Haldern, Waldemar Graf von

Neffe des alten Grafen von Haldern, ungefähr 26 Jahre alt, der sich in Stine verliebt, sie gegen alle Standesregeln heiraten und, um der Konfrontation mit Familie und Gesellschaft zu entgehen, mit ihr in Amerika ein neues Leben anfangen will. Nachdem sie seinen Antrag abgewiesen hat, bringt er sich mit einem Schlafmittel um.

Der schmächtige junge Mann, aufgewachsen in einem lieblosen Elternhaus mit einer dünkelhaften Stiefmutter und einem schwachen Vater, ist durch eine schwere Kriegsverletzung, die er als 19-jähriger Fähnrich erlitten hat, dauerhaft geschwächt. Zwei Jahre hat er im Spital gelegen, »gedoktert und gequient und nun drückt er sich schwach und krank in der Welt herum« (13/86), reist »seit fünf Jahren in Italien umher« (4/27), hat für sein Leben keinen rechten Plan und neigt zu Schwermut. Seine Lieblingsbäume sind die Weiden am Kronprinzenufer in der Nähe der Unterbaumbrücke, die ihm mit ihren zahlreichen toten Ästen Abbild seiner selbst sind: »Halb abgestorben und immer noch grün.« (15/98) Pauline Pittelkow nennt ihn »das ausgepustete Ei« (4/22) und ein »armes krankes Huhn« (6/39), für Stine aber ist er »der beste Mensch von der Welt«, »ohne Falsch und ohne Hochmut, aber auch ohne Glück« (10/55).

Seine Liebe zu Stine, die in seinen Augen »Wahrhaftigkeit, Natürlichkeit und Güte« verkörpert (12/79), gibt ihm eine freilich realitätsferne Zukunftsperspektive: Er möchte alles Standesdenken hinter sich lassen und »bei Adam und Eva wieder anfangen« (12/77), mit Stine in Amerika oder in einem entlegenen »Winkel hier« (12/80) ein »armes und einfaches Leben« führen und sehnt sich danach, »einen Baum zu pflanzen oder ein Volk Hühner aufsteigen oder auch bloß einen Bienenstock ausschwärmen zu sehen« (14/95). Stines Nein gibt seiner Neigung zum Tode neuen Auftrieb. Er schreibt Abschiedsbriefe an sie und seinen Onkel und nimmt sich mit Schlafpulver das Leben. Den Tod durch einen Revolver, den er kurz in die Hand nimmt, verwirft er: »Nein, ich erschrecke davor, trotzdem ich wohl fühle, daß es standesgemäßer und Haldernscher wäre. Doch was tut's! Die Halderns, die mir schon soviel zu vergeben haben, werden mir auch das noch verzeihen müssen. Ich habe nicht Zeit, mich über Punkte wie diese zu grämen.« (15/100)