Petöfy, Adam Graf von

Ungarischer Adeliger, siebzig Jahre alt, ein kinderloser Junggeselle, der die Wintermonate regelmäßig in Wien verlebt, wo er und seine Schwester Judith, die »beiden letzten Petöfys«, das Stadtpalais der Familie in zwei getrennten Flügeln und »in getrennter Wirtschaftsführung« bewohnen (I, 5). Den Sommer verbringt er gewöhnlich auf dem Stammsitz der Familie, Schloss Arpa in Ungarn. Seine Leidenschaft ist die Kunst, vor allem das Theater. Die »mit einer ganzen Galerie von Bühnengrößen« bedeckten Wände seines Zimmers verraten den »Theaterhabitué« (2/8).

Er verliebt sich oder interessiert sich »wenigstens bis zur Thorheit« für die junge Schauspielerin Franziska Franz (5/35) und hat einige Wochen lang regen Umgang mit ihr. Seine plötzliche Abreise nach Paris wird von seiner engeren Umgebung als »Flucht« gedeutet (ebd.). Doch im Frühjahr nimmt er den Umgang mit ihr wieder auf, und seine Schwester, die das Kommende ahnt, schreibt einen besorgten Brief an ihren Beichtvater: Ihr Bruder habe es »versäumt, sich zu rechter Zeit seiner Jahre bewußt zu werden«, er sei »der ewig Jugendliche geblieben«, auch neige er dazu, sich gegen alles, »was er ›Vorurtheile des Standes und der Gesellschaft‹ nennt«, aufzulehnen, und liebe es, »seinem Thun den Stempel des Aparten und Adoleszenten« aufzudrücken (8/69). Tatsächlich bittet er sie schon wenig später, Franziska seinen sehr speziellen Heiratsantrag zu unterbreiten: Er wünsche in ihr eine heitere Gesellschafterin für seine letzten Lebensjahre zu gewinnen in einer Ehe ohne Sexualität, in der sie – unter Wahrung der »Dehors« - alle Freiheiten haben solle, ja, er ist sogar überzeugt, wie er seiner Schwester gesteht, dass es ihn glücklich machen würde, seine Frau »von unseren besten Kavalieren umworben« und Schloss Arpa »zum Minnehof à la Wartburg erhoben« zu sehen, an dem sich ein heiteres »Leben voll Kunst, voll Huldigung und Liebesfreude« entfalten solle (10/86). Verliebt in die (theaterhafte) Vorstellung eines Minne- und Musenhofs schlägt er alle Warnungen der Schwester in den Wind, die Hochzeit wird vollzogen, und nach einer Hochzeitsreise, die das Paar nach Italien führt und Franziska lange, ermüdende Stunden in Museen und Galerien beschert, richtet sich das Paar für den Sommer auf Schloss Arpa ein.

Tatsächlich geht der Plan des Grafen in kaum einem Punkt auf: Die Kavaliere bleiben aus, denn Franziska wird von den benachbarten Adeligen geschnitten (vgl. 20/140), und das Paar führt auf Schloss Arpa ein eher eingezogenes Leben. Franziska selbst macht keine Anstalten, sich der angebotenen Freiheiten zu bedienen, sondern richtet ihr Leben ganz auf den Grafen aus, lernt Ungarisch und gibt sich Mühe, sich ganz ihrer neuen Umgebung anzupassen. Der Mangel an gesellschaftlichem Umgang sorgt schon bald für lastende Langeweile, die schließlich ein Besuch Gräfin Judiths und Graf Egons unterbricht.

Als der Graf ahnt und bald darauf gewiss ist, dass Franziska eine Liebesverhältnis mit Egon eingegangen ist, erweist sich schließlich auch der ihn selbst, seine Haltung und seine Gefühle betreffende Teil seines Plans als falsch und die Voraussage seiner Schwester als richtig: »Du bist weder deines Herzens, noch deiner Meinungen sicher, und was dir heut ein Nichts bedeutet, kann dir morgen eine Welt bedeuten.« (10/87) Ihm fehlt, was seine Schwester auszeichnet: »Klarheit und Einheit. Sie war jede Stunde dieselbe, während er auf jedem Gebiete schwankte.« (20/140) Nicht, wie er sich vorgestellt hatte, »Drüberstehen und Anschauungsfreiheit und Vorurtheilslosigkeit« (10/87) bestimmen nun sein Fühlen und Handeln, sondern Eifersucht und gekränktes Ehrgefühl. Er erkennt indes sehr klar, dass nicht Franziska, sondern er selbst sich betrogen hat, und zieht daraus die denkbar schärfste Konsequenz: Er nimmt sich das Leben und macht Franziska zur Erbin seines Besitzes.