Crampas, Major von

Der neue »Landwehrbezirkskommandeur« in Kessin (13/121), »verheiratet, zwei Kinder von zehn und acht Jahren« (13/122), »ein schöner Mann« (20/196) mit »rotblonde[m] Sappeurbart« (20/192), zu Beginn der Geschichte 44 Jahre alt, »die Frau ein Jahr älter« (13/122). Ihm eilt der Ruf voraus, »ein Mann vieler Verhältnisse« zu sein (ebd.). Dass er »um eben solcher Dinge willen« ein Duell gehabt hat, von dem eine dauerhafte Beeinträchtigung seines linken Arms herrührt, imponiert Effi (ebd.). Innstetten kennt ihn von früher, beide waren im Deutsch-Französischen Krieg in derselben Brigade (vgl. 13/123).

In Gegenwart seiner stets eifersüchtigen Frau verlegen oder befangen, kann Crampas in ihrer Abwesenheit »ausgelassen und übermütig« sein. »Vollkommener Kavalier, ungewöhnlich gewandt«, urteilt Effi (13/123). Dass er einiges Talent hat, seine »arme Frau zu eskamotieren«, und »immer etwas [erfindet], sie zu Hause zu lassen«, findet sie zwar »häßlich« (18/172), zeigt sich aber für seinen Charme durchaus empfänglich (vgl. 15/144-148). Ein »guter Causeur« (16/152), unterhält er sie bei den gemeinsamen Ausritten mit anspielungsreichen Plaudereien, mit Gedichten und Geschichten seines Lieblingsdichters Heine, steht aber auch nicht an, »Anekdoten und kleine Charakterzüge von Innstetten« zu erwähnen (ebd.), die ein wenig schmeichelhaftes Bild des ehemaligen Kameraden zeichnen und Effi nahelegen, Innstettens Umgang mit den Spukgeschichten um den Chinesen als bewusste ›erzieherische‹ Maßnahme zu deuten (vgl. 16/155-157).

Gesellschaftliche Normen haben für Crampas keine bindende Kraft. Ihre Geltung hält er für »zufällig« und ist überzeugt, dass das Glück gerade »jenseits davon« liegt (27/274). »Gesetzlichkeiten« findet er »langweilig« (16/150), plädiert für »Leichtsinn«, ohne den »das ganze Leben keinen Schuß Pulver wert« sei, und vertraut darauf, dass »der Himmel […] nicht gleich einstürzen [wird]« (16/151). In Innstettens Augen ist er eine »Spielernatur«: »Er spielt nicht am Spieltisch, aber er hazardiert im Leben in einem fort« (18/172).

Seine Liebesaffäre mit Effi bestätigt diese Einschätzung. Er nimmt sie als ein riskantes Spiel, dessen Gewinn den hohen Einsatz lohnt: »Leichtsinn ist das beste, was wir haben.« (27/275) Aus dem Spiel Ernst zu machen, wie Effi wünscht, liegt ihm fern, und der Grund, den er dafür angibt, die Rücksicht auf seine Frau, wird durch seinen Tod im Duell – wenn nicht schon durch das Leiden seiner Frau an seinen zahlreichen Affären – ad absurdum geführt (vgl. ebd.).

Als er nach Jahr und Tag, als Wüllersdorf ihm Innstettens Forderung überbringt, den Spieleinsatz zahlen muss, ringt er nur kurz um Fassung, »und von da ab«, berichtet Wüllersdorf erschüttert, »war alles an ihm wehmütige Resignation. Es ist mir ganz sicher, er hat das Gefühl, aus der Sache nicht heil herauszukommen, und will auch nicht. Wenn ich ihn richtig beurteile, er lebt gern und ist zugleich gleichgültig gegen das Leben. Er nimmt alles mit und weiß doch, daß es nicht viel damit ist« (28/282 f.).

Innstettens Kugel trifft ihn tödlich, sterbend möchte er seinem Kontrahenten noch etwas sagen, bringt aber nur noch die Worte »Wollen Sie ...« hervor (28/286). Der Blick des Sterbenden geht Innstetten nach, er scheint ihm sagen zu wollen: »Innstetten, Prinzipienreiterei ... Sie konnten es mir ersparen und sich selber auch.« Und Innstetten »klingt so 'was in der Seele«, dass er »vielleicht recht [hatte]« (29/287).

Die charakterlichen Merkmale der drei Hauptfiguren des Romans sind präzise aufeinander bezogen: Crampas‘ Neigung zu »Leichtsinn« korrespondiert mit Effis Lust an Abenteuer und Gefahr (vgl. 4/37), sein Vertrauen darauf, dass »der Himmel […] nicht gleich einstürzen« wird, mit ihrer Zuversicht, dass es den »Kopf […] ja nicht gleich kosten« wird (4/37). Innstetten, der »Mann von Prinzipien« (4/38), steht mit seiner unbedingten Korrektheit und seiner entschiedenen Anerkenntnis gesellschaftlicher Normen in deutlichem Gegensatz zu beiden. Die Merkmalsrelationen zwischen den drei Figuren illustriert beispielhaft der kurze Disput über die Robbenjagd (16/150 f.).