, ob er glücklich ist, und weiß es nicht, muss sich auch eingestehen, »kein deutliches Bild« von Renate zu haben (IV, 13/351). Beim Gottesdienst am Sonntag darauf wirft er ein Auge auf Marie, und als Kubalke beide versehentlich in der Kirche einschließt, bestürmt er sie zu ihrem Schrecken mit plötzlich aufflammender Leidenschaft (IV, 14/360-363).

Er nimmt an dem Überfall auf Frankfurt teil, den er unverletzt übersteht. Bei der Befreiung Lewins bringt er es nicht über sich, den verletzten Hektor zurückzulassen, kehrt um und trägt den Hund zur Kutsche. Dabei wird er von einer Kugel getroffen und bricht schwer verletzt zusammen (IV, 23/458). Er stirbt in der darauffolgenden Nacht auf Hohen-Vietz. Zuvor bittet er Hirschfeldt, dafür zu sorgen, dass er in die Hohen-Vietzer Kirche gebracht wird, er wolle dort »vor dem Altar stehen« und in Hohen-Vietz begraben werden (IV, 24/463 f.). Zuletzt bittet er Renate zu sich: »es war nichts Rechtes mit mir, und ich hätte dich nicht glücklich gemacht« (IV, 24/465). Sie zitiert auf seine Bitte aus dem Kirchenlied »O Haupt voll Blut und Wunden« die Strophe »Wenn ich einmal soll scheiden« (IV, 24/466). Das weckt seine Erinnerung an lateinische Zeilen, die er als Kind gelernt hatte. Er spricht die Anfangszeilen und setzt hinzu: »›Kathinka hatte recht ... aber nun ist es zu spät ... Salve caput cruentatum...‹ Es waren seine letzten Worte.« (IV, 24/467) Berndt lässt ihn in die Hohen-Vietzer Kirche bringen und seinen Sarg, wie er es gewünscht hatte, vor den Altar stellen (vgl. IV, 25/469 f.). Sein Vater überführt seinen Leichnam nach Bjalanowo (vgl. IV, 25/471).

Tubals letzte Worte (»Salve caput cruentatum«) sind die Anfangszeilen eines vorreformatorischen Passionshymnus, den der evangelische Kirchenlieddichter Paul Gerhardt mit dem Passionslied »O Haupt voll Blut und Wunden«, aus dem Renate die 9. Strophe zitiert, ins Deutsche übertragen hat. Es geht also, vereinfacht gesagt, bei beiden Zitaten um denselben Text, im einen Fall um die in der katholischen Kirche gepflegte lateinische, im anderen Fall um die evangelische Version. Tubals Aussage, dass Kathinka ›recht hatte‹, es aber für ihn »zu spät« sei, dürfte sich auf Kathinkas Rückkehr in die katholische Kirche beziehen. Insofern ist die Entscheidung seines Vaters, ihn in Bjalanowo zu beerdigen, am Ende doch in Tubals Sinn.

Lämmerhirt

Pastor in Bohlsdorf, der seinem Amtsbruder Seidentopf für die Trauung Lewins und Maries seine Kirche überlässt und bei dieser Gelegenheit Freundschaft mit ihm schließt. »Lämmerhirt sammelt auch Totentöpfe und ist germanisch. Also gegen Turgany.« (IV, 28/496)

Leist, Dr.

Alter Familienarzt der Vitzewitz aus Lebus. Er behandelt Renates Fieber (vgl. II, 16/296 f.) und den im Bohlsdorfer Krug liegenden Lewin (vgl. IV, 1/242-246). Für den tödlich verletzten Tubal kann er außer guten Worten und der Verabreichung eines Opiats nichts mehr tun (vgl. IV, 24/460-462).

Matuschka, Graf

Schlesischer Graf; tanzt auf der Soirée im Hause Ladalinski mit seiner Frau die Mazurka (vgl. III, 5/78). Das Paar nimmt auch an der Schlittenpartie nach Lehnin teil.

Matuschka, Wanda Gräfin

Schöne junge Frau Graf Matuschkas; tanzt mit ihm auf der Soirée im Hause Ladalinski die Mazurka (vgl. III, 5/78). Auf der Schlittenpartie nach Lehnin freundet Lewin sich mit ihr an und macht damit Kathinka eifersüchtig (vgl. III, 15/202).

Medewitz, von

Mitglied des engeren Gesellschaftskreises der Gräfin Amelie (vgl. II, 3/172), Domherr auf Alt-Medewitz, »ein langweiliger, pedantischer Herr«, der sich mit allerlei Erfindungen beschäftigt und Tabatieren und Spieldosen sammelt (vgl. II, 3/184 f.).

Meerheimb, von

Preußischer Offizier, der von einer Kriegsverletzung im Russlandfeldzug den Arm noch in der Schlinge trägt. Rittmeister Jürgaß bringt ihn und Hirschfeldt zur ersten ›Kastalia‹-Sitzung nach Neujahr mit (vgl. III, 7/96 f.). Seine Lesung aus seinem Kriegstagebuch muss aus Zeitgründen verschoben werden (vgl. III, 7/119). Sie wird bei dem Dejeuner bei Jürgaß nachgeholt, Meerheimb liest den Abschnitt über die Schlacht bei Borodino im September 1812 (vgl. III, 11).

Miekley

Inhaber der Öl- und Schneidemühle in Hohen-Vietz; trifft sich am 1. Weihnachtstag im Dorfkrug mit anderen Bauern. Er sympathisiert mit dem Konventikler Uhlenhorst, sein Gesicht ist von dem »Sektirerzug« geprägt, »in dem sich Sinnlichkeit und Entsagung, Hochmuth und Demuth mischen« (I, 7/68). Er steht unter dem besonderen Schutz der Schorlemmer. Er nimmt an Hoppenmariekens Begräbnis teil, um Uhlenhorst von der neuen »Seidentopferei« berichten zu können, denn das »ehrliche Begräbnis«, das Seidentopf Hoppenmarieken zugesteht, ist in seinen Augen ein Skandal. Am Mittag ist Uhlenhorst bei ihm zu Gast und hat seine Freude daran, wie »der reiche Sägemüller […] heute nicht blos Stämme [sägte], sondern auch Seidentopfen mitten durch« (IV, 26/484).

Mollhausen

Alter Rentamtmann aus Lietzen, der schon bei Kunersdorf gekämpft hatte und von einem dabei erlittenen Hüftschuss hinkt. Bei der »Revue« vor dem Überfall auf die französischen Regimenter in Frankfurt führt er die »Kompagnie Lietzen-Dolgelin« an (IV, 17/393).

Mursinna, Dr.

Der »berühmteste Chirurg der Stadt«, Gast der Soirée bei Ladalinski Anfang Januar. Lewin hört im Vorübergehen, wie er dem Schauspieler Fleck auseinandersetzt, warum er das Hinken seines Richard III. »nicht korrekt« findet (III, 5/74).

Muschwitz

Mann aus Großen-Klessin, einer der beiden Diebe, die in den Weihnachtstagen mehrere Einbrüche in Hohen-Vietz und Umgebung verüben und schließlich von Lewin, dem jungen Scharwenka und Hanne Bogun in ihrem Unterschlupf auf einer Rohrinsel der Oder aufgestöbert werden. Krull und Reetzke bringen ihn und seinen Kumpanen Rosentreter samt einer bei ihnen angetroffenen Frau mit Kind nach Frankfurt (vgl. II, 15/292). Die Hohen-Vietzer Bauern kennen Muschwitz, er sei »immer ein Tagedieb und Taugenichts gewesen« (II, 16/293).

Niedlich

Posamentier in Berlin; er sitzt am Neujahrstag mit seinen Nachbarn aus der Prenzlauer Straße, Rabe, Stappenbeck und Schnökel, im Wieseckeschen Saal auf dem Windmühlenberg zusammen, ein »kleiner artiger Mann«, der keine fünf Minuten still sitzen kann, redselig und ängstlich ist und zwei roten Flecken auf den mageren Wangen hat (III, 2/18). Während die anderen rauchen, vertilgt er Unmengen von süßem Gebäck. In den Gesprächen, die sich um Napoleons Niederlage an der Beresina und deren Folgen für Preußen drehen, redet er den anderen nach dem Munde.

Nippler

Kantor in Guse, der die musikalische Umrahmung der Theatervorstellung am Silvesterabend auf Schloss Guse leitet (vgl. II, 19/345 f.). Unter Punkt 6 ihrer letztwilligen Verfügung bestimmt Gräfin Amelie, dass bei ihrem Tode »Faulstich, dem ich mein Miniaturbild mit der Rubineneinfassung hinterlasse, […] eine Cantate dichten, und Nippler (der ein Douceur von zehn Dukaten empfängt) […] diese Cantate komponiren« soll, die am dritten Sonntag nach ihrem Begräbnis in der Guser Kirche oder an ihrem Grab gesungen werden soll (IV, 5/279).

Othegraven

Konrektor und Anwärter auf die Heilig-Geist-Pfarre in Frankfurt/Oder, »besonderer Freund« von Turgany (I, 12/108), der ihn am zweiten Weihnachtstag zu einer Gesellschaft bei Seidentopf mitbringt. »Strenggläubigkeit bei Freudigkeit des Glaubens« zeichnet ihn aus, was der Erzähler dem Einfluss eines mehrjährigen Aufenthalts in Holstein zuschreibt, bei dem Othegraven Umgang mit Matthias Claudius und Claus Harms hatte (vgl. I, 12/110). »Wenn er sprach, war etwas Helles um ihn her, das mit seinem sonst steifen und pedantischen Aeußeren versöhnen konnte.« (I, 12/111) Er ist »ohne jede Spur von Aberglauben«, sieht in allem, was geschieht, »ein unwandelbar Beschlossenes«, denn trotz seines streng lutherischen Bekenntnisses ruht »auf dem Grunde seines Herzens ein gut Stück prädestinationsgläubiger Calvinismus« (II, 18/326). Auf der Rückfahrt von Seidentopfs Gesellschaft gesteht er Turgany, dass er Marie liebt.

Er begrüßt Berndt von Vitzewitz‘ Pläne für einen auf eigene Faust geführten Schlag gegen Napoleons Soldaten und hilft ihm dabei, Schulze Kniehase von der Legitimität eines solchen Schrittes zu überzeugen (vgl. II, 13/262-265). Nach dem Gespräch bittet er Kniehase um Maries Hand; Kniehase zeigt sich geehrt, verweist ihn aber an Marie selbst (vgl. II, 13/265; II, 18/328). Zwei Tage später, am Silvestertag, fährt er nach Hohen-Vietz, um Marie seinen Antrag zu machen. Seidentopf, den er zuvor besucht, erschrickt über sein Vorhaben und rät ihm ab: Zwei Naturen, »von denen die eine ganz Phantasie, die andere ganz Charakter« sei, passten nicht zusammen (vgl. II, 18/328 f.). Marie nimmt seinen Antrag nicht an, Othegraven fügt sich mit Haltung in sein Schicksal (vgl. II, 18/332 f.).

Für den Überfall auf die französischen Regimenter in Frankfurt arbeitet er einen detaillierten Plan aus, den er Berndt von Vitzewitz und von Bamme bei deren Frankfurter »Rekognoszirungsfahrt« in Turganys Haus auseinandersetzt (vgl. IV, 15/369-371). Beim Sturm auf Frankfurt setzt er den französischen General Girard gefangen (vg. IV, 19/413). Im nachfolgenden Kampf wird er gefangengenommen und »bei Tagesanbruch erschossen« (IV, 20/428). Turgany berichtet Berndt von Vitzewitz in einem Brief von seinem letzten Gespräch mit ihm und von einem Gespräch mit dem französischen General Girard, der gesagt habe, Othegraven sei gestorben »comme un vieux soldat« (IV, 20/430). Er wird an der alten Nikolaikirche begraben, neben ihm Hansen-Grell.

Pachaly

Nachtwächter von Hohen-Vietz. Er sieht in einer Nacht kurz vor Silvester das Hausgespenst, den alten Matthias, am Altar knien und beten (vgl. II, 16/300). Bei der Durchsuchung von Hoppenmariekens Kate macht er die Verstecke mit Diebesgut ausfindig (vgl. II, 17/318-321). Bei Lewins Befreiung aus dem Gefängnis fungiert er als Kutscher (vgl. IV, 23/451). Da er auch ›doktert‹, wird er zu der tot aufgefundenen Hoppenmarieken gerufen (IV, 24/462). Er fährt wohl auch den Schlitten mit Tubals Sarg nach Bjalanowo (vgl. IV, 26/478).

Pehlemann, Baron

Mitglied des engeren Gesellschaftskreises um Gräfin Amelie auf Schloss Guse (vgl. II, 3/172), genaues Gegenteil von Major von Bamme, ein Hasenfuß, der an der Gicht leidet, die ihn zum Dichter gemacht hat, weil er fest daran glaubt, »daß das Podagra seiner Muse jedesmal weiche« (II, 3/183). Trotzdem muss er der Gesellschaft am dritten Weihnachtstag auf Schloss Guse wegen eines heftigen Gichtanfalls fernbleiben (vgl. II, 4/194). Der Einladung zum Silvesterabend aber kommt er nach. Pastor Seidentopf mokiert sich über sein »Angstchristenthum«, weil er »bei jedem Gichtanfall begierig nach der Bibel greife und sie wieder zuklappe, wenn der Anfall vorüber sei« (IV, 5/280).

Pfeiffer

Handschuhmacher in Kirch-Göritz, der, wie Reetzke am Stammtisch erzählt, auf eigene Faust gegen französische Soldaten vorgeht und sich »für Schill und Blücher all in eins« hält (IV, 6/288).

Pudagla, Gräfin Amelie (geb. von Vitzewitz)

Ältere Schwester von Berndt von Vitzewitz, Witwe, Tante von Renate und Lewin von Vitzewitz sowie von Kathinka und Pertubal von Ladalinski, deren Mutter eine Schwester ihres Mannes war. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts geboren, genoss sie eine französische Erziehung, heiratete 1770 den Grafen Pudagla, mit dem sie in Rheinsberg lebte, wo sie sechzehn Jahre lang die »Seele« der höfischen Gesellschaft um Prinz Heinrich von Preußen war (II, 2/163). Nach dem Tod ihres Mannes 1789 bezog sie im Frühjahr 1790 das im westlichen Oderbruch gelegene Schloss Guse, das ihr der Graf »sammt einem bedeutenden Baarvermögen« vermacht hatte (II, 2/168). Mit Prinz Heinrich, den sie nach Meinung ihres Bruders überschätzt (vgl. II, 7/215), blieb sie bis zu dessen Tod (1802) durch einen Briefwechsel in Verbindung. Eine mit den Jahren zunehmende, »fast zur Manie gewordene Abneigung« gegen Frauen hat zur Folge, dass ihr »Gesellschaftszirkel« in Guse nur aus Männern besteht (II, 2/171). Zum engeren Kreis, den ihr Bruder spöttelnd als »allerlei Freunde« bezeichnet (II, 2/172), gehören Drosselstein, Krach, Bamme, Pehlemann, Medewitz, Rutze und Faulstich (vgl. II, 3/172 f.).

Selbstverständnis und Weltbild der Gräfin sind ganz von den Jahren am Rheinsberger Hof, von ihrer Verbindung zu Prinz Heinrich und der französisch geprägten Gesellschaftskultur auf Schloss Rheinsberg bestimmt. Sie spricht vorzugsweise französisch, schwärmt für Henri IV. (vgl. II, 7/212-215), hält sich für aufgeklärt und liberal, zitiert unentwegt Montesquieu und Rousseau, bleibt aber Standesdünkeln verhaftet, ein Widerspruch, den sie immerhin selbst bemerkt (vgl. I, 17/144 f.). Als Witwe trägt sie, »dem Beispiele regierender Häuser folgend«, stets Schwarz und eine Stirnschneppe (II, 4/190). Da sie aller Aufgeklärtheit zum Trotz abergläubisch ist und an das Guser Hausgespenst, eine »schwarze Frau«, glaubt, lässt sie jeden Abend einen großen Trumeau-Spiegel in ihrem Schlafzimmer verhängen aus Angst, dass sie aus Versehen »ihrem eigenen Spiegelbilde zum Opfer fallen« könnte (II, 8/221 f.), was dann auch tatsächlich geschieht (s.u.).

Da sie kinderlos und also Erbtante ihrer Nichten und Neffen Vitzewitz und Ladalinski ist, wünscht sie nichts sehnlicher als eine Verbindung beider Familien durch eine Doppelheirat, die auch den »Herzenswünschen der Hohen-Vietzer Geschwister« entspricht (II, 4/191). Der beiden jungen Ladalinskis ist sie sich weniger sicher, wie sie ihrem Schwager nach dem Jahreswechsel schreibt (vgl. III, 3/42).

Sie stirbt Ende Januar 1813 vor Schreck: Ihr Zimmermädchen hatte vergessen, den Spiegel in ihrem Schlafzimmer zu verhängen (vgl. IV, 8/300). Lewin, der nach seinem Zusammenbruch noch krank im Bohlsdorfer Krug liegt, und Renate, die ihn pflegt, können an ihrer Beerdigung nicht teilnehmen, die streng nach den von ihr hinterlassenen Verfügungen (vgl. IV, 5/278 f.) vollzogen wird. Guse fällt an Berndt von Vitzewitz, der es in Absprache mit Geheimrat von Ladalinski Renate vererben will, sobald sie Tubal heiratet (vgl. IV, 8/301). Da Renate unverheiratet bleibt, übernimmt später Lewin das Gut bis zum Tod seines Vaters.

Püschel

Einziger Sohn eines Hohen-Vietzer Bauern; beim Überfall auf die französischen Regimenter in Frankfurt ist er der erste, den eine Kugel trifft. »Vitzewitz, zurückprallend, murmelte vor sich hin: ›der erste Todte.‹« (IV, 19/412)

Rabatzki

Buchhändler in Berlin, Mitglied der ›Kastalia‹ (vgl. I, 17/148), Herausgeber eines »Sonntagsblatts« mit »lyrisch-novellistische[m] Theil« (III, 7/96). Er ist der einzige in der Runde, der sich für Himmerlichs Gedicht »Sabbath« erwärmen kann (vgl. III, 7/100 f.), was freilich nicht viel besagt, denn »Rabatzki tadelte nie« (III, 7/106).

Rabe

Schornsteinfegermeister in Berlin; er sitzt am Neujahrstag mit seinen Nachbarn aus der Prenzlauer Straße, Stappenbeck, Niedlich und Schnökel, im Wieseckeschen Saal auf dem Windmühlenberg zusammen. Er ist der angesehenste unter ihnen, hat eine »gute Haltung, frischen Teint und weiße Zähne«, dazu einen »wundervollen Charakterkopf«, ist eher zurückhaltend, »der Drosselstein dieses Kreises, das aristokratische Element« (III, 2/17). Man redet über Napoleons Niederlage an der Beresina und mutmaßt über deren Folgen für Preußen, wobei Stappenbeck das Wort führt. Einen sich anbahnenden Streit zwischen Stappenbeck und Feldwebel Klemm vom Nachbartisch unterbindet Rabe, indem er die Tischgesellschaft aufhebt.

Reale, Gräfin

Oberhofmeisterin der Prinzessin Luise, Gattin Ferdinands von Preußen, etwa siebzig Jahre alt. Mit ihren hoch aufgetürmten grauen Haaren und ebenfalls grauen Kleidern gleicht sie »einem bösen Kakadu« (III, 5/73). Vor ihrem schwarzen Lorgnon, mit dem sie ihre Umgebung kritisch mustert, kann kaum jemand bestehen. Sie ist Gast bei der Soirée im Hause Ladalinski nach Neujahr. Lewin fühlt sich von ihr abschätzig beobachtet, und während Kathinka mit Bninski die Mazurka tanzt, bei deren Anblick er sich »matt, nüchtern und langweilig« vorkommt, lässt sie das Lorgnon mit einer Miene fallen, »die das Urtheil, das er sich selber eben ausgestellt hatte, untersiegeln zu wollen schien« (III, 5/79).

Bei Ladalinskis Abendgesellschaft am 21. Januar reagiert sie auf Lewins Verspätung mit offener Missbilligung und gerät mit Bninski aneinander, der über die Angewohntheit der Deutschen spöttelt, Treuebündnisse durch feierliche Rituale und Symbole zu befestigen (vgl. III, 14/182 f.). Lewins Erzählung vom Erbring der Bredows stimmt sie versöhnlich (vgl. III, 14/187-190).

Reetzke

Ganzbauer in Hohen-Vietz, trifft sich sonntags mit den anderen Bauern in Scharwenkas Krug. Er beteiligt sich an der Suche nach den Dieben, die um Weihnachten mehrere Einbrüche in der Umgebung verüben. Er und Krull bringen die Diebe nach Frankfurt (vgl. II, 15/292). Im Januar erzählt er im Krug von den zahlreichen Desertionen in den aus Russland heimkehrenden Kompanien (IV, 6/285-288). Bei Lewins Befreiung stellt er mit Krull und Kümmeritz das »Seitenkommando«, das die Fliehenden bei Bedarf decken soll (IV, 23/454, 458).

Rosentreter

Mann aus Podelzig, einer der beiden Diebe, die in den Weihnachtstagen mehrere Einbrüche in Hohen-Vietz und Umgebung verüben und schließlich von Lewin, dem jungen Scharwenka und Hanne Bogun in ihrem Unterschlupf auf einer Rohrinsel der Oder aufgestöbert werden. Krull und Reetzke bringen ihn und seinen Kumpanen Muschwitz samt einer bei ihnen angetroffenen Frau mit Kind nach Frankfurt (vgl. II, 15/292).

Rutze, von

Mitglied des engeren Gesellschaftskreises von Gräfin Amelie (vgl. II, 3/172), der »unbedeutendste des Guser Zirkels«, leidenschaftlicher Jäger, auf Protzhagen ansässig, ehemaliger Hauptmann, »ein langer, sehniger, ziemlich schweigsamer Mann« (II, 3/186). Bei der von Berndt von Vitzewitz initiierten Volksbewaffnung beweist er eine glückliche Hand und bringt »unsere beste Compagnie« zusammen (IV, 5/283).

Rysselmann

Alter Gerichtsdiener des Frankfurter Gerichts. Er überbringt den Brief, in dem Turgany Berndt von Vitzewitz bittet, Hoppenmariekens Kate durchsuchen zu lassen (vgl. II, 17/314 f.). Nach dem Sturm auf Frankfurt bringt er Turganys Brief mit dem Bericht über Othegravens Hinrichtung und Lewins Gefangensetzung (vgl. IV, 20/427).

Saßnitz, Dr.

Mitglied der ›Kastalia‹, bei dem ersten Auftritt Hansen-Grells anwesend, von dem Tubal in seinem Weihnachtsbrief an Lewin berichtet. Saßnitz, »Avantgardenführer unserer Kritik«, ist der Meinung, Hansen-Grells Ballade »Hakon Borkenbart« hätte, ihrem Märchenstoff entsprechend, schlichter ausfallen müssen und sei »zu lang und namentlich zu schwer« (I, 17/151 f.). Für die erste Sitzung nach Neujahr entschuldigt er sich.

Savigny

Professor der Rechte an der Berliner Universität, bei dem Lewin Vorlesungen hört. Am Tag nach der Soirée bei Ladalinskis hört er ihn über »römisches Recht im Mittelalter« sprechen, woraus Lewin schließt, dass er die Nachricht von der »Kapitulation« Yorks bei Tauroggen, von der er in der Nacht gehört hatte, noch nicht bekommen hat (III, 6/89).

Friedrich Carl von Savigny (1779-1861), berühmter Jurist und Begründer der Historischen Rechtsschule, lehrte seit 1810 an der Berliner Universität. – Bei der »Kapitulation« handelt es sich um die sog. »Konvention von Tauroggen«: Der auf französischer Seite kämpfende preußische Generalleutnant York von Wartenburg hatte am 30. Dezember 1812 auf eigene Faust einen Waffenstillstand mit dem russischen Generalmajor Diebitsch geschlossen.

Scharwenka

Krüger und Doppelbauer in Hohen-Vietz. In seinem Krug treffen sich an Sonntagen die Hohen-Vietzer Bauern. Obwohl er der »reichste Mann im Dorfe« ist, wird er nicht ganz für voll genommen, weil seine aus Böhmen eingewanderte Familie erst in dritter Generation in Hohen-Vietz ansässig ist und weil er trotz seines Landbesitzes weiterhin den Krug betreibt (I, 7/64). Er tut es, weil er »das Horchen, das Bescheidwissen in anderer Leute Taschen« liebt (I, 7/65). Er beteiligt sich an der Suche nach den Dieben, die um Weihnachten mehrere Einbrüche in der Umgebung verüben.

Scharwenka, Wenzlaff

Sohn des Krügers Scharwenka, einst Spielkamerad Lewins. Wie sein Vater beteiligt er sich an der Suche nach den Dieben. Unterwegs unterhält er sich mit Lewin über Maline Kubalke, die er heiraten möchte, die ihm aber den Laufpass gegeben hat, weil er ihr, wie sie behauptet, ihre Armut vorgeworfen hat. Er aber habe nur ihrem Hochmut einen Dämpfer verpassen wollen, denn sie sei »eitel und hochmüthig«, und wenn er ihr »nicht so gut wäre«, wäre es mit ihnen beiden schon längst aus gewesen (II, 15/284). Seine Hoffnung, dass es sich zwischen ihnen wieder einrenkt, wird schließlich mit Lewins und Renates Hilfe erfüllt (vgl II, 16/297 f.). Er nimmt an dem Sturm auf Frankfurt teil, den er unverletzt übersteht, und ist auch an Lewins Befreiung aus dem Gefängnis beteiligt (vgl. IV, 23).

Schimmelpenning

Bote am Kammergericht, an dem sein Vater einst Präsident war; Gast auf Frau Hulens Abendgesellschaft, ein »starker Fünfziger«, der »an Aufgeblasenheit und Wichtigthuerei mit jedem Truthahn streiten« könnte (III, 4/51).

Schnökel

Mehl- und Vorkosthändler in Berlin; er sitzt am Neujahrstag mit seinen Nachbarn aus der Prenzlauer Straße, Rabe, Stappenbeck und Niedlich, im Wieseckeschen Saal auf dem Windmühlenberg zusammen, ein »großer starker Mann mit kurzem Hals; das Bild des Apoplektikus« und ein Bierkenner, der »trank, rauchte und schwieg« (III, 2/18 f.).

Schorlemmer, Brigitte (Tante Schorlemmer)

Haushälterin auf Hohen-Vietz, die Berndt von Vitzewitz nach dem Tod seiner Frau 1806 eingestellt hatte und der besonders die Betreuung der damals 12-jährigen Renate oblag. Inzwischen hat sie den Status einer Familienangehörigen und ist, wie der Erzähler betont, »keine Nebenfigur in diesem Buche« (I, 6/ 53). Sie ist Herrnhuterin und hatte vor dreißig Jahren auf Wunsch der Brüdergemeinde einen Missionar auf Grönland geheiratet, Jonathan Schorlemmer, mit dem sie gut zehn Jahre auf Grönland gelebt hatte. Nach dessen Tod war sie nach Preußen zurückgekehrt und hatte bis zu ihrer Übersiedelung nach Hohen-Vietz in einer bescheidenen Wohnung in der Berliner Wilhelmstraße gelebt (vgl. I, 6/54). Sie ist in den Fünfzigern, meist »grau gekleidet mit weißem Tuch und kleiner Tüllhaube« (I, 3/30) und in freien Stunden mit dem Stricken von Schals für ›meine Grönländer‹ beschäftigt (I, 6/53).

Freude zu verbreiten und »einen öden Tag minder öde zu machen«, ist ihr nicht gegeben (I, 3/29), »aber Ruhe und Friede waren in ihrem Geleit« (I, 6/54 f.). Alle Familienmitglieder schätzen sie sehr, nur über ihr Christentum gehen die Meinungen auseinander: Während Berndt »tiefen Respekt vor ihrem Herrnhuterthume« hat und ihre Leidenschaftslosigkeit als Wohltat empfindet, ist es gerade diese Leidenschaftslosigkeit, die die Geschwister stört, weil sie in glücklichen wie unglücklichen Stunden anstelle von Worten der Teilnahme und des Mitgefühls christliche Sprüche bereithält. In Lewins und Renates Augen »gebrauchte sie ihr Christenthum wie eine Hausapotheke«, und der Erzähler, der die »treffliche Dame« sichtlich schätzt, kann nicht umhin zuzugestehen, dass darin »etwas Wahres« liegt (I, 6/55).

Sie beruhigt die fiebernde Renate mit der Geschichte von Kajarnak, dem ersten getauften Grönländer (vgl. II, 16/304-311). Als Lewin krank im Bohlsdorfer Krug liegt, quartiert sie sich mit Renate dort ein und pflegt ihn. Sie sympathisiert mit dem Konventikler Uhlenhorst und seinen Anhängern. Generalmajor von Bamme verabscheut sie; als er sich auf Hohen-Vietz einquartiert, weist sie alle weiblichen Dienstboten des Hauses »aufs schärfste« an, sein Zimmer »auch bei heftigem Klingeln« nicht zu betreten (IV, 9/320). Von Marie verlangt sie, sein Erbe zurückzuweisen (vgl. IV, 28/497).

Seherr-Thoß, Graf

Schlesischer Graf; tanzt auf der Soirée im Hause Ladalinski mit seiner schönen Frau die Mazurka (vgl. III, 5/78). Das Paar nimmt auch an der Schlittenpartie nach Lehnin teil.

Seidentopf

Pastor in Hohen-Vietz, »ein Sechziger, mit spärlichem weißen Haar, von würdiger Haltung und mild im Ausdruck seiner Züge« (I, 5/47). Er hält patriotische Predigten, die ihm zu lang geraten. Napoleons Scheitern in Russland gilt ihm als Gottesgericht. Nach seiner Weihnachtspredigt unterhalten sich die Bauern im Dorfkrug über ihn (vgl. I, 7/69).

Seidentopf hat seine »Studirstube« in zwei Hälften geteilt; die eine Hälfte, sichtlich stärker verstaubt als die andere, dient den theologischen Studien und Predigtvorbereitungen, die andere der Sammlung archäologischer Funde aus der Umgebung. Seidentopf ist »archäologischer Enthusiast« und »Tendenzsammler«, der es für erwiesen ansieht, dass die Mark Brandenburg »von Uranfang an ein deutsches Land« und die wendische Besiedlung nur eine Episode war (I, 11/100 f.), eine These, über die er seit Jahr und Tag mit seinem ältesten Freund Turgany in heftigem, gleichwohl freundschaftlichem Streit liegt (vgl. I, 11/102 f.). Anders als Turgany ist er den aus der gemeinsamen Studienzeit in Göttingen herrührenden Idealen des ›Hainbunds‹ und seiner Begeisterung für das Nordisch-Germanische treu geblieben (vgl. I, 11/103).

Für Marie hegt er von Anfang eine tiefe Sympathie und ist überzeugt, dass sie eine Segensbringerin ist. Als Othegraven um ihre Hand anhalten will, erschrickt er und rät ihm ab, weil ihrer beider Naturen zu verschieden seien (vgl. II, 18/328 f.). Anfang Februar verliest er den »Aufruf« der preußischen Regierung und predigt über Jeremia 18, 7-8 (IV, 14/355 f.). Er gibt Hoppenmarieken einen Platz auf dem Kirchhof und ein christliches Begräbnis (IV, 26/483). Zwei Frauen vom Forstacker amüsieren sich über sein Gebet am Grab: Alle wolle er (in den Himmel) hineinbeten. »Joa. Awers Hoppenmarieken beet’t he nich rinn.« (IV, 26/483).

Nach dem Krieg traut er Lewin und Marie in der Bohlsdorfer Kirche seines Amtsbruders Lämmerhirt, mit dem er bei dieser Gelegenheit Freundschaft schließt. Seine Hochzeitspredigt – »nie hat er besser gesprochen« – dreht sich um die Zeile »Und kann auf Sternen gehen« (IV, 28/495 f.).

Renates Tagebuch berichtet von seinem Tod und Begräbnis, bei dem sein Amtsbruder Zabel die Trauerpredigt hält, »gutgemeint und alltäglich«, und von Turganys Trauer um den Freund: »Nun kann ich diesen Landestheil unangefochten für wendisch erklären; aber ich thät es lieber nicht.« (IV, 28/496 f.)

Sottmeier

Spitzname der Frankfurter für die Bewohner der Lebuser Vorstadt. Es ist der Name einer Witwe, die vor hundert Jahren die gesamte Vorstadt angezündet haben soll. »Eine seltsame Logik«, meint Berndt von Vitzewitz, »erst den Schaden und dann den Schimpf.« (IV, 15/366) Bamme spricht den Knecht vom ›Letzten Heller‹, einer alten Wirtschaft in der Lebuser Vorstadt, mit »Sottmeier« an; als er dessen unheimliches Aussehen bemerkt, vergeht ihm die Lust, die herabsetzende Anrede zu wiederholen (IV, 15/376).

Stappenbeck

Bürstenmacher in Berlin; er sitzt am Neujahrstag mit seinen Nachbarn aus der Prenzlauer Straße, Rabe, Niedlich und Schnökel, im Wieseckeschen Saal auf dem Windmühlenberg zusammen und politisiert. Er kann seinen Beruf nicht verleugnen, »denn wie sein Haar, so war auch seine Manier und Sprechweise: die Borsten immer nach oben«. Er ist den anderen »an Wissen und Witz« überlegen, ist weit herumgekommen und gilt als Autorität »in allen russischen Lokalfragen« (III, 2/18). Er liest den anderen aus der Zeitung das 29. Bulletin über Napoleons Niederlage an der Beresina vor und prophezeit Napoleons Untergang. Als Feldwebel Klemm vom Nachbartisch sich in das Gespräch einmischt und das Gegenteil behauptet, droht ein Streit zu entstehen, den Rabe verhindert, indem er die Tischgesellschaft aufhebt. Auf dem gemeinsamen Heimweg lässt Stappenbeck kein gutes Haar an Klemm und pfeift seinen Hund Kratzer heran, um die Folgsamkeit und Treue des Tiers als Exempel dafür zu präsentieren, was Klemm nicht sei, vielmehr tue, was »kein Hund nich« tue (III, 2/30).

Susemihl, Johanna

Küsterstochter aus Berlin, die von einem französischen Soldaten geschwängert wurde und bei der Geburt mit ihrem Kind starb. Beide liegen auf dem Friedhof der Klosterkirche, gegenüber von Lewins Wohnung, am Chorpfeiler begraben. Bei Lewins Rückkehr vom Weihnachtsurlaub kränzt Frau Hulen Tür und Tisch mit Efeuranken von ihrem Grab und erzählt ihm ihre Geschichte (vgl. III, 5/69 f.). In der folgenden Nacht besucht der von der Soirée bei Ladalinkis heimkehrende Lewin ihr Grab und »fühlte sich erschüttert von dem Anblick« (III, 6/86). In den Bildern, die ihn danach im Halbschlaf heimsuchen, sieht er Johanna mit dem Grafen Bninski am Chorpfeiler der Klosterkirche stehen.

Thaer

Professor an der Berliner Universität, bei dem Lewin Vorlesungen hört. Am Tag nach der Soirée bei Ladalinskis hört er ihn über den »Fruchtwechsel und die landwirthschaftliche Bedeutung des Kartoffelbaues« sprechen. Wie Savigny, dessen Vorlesung er davor besucht hat, erwähnt auch Thaer die »Kapitulation« des Generals York, von der Lewin in der Nacht gehört hatte, mit keinem Wort (III, 6/89 f.).

Albrecht Daniel Thaer (1752-1828), Begründer der Agrarwissenschaft, lehrte seit 1810 an der Berliner Universität. – Bei der »Kapitulation« handelt es sich um die sog. »Konvention von Tauroggen«: Der auf französischer Seite kämpfende preußische Generalleutnant York von Wartenburg hatte am 30. Dezember 1812 auf eigene Faust einen Waffenstillstand mit dem russischen Generalmajor Diebitsch geschlossen.

Turgany

Justizrat aus Frankfurt/Oder, ein »starker Fünfziger«, der, nicht zuletzt wegen eines Toupets aus »flachsblonden Locken«, jünger wirkt und das auch gern hört (I, 12/110). Er ist der älteste, noch aus der gemeinsamen Studienzeit in Göttingen herstammende Freund von Pastor Seidentopf, den er regelmäßig mit seinen »panslavistischen« Ansichten zur Besiedelung der Mark Brandenburg provoziert (vgl. I, 11/102 f.). Von ›keckem‹ Wesen und »übermüthiger Laune«, genießt er die Streitgespräche mit Seidentopf und ist ein Freund gewitzter und möglichst pausenloser Unterhaltungen im größeren Kreis. Am zweiten Weihnachstag besucht er den Freund zusammen mit Othegraven und Pfarrer Zabel in Hohen-Vietz. Er schenkt ihm ein archäologisches Artefakt, an dem sich sogleich der übliche Streit der Freunde entzündet (vgl. I, 13/112-118), und bereichert Seidentopfs Tafel um eine Schüssel Kaviar, die er zum Anlass nimmt, »die große Slava« hochleben zu lassen (I, 14/120).

Nach Einlieferung der vom Hohen-Vietzer Suchtrupp aufgestöberten Diebe informiert er Berndt von Vitzewitz über Hoppenmariekens Hehlerdienste und bittet ihn, ihre Kate nach dem Diebesgut durchsuchen zu lassen (vgl. II, 17/324 f.). Anfang Februar fährt er persönlich zu Graf Drosselstein auf Hohen-Ziesar, um ihm im Auftrag der Frankfurter Bürgerschaft Nachricht von zwei in Frankfurt eingetroffenen französischen Regimentern zu geben (vgl. IV, 13/346 f.), woraufhin der Angriff beschlossen wird (vgl. IV, 13/348 f.). Turgany selbst will an der Aktion nicht teilnehmen. Er beschränkt sich darauf, Berndt und Bamme am Tag vor dem Überfall bei der »Rekognoszirung« des Schauplatzes zu unterstützen (vgl. IV, 15/368-375). Nach dem misslungenen Überfall unterrichtet er Berndt von Vitzewitz umgehend über Othegravens Erschießung und Lewins Festnahme.

Der Tod seines Freundes Seidentopf bewegt ihn. »Nun kann ich diesen Landestheil unangefochten für wendisch erklären; aber ich thät es lieber nicht.« (IV, 28/496 f.)

Uhlenhorst

Kandidat der Theologie und Sektierer, der im Oderbruch und in der Neumark regelmäßig alle Konventikler der Gegend versammelt. Der Hohen-Vietzer Müller Miekley ist einer seiner treuesten Anhänger (vgl. I, 7/68 f.) und Pastor Seidentopf wiederkehrender Gegenstand seiner ›Sarkasmen‹ (I, 11/100). Am Tag von Hoppenmariekens Beerdigung ist er zu Gast bei Miekley und genießt dessen Empörung über Seidentopf, der Hoppenmarieken ein christliches Begräbnis gegeben hat. Bammes Teilnahme an der Beerdigung hält er für nur »natürlich«, denn Bamme und Hoppenmarieken seien Geschwister, hätten denselben Vater (den Teufel) und seien an demselben Ort (in der Hölle) geboren (IV, 26/484).

Vater Maries

Fahrender Künstler, der um Weihnachten 1804, annonciert als »der starke Mann«, in Wahrheit aber schon »siech und krank« (I, 9/87), mit seiner damals etwa zehnjährigen Tochter Marie nach Hohen-Vietz kam und nach einer Vorstellung in Scharwenkas Krug zusammenbrach und wenig später starb. Unter seinem Kopfkissen fand Pastor Seidentopf Papiere und Briefe, aus denen hervorging, dass er Schauspieler war, eine »Tochter aus gutem Hause wider den Willen der Eltern geheirathet hatte«, die ihm früh »hingestorben war« (I, 9/88). Er wurde auf dem Hohen-Vietzer Kirchhof begraben, Marie von den Kniehases adoptiert. Küster Kubalke dichtete einen Spruch für sein Grabkreuz: »Ein Stärk’rer zwang den starken Mann, / Nimm ihn Gott in Gnaden an.« (I, 9/89).

Vitzewitz, Anselm von

Vorfahre der Vitzewitz, Sohn des Rochus von Vitzewitz. Nach der Brandschatzung des Schlosses Hohen-Vietz im Dreißigjährigen Krieg half er seinem Vater beim Wiederaufbau und wurde nach dessen Tod Herr auf Hohen-Vietz. Er wurde von seinem Bruder Matthias im Streit getötet (vgl. I, 2/22).

Vitzewitz, Berndt von

Herr auf Hohen-Vietz, früh verwitwet, Vater von Lewin und Renate von Vitzewitz, Bruder der Gräfin Amelie, ein »hoher Fünfziger« (I, 4/32) von »gedrungener Gestalt«, dunklem Teint und schwarzem Haar (I, 4/36). Er hatte fast dreißig Jahre im Dragonerregiment Knobelsdorff gedient, dann aber 1795, nach dem Basler Frieden, den er nicht verwinden konnte, seinen Abschied genommen. Die Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedt 1806 und der Tod seiner geliebten Frau Madeleine wenige Tage später hatten sein Gemüt, das ohnehin vom grüblerisch-brütenden »Familiencharakter« der Vitzewitz geprägt ist (I, 2/24), »völlig ins Finstere gewandelt« (I, 4, 34). Sein Trost und Gegenstand seiner Liebe und Fürsorge sind seine beiden Kinder, deren von der Mutter ererbte heitere und leichtbewegliche Charaktere seine Hoffnung begründen, dass sich durch sie eine dauerhafte Veränderung des aus den Tagen des alten Matthias von Vitzewitz herrührenden Vitzewitzschen »Familiencharakters« vollziehen wird (vgl. I, 4/36).

Sein tiefer Hass auf Napoleon und die »Pariser Schreckensmänner« (I, 4/32) hatte ihn nach Jahren »brütenden Trübsinn[s]« (I, 4/34) wieder aufleben lassen. Nichts Geringeres als die Wiederherstellung der Ehre Preußens ist sein Ziel, und da sich der preußische König nicht zu einem Bruch mit Napoleon durchringen kann und Berndt auch bei Minister Hardenberg, den er in den Weihnachtstagen 1812 in Berlin aufsucht, nichts erreicht (vgl. II, 7/209-212), beginnt er damit, auf eigene Faust geführte Überfälle auf napoleonische Soldaten zu planen, von denen er sich eine Fanalwirkung erhofft. Auf sein Betreiben werden auf den umliegenden Gütern Volkssturm-Kompanien rekrutiert.

Zuvor unternimmt er mit Schulze Kniehase, Lewin, Tubal und einigen Bauern die Suche nach den Dieben, die in Hohen-Vietz und den umliegenden Dörfern mehrere Einbrüche verübt haben, fest davon überzeugt, es handele sich um französische Marodeure. Tatsächlich sind es zwei Taugenichtse aus der Gegend, Muschwitz und Rosentreter.

Am Morgen nach dem Brand des Saalanbaus, in dem einst Matthias von Vitzewitz seinen Bruder erstochen hatte und seither umgehen soll, äußert er die Zuversicht, dass nun »andere, bessere Zeiten kommen. Für uns, für alle« und zitiert lächelnd den alten Spruch: »Und eine Prinzessin kommt ins Haus, / Ein Feuer löscht den Flecken aus – « (III, 9/132 f.). Auch seine Kinder empfinden den Verlust des Gebäudes eher als Erleichterung. Durch den Tod seiner Schwester wachsen ihm zudem Mittel zu, um Hohen-Vietz wieder herzurichten (vgl. IV, 8/302).

Anfang Februar gewinnen Berndts politisch-militärische Pläne konkrete Gestalt, weniger durch den ›Aufruf‹ der von Potsdam nach Breslau verlegten Regierung, der ihn mit seinen »Halbheiten« eher enttäuscht (IV, 10/325), als durch die von Turgany überbrachte Nachricht von zwei in Frankfurt aus Russland eingetroffenen französischen Regimentern und den an die Organisatoren des ›Volkssturms‹ gerichteten Wunsch der Frankfurter Bürgerschaft nach Gegenwehr (vgl. IV, 13/346 f.). Ein Überfall auf die Besatzer, der sie am Überschreiten der Oder hindern soll, wird geplant: Drosselstein übernimmt die Aufgabe, die Unterstützung des russischen Generals Tschernitscheffs sicherzustellen, und Berndt und von Bamme unternehmen eine »Rekognoszirungsfahrt« nach Frankfurt, wo sie den prospektiven Schauplatz des Geschehens besichtigen und mit Othegraven die Details ihres Vorgehens besprechen. Der Überfall misslingt, weil die russische Unterstützung ausbleibt, es gibt Tote, Lewin wird gefangengenommen, und Berndt geht hart mit sich selbst ins Gericht (vgl. IV, 20/423). Mit Hirschfeldt, Tubal und Kniehase befreit er Lewin aus dem Gefängnis (vgl. IV, 23).

Lewins Verlöbnis mit Marie bewegt ihn, und er freut sich »des Glückes der Glücklichen« (IV, 24/460). Marie, so meint er zu Lewin, »wird uns freilich den Stammbaum, aber nicht die Profile verderben, nicht die Profile und nicht die Gesinnung. Und das beides ist das Beste, was der Adel hat.« (IV, 27/488)

Vitzewitz, Lewin von

Sohn von Berndt von Vitzewitz, Bruder von Renate von Vitzewitz, enger Freund seines ›Vetters‹ Tubal von Ladalinski, Student der Rechte in Berlin (vgl. III, 6/88), wo er bei Frau Hulen in der Klosterstraße zur Untermiete wohnt, ein »hochaufgeschossener, junger Mann von leichter, vornehmer Haltung« (I, 1/8) mit ovalem Kopf und »Augen, aus denen Phantasie, Klugheit und Treue sprachen« (I, 3/28).

Da er schon im vierten Jahr studiert, hört er nur noch einige Vorlesungen, darunter bei Savigny, Thaer und Fichte, und beschäftigt sich in der übrigen Zeit überwiegend mit seiner Liebhaberei, der schönen Literatur. Er ist Anhänger der »romantischen Schule«, seine Lieblingsbücher sind Shakespeare und Percy’s Balladensammlung. Gelegentlich schreibt er auch selbst, aber, wie er meint, »ohne wirklich dichterischen Beruf« (III, 6/89). Die literarische Vereinigung ›Kastalia‹, die sich in regelmäßigen Abständen trifft, ist seine Gründung (vgl. III, 7/95). Er schätzt den von Jürgaß in die ›Kastalia‹ eingeführten Hansen-Grell sehr und steht Dr. Faulstich, der seinen Freund Tubal zu beeindrucken weiß, eher reserviert gegenüber.

Dass Marie Kniehase, mit der er wie mit einer Schwester aufgewachsen ist, ihn liebt, bemerkt er lange Zeit nicht, und bezieht auch die Verse, die er bei seiner Heimfahrt zum Weihnachtsfest 1812 auf einer Grabplatte in der Bohlsdorfer Kirche liest und die ihn tief beeinrucken, nicht (wie der Erzähler) auf Marie, sondern auf Kathinka von Ladalinski (vgl. I, 1/14). Denn der »Familienplan« seiner Tante Amelie, die ihn mit Kathinka (und deren Bruder Tubal mit Renate) verheiratet sehen möchte (vgl. II, 4/191), entspricht ganz seinem Herzenswunsch, er liebt Kathinka, ahnt aber, dass ihre Wege sich trennen werden (vgl. II, 19/348 f., 359). Als er sie auf der Soirée ihres Vaters mit Graf Bninski die Mazurka tanzen sieht, fühlt er die »wirkliche Ueberlegenheit seines Nebenbuhlers«: »Alles was er sah, war Kraft, Grazie, Leidenschaft; was bedeutete daneben sein gutes Herz?« Er kommt sich »matt, nüchtern und langweilig« vor, und eine abschätzige Geste der Gräfin Reale scheint ihm dieses Urteil »untersiegeln zu wollen« (III, 5/79). Niedergeschlagen besucht er auf dem Heimweg mitten in der Nacht das Grab der Johanna Susemihl, von deren Schicksal Frau Hulen ihm erzählt hatte.

Am Tag darauf gibt Kathinka ihrem Vater unzweideutige Auskunft: Sie habe Lewin lieb, aber sie liebe ihn nicht: »Alles an ihm ist Phantasie; er träumt mehr als er handelt.« (III, 8/121) Dennoch gibt sie ihm in den darauffolgenden Tagen zu verstehen, dass sie feuriger umworben zu werden wünscht (vgl. III, 13/172), und bietet ihm auf der Rückfahrt von Lehnin dazu sehr eindeutige Gelegenheit. Aber Lewin bleibt zurückhaltend, Scheu ist »sein angeboren Erbtheil« (III, 15/208). Beim Aussteigen sagt sie ihm: »Du bist ein Kind.« (III, 15/209) Er missdeutet ihr Verhalten und glaubt wieder »an die Möglichkeit meines Glücks« (III, 17/219). Am Abend desselben Tages, an dem er dies an Renate schreibt, empfängt er die Nachricht von Kathinkas Flucht mit Bninski (vgl. III, 18/229). Er wandert zur Stadt hinaus und bricht kurz hinter Dalwitz zusammen. Ein Knecht aus der Gegend findet ihn und bringt ihn zum Bohlsdorfer Krug, wo er, umsorgt von der Krügersfrau, Renate und Tante Schorlemmer, tagelang schläft. Als er, genesen, sein Krankenzimmer verlässt, fühlt er, »daß ein Leben hinter ihm versank und ein anderes begann« (IV, 4/269).

Napoleongegner wie sein Vater, hat er doch für den von Berndt geplanten Überfall auf französische Soldaten wenig übrig. Die »spanische Kriegsführung« sei ihm verhasst, er sei für »offenen Kampf« (I, 4/39). In dieser Ansicht befestigt ihn der beklagenswerte Anblick von aus Russland heimkehrenden französischen Soldaten, der sich ihm Anfang Januar am Stadtrand von Berlin bietet (vgl. III, 12/164-166). Aus Mitleid folgt er dem zerrissenen Haufen in die Stadt und ist einigen Offizieren bei der Quartiersuche behilflich. Die nach Yorks Kapitulation bei Tauroggen und nach dem ›Aufruf‹ der preußischen Regierung Anfang Februar deutlich veränderte Stimmung im Land verändert auch seine Haltung zu den väterlichen Plänen. Er nimmt am Sturm auf Frankfurt teil und wird bei dem Versuch, Othegraven zu befreien, gefangengesetzt und nach Küstrin gebracht (vgl. IV, 20/428).

In der Nacht vor seiner Befreiung träumt er von seiner Hochzeit mit Marie, und als er nach Hohen-Vietz zurückkehrt, bedeutet »das in Jubel und Tränen ausbrechende Wiedersehen zwischen Lewin und Marie auch zugleich ihr Verlöbnis«, ein Verlöbnis, »wie Menschenaugen kein schöneres gesehen. Denn es war nur gekommen, was kommen sollte; das Natürliche, das von Uranfang an Bestimmte hatte sich vollzogen« (IV, 24/459 f.). Renate hält die beiden allerdings für ein merkwürdiges Brautpaar: »Ihr seid ja nicht einmal zärtlich.« Und Lewin erklärt: »Wir waren zu lange Geschwister. Aber es findet sich wohl noch. Was meinst du, Marie?« (IV, 27/492) Einige Tage später brechen Lewin und Hirschfeldt nach Breslau auf, um sich für den bevorstehenden Befreiungskrieg rekrutieren zu lassen (vgl. IV, 27/488).

Wie es mit ihm weitergeht, erfährt man am Ende des Romans »Aus Renatens Tagebuch«: Lewin kommt heil, nur mit einer Stirnnarbe von einem Säbelhieb aus dem Krieg zurück. Seine Hochzeit mit Marie findet auf seinen Wunsch in Bohlsdorf statt, »wo sich sein Leben entschieden habe«, und Pastor Seidentopfs Hochzeitspredigt dreht sich um die Zeile, die er am Weihnachtsabend 1812 auf dem Grabstein der Bohlsdorfer Kirche gelesen hatte: »Und kann auf Sternen gehen« (IV, 28/495 f.). Das Paar lebt auf Schloss Guse; bei Pastor Seidentopfs Tod haben sie schon mehr als drei Kinder (vgl. IV, 28/496). Nach Berndts Tod übernimmt Lewin Hohen-Vietz, und Renate geht in das adelige Damenstift Lindow (vgl. IV, 28/497 f.).

Vitzewitz, Madeleine von (geb. Dumoulin)

Berndt von Vitzewitz' verstorbene Frau, eine geborene Dumoulin. Sie war »groß, schlank, blond, eine typische deutsche Schönheit, wie so oft die Töchter des altfranzösischen Adels« und der »Abgott ihres Gemahls« (I, 4/32). Sie sorgte dafür, dass Marie Kniehase zusammen mit ihrer Tochter Renate Unterricht erhält. Sie starb 1806, kurz nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt: Die Beleidigungen eines französischen Besatzungsoffiziers und das anschließende Duell zwischen diesem und ihrem Gatten verursachten bei der von einer fiebrigen Erkrankung noch nicht Genesenen einen schweren Rückfall, dem sie nach wenigen Tag erlag. Berndt von Vitzewitz ließ auf ihrem Grabstein nur die Worte »Hier ruht mein Glück« einmeißeln (vgl. I, 4/34).

Vitzewitz, Matthias von

Vorfahre der Vitzewitz und verbürgtes Schlossgespenst von Hohen-Vietz, Sohn des Rochus von Vitzewitz. Nach der Brandschatzung des Schlosses im Dreißigjährigen Krieg trat er der Armee bei und machte Karriere in kaiserlichen Diensten (vgl. I, 2/17). Bei seiner Rückkehr nach Hohen-Vietz erstach er im Streit seinen Bruder Anselm, wurde aber vom Kaiser begnadigt. Er ergänzte die Neubauten seines Vaters um einen »Renaissanceneubau« und ließ den Saalanbau, in dem er seinen Bruder erstochen hatte, zu einer Kapelle umschaffen (I, 2/23). In diesem Saalanbau, der inzwischen als Vorratsraum für die Dienstboten des Hauses dient, soll der alte Matthias immer noch umgehen. Seit seinen Tagen gehören »Grübeln und Brüten« und ein »Hang zur Selbstpein und Ascese« zum »Familiencharakter« der Vitzewitz (I, 2/24).

In den Spinnstuben des Dorfes erzählt man sich die Geschichte der Brüder bis heute, und ein Reimspruch hat sich erhalten, der Versöhnung weissagt: »Und eine Prinzessin kommt ins Haus, / Da löscht ein Feuer den Blutfleck aus« (I, 2/25). Mit dem Brand des Saalanbaus, den alle drei Vitzewitz als Befreiung empfinden, scheint sich die Erfüllung der Weissagung anzukündigen.

Vitzewitz, Renate von

Tochter von Berndt von Vitzewitz, Schwester von Lewin von Vitzewitz. Wie ihr Bruder hat sie »Augen, aus denen Phantasie, Klugheit und Treue sprachen« (I, 3/28). Mit Marie Kniehase, ihrer »Spiel- und Schulgenossin«, verbindet sie von Kindheit an eine innige Freunschaft, beide »liebten sich wie Schwestern« (I, 10/93 f.). Gewöhnt an das bescheidene gesellschaftliche Leben auf Hohen-Vietz und Schloss Guse, erscheint ihr das Berliner Gesellschaftsleben, um das sie ihre Cousine Kathinka beneidet, nur umso glänzender (vgl. II, 14/268 f.). Nach Neujahr berichtet sie Lewin in einem langen Brief von dem Brand des Saalanbaus, bei dessen Anblick ihr das Herz unerklärlicherweise »wie vor Freude« höher geschlagen habe (III, 9/129). Sie pflegt Lewin nach seinem Zusammenbruch im Bohlsdorfer Krug. Nach dem Tod von Tante Amelie Ende Januar 1813 eröffnet ihr Vater ihr die Aussicht, Erbtochter auf Schloss Guse zu werden, sobald sie heiratet.

Der »Familienplan« Tante Amelies, die sie mit Tubal von Ladalinski (und deren Schwester Kathinka mit Lewin) verheiratet sehen möchte (vgl. II, 4/191), kommt ihrem Herzen entgegen, sie liebt Tubal, aber es ist eine »Liebe ohne Vertrauen« (IV, 7/299). Kathinkas Flucht wirft zusätzliche Schatten auf ihr Verhältnis zu Tubal. Was ihr »ahnungsvoll das eigene Herz bedrückte«, als er Anfang Februar nach Hohen-Vietz kommt, spricht Marie aus: »Er liebt dich und ist doch seiner eigenen Liebe nicht sicher. Voller Mißtrauen gegen sich selbst, begegnet er dir mit Scheu. Vielleicht, daß er es dir offen bekennen wird, um wenigstens vor sich selbst einen Halt und etwas, das einer Rechtfertigung ähnlich sieht, gewonnen zu haben.« (IV, 9/321 f.) Schon am nächsten Tag trifft Maries Prophezeiung ein (vgl. IV, 10/329 f.), und Renate versichert ihn zwar ihrer Gebundenheit, bittet ihn aber, sich seinerseits jetzt nicht zu binden, sondern abzuwarten: »Und hast du dann das eigene Herz geprüft und das meine vertrauen gelehrt, dann, ja dann!« (IV, 10/330) Sein Liebesgeständnis macht sie gleichwohl glücklich: »Er liebte sie. Was bedeutete daneben die Frage nach der Dauer oder nach der Treue seines Gefühls?« (IV, 11/332). An seinem Sterbebett spricht sie auf seinen Wunsch die 9. Strophe des Passionsliedes »O Haupt voll Blut und Wunden« (IV, 24/466). Tubals Tod trifft sie tief.

Wie man am Ende des Romans aus ihrem Tagebuch erfährt, lebt sie bis zum Tod ihres Vaters auf Hohen-Vietz, das danach von Lewin und Marie übernommen wird, während sie, weil sie »nicht die Tante Schorlemmer ihres Hauses« sein möchte, in das adelige Damenstift Kloster Lindow zieht. Dort ist sie auch gestorben und beerdigt, wie der Grabstein erzählt, den der Erzähler bei einer Besichtigung des inzwischen in Trümmern liegenden Klosters entdeckt (IV, 28/498).

Vitzewitz, Rochus von

Vorfahre der Vitzewitz, der auf Hohen-Vietz saß, als das ursprünglich auf der Hohen-Vietzer Höhe stehende Schloss im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen niedergebrannt wurde. Er baute danach ein bescheidenes Herrenhaus am Fuß der Anhöhe und ergänzte es einige Jahre später um einen Anbau mit dem »Banketsaal« (I, 2/19). Er ist der Vater der ›feindlichen Brüder‹ Anselm und Matthias von Vitzewitz.

Windspiel

Hund des Geheimrats von Ladalinski, ein Windspiel mit Glöckchen am Halsband, das seinen Herrn des Morgens »respektvoll aber verdrießlich« begrüßt (III, 3/32). Erst die Aussicht auf Bisquits hebt seine Stimmung (vgl. III, 3/41). Gewöhnlich liegt es in »seinem Zwischenzustande von Schlafen und Zittern« in einem Korb im Arbeitszimmer des Geheimrats (III, 8/119).

Zabel

Amtsbruder Seidentopfs aus dem benachbarten Dolgelin (vgl. I, 12/108), der mit Turgany und Othegraven zu Seidentopfs Gesellschaft am zweiten Weihnachtstag erscheint. Auf der Fahrt nach Hohen-Vietz fliegt ihm der Hut vom Kopf, was ihn zum komischen Helden von Turganys Erzählung macht (vgl. I, 12/109). Er »entbehrte vieler Gaben«, insbesondere der »Leuchtekraft des Glaubens«, ist mehr für »praktische Seelsorge« und »eben so brav, wie beschränkt und wohlgelitten. Es fehlte nur der Respekt.« (I, 12/111) Er hält die Trauerpredigt für Seidentopf, »gutgemeint und alltäglich« (IV, 28/496).

Ziebold, Frau

Ehefrau von Pfandleiher Ziebold, Gast auf Frau Hulens Abendgesellschaft, eine ehemalige Schauspielerin mit einer »theaterhaften Haltung« (III, 4/52). Auf dem Heimweg lässt sie kein gutes Haar an den Gästen und Frau Hulens Mohnpielen.

Ziebold, Herr

Pfandleiher in Berlin, Gast auf Frau Hulens Abendgesellschaft, neben dem keiner sitzen mag, weil er neben seiner Pfandleihe auch Geld zu Wucherzinsen verleiht. Frau Hulen fühlt sich seinen verstorbenen Eltern, Inhabern eines Tuch-und Strumpfgeschäfts, verbunden, weil sie ihr selbstlos halfen, als ihre alte Mutter krank wurde (vgl. III, 4/49). Ziebold schildert Ulrike Grüneberg zuliebe den Einzug der »Löffelgarde« in Berlin 1806 (vgl. III, 4/58 f.). Mit Fräulein Laacke trägt er ein sentimentales Duett vor, sein »Tremulando« lässt die kühle Stimmung umschlagen (vgl. III, 4/65 f.).

Zierotin, Graf

Schlesischer Graf; tanzt auf der Soirée im Hause Ladalinski mit seiner Frau die Mazurka (vgl. III, 5/78). Das Paar nimmt auch an der Schlittenpartie nach Lehnin teil.

Zunz, Frau

Alte, fast taube Nachbarin von Frau Hulen, die sie zu ihrer Abendgesellschaft  »blos aus Furcht vor ihren Klatschereien« einlädt (III, 4/46).

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