Johanna

Innstettens Hausmädchen, eine »hübsche, nicht mehr ganz jugendliche Person« von »stattliche[r] Fülle« und dichtem, flachsblondem Haar (6/55), die Effi auch als Zofe dient. Sie stammt aus der Pasewalker Gegend (vgl. 6/56), hat aber einen »ausgesprochenen großstädtischen Schick« (24/241) und einen ausgeprägten Sinn für Vornehmheit. In Kessin munkelt man, dass sie das Kind einer inzwischen »längst pensionierte[n] Größe der Garnison Pasewalk« sei, was ihre »vornehme Gesinnung« und »die besondere Plastik ihrer Gesamterscheinung« erkläre (24/243).

Auch wenn Roswitha Effis Herzen näher steht als sie, genießt sie doch Effis wie Innstettens Wertschätzung, »weil sie sehr geschickt und brauchbar und der Männerwelt gegenüber von einer ausgesprochenen und selbstbewußten Reserviertheit« ist (ebd.). Sie lebt »ganz in dem Hochgefühl, die Dienerin eines guten Hauses zu sein« (26/267), und fühlt sich der übrigen Dienerschaft des Hauses überlegen, nicht zuletzt Roswitha, die in ihren Augen eine »komische Figur« ist, gegen die Neid zu hegen »nichts anderes gewesen [wäre], wie wenn sie Rollo um seine Freundschaftsstellung beneidet hätte« (14/135). Auf diesem »Überlegenheitsgefühl« fußt die »Freundschaft«, die sie mit Roswitha hält (26/266) und die durch die gemeinsame Liebe zu Annie und den Umstand befördert wird, dass beide sich die »Behandlung und fast auch Erziehung« des Kindes teilen. Dabei fällt Roswitha das »poetische Departement, die Märchen- und Geschichtenerzählung« zu, Johanna »dagegen das des Anstands«, so dass es auch hier nicht zu Rangstreitigkeiten kommt (26/267).

Beim Umzug nach Berlin nimmt Johanna das Chinesenbildchen mit, das sie einst an einen ausgedienten Stuhl im Obergeschoss des Kessiner Hauses geklebt hatte, und verwahrt es in ihrem Portemonnaie (vgl. 24/245). Bei der Suche nach einem Verband für Annie veranlasst sie Roswitha, Effis Nähtischchen aufzubrechen, wodurch Effis Korrespondenz mit Crampas entdeckt wird (vgl. 26/270).

Dass Innstetten sie nach dem Duell als erste ins Vertrauen zieht und sie beauftragt, Annie den Verlust der Mutter vorsichtig beizubringen, bewegt sie tiefer als das Mitgeteilte selbst, dies umso mehr, als Innstetten sie bittet, darauf zu achten, »daß Roswitha nicht alles verdirbt«. Erfüllt »von Stolz und Überlegenheit […], ja beinah von Glück«, küsst sie Instettens Hand. Effis Schicksal scheint sie zwar nicht ganz kalt zu lassen, aber was sie »über jedes andere hinaus« beschäftigt, ist doch »der Triumph einer gewissen Intimitätsstellung zum gnädigen Herrn« (29/289). Als Roswitha ihr wenig später auf den Kopf zusagt, dass sie »in den gnäd'gen Herrn verliebt« sei, schlägt sie »eine krampfhafte Lache auf« (29/293).

Nach Roswithas Weggang ist sie allein für Annie zuständig. Drei Jahre später, beim Wiedersehen von Mutter und Tochter, begleitet sie Annie bis zu Effis Wohnung, lehnt es aber ab, mit hinaufzugehen, sondern wartet auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf ihre Rückkehr (vgl. 33/323).