Brunken, Edde

Edde ist ein klein gewachsener Maler, der an der »Antwerpener Akademie« (II, 15) gelernt hat. Er ist »gänzlich verkrüppelt« (II, 9) und Sohn eines Seekapitäns. Als Kind war er ein kleiner »Teufel« (II, 10). Arnold lernt ihn kennen, als er fast dreißig Jahre alt ist. Er ist immer noch ein wilder Bursche. Sein Temperament steht in Gegensatz zu seinem Körper. Allerdings besitzt er »Humor« (II, 10), womit er alles zu überwinden scheint. Arnold sieht in ihm einen herzensguten Menschen, der sich zu »Pathos« (II, 10) hinreißen lässt und dadurch manchmal, wenn ihm jemand etwas Böses will, eine Angriffsfläche bietet.

Arnold lernt Edde bei einer solchen Gelegenheit kennen: Da der Regierungsassessor ihn im Rahmen eines Gesprächsabends herabwürdigend behandelt, duelliert sich Edde mit diesem und wird ungefährlich verletzt. Arnold kümmert sich um ihn und lernt ihn so besser kennen. Daraufhin führt er Edde ins Haus seines Onkels ein und stellt ihn dessen einziger Tochter Gertrud vor. Edde malt Gertrud, dabei necken sich die beiden gegenseitig, was für Gertrud eine »harmlose Unterhaltung«, für Edde aber »nicht ohne tiefere Folgen« ist (II, 12). Edde verleiht seinen Empfindungen in einem Bild, einer »Studie zur Selbsterkenntnis« (II, 14), Ausdruck. Hier wird deutlich, dass er davon ausgeht, dass die Liebe zu einem Behinderten wie ihm nicht kommen wird, und er sich von Gertrud eher verspottet fühlt. Arnold gelingt es allerdings, Edde aufzumuntern, indem er auf seine hübschen Augen verweist.

Am Tag nach diesem Gespräch mit Arnold über das Bild, es ist Juni, findet eine »Wald- und Bergpartie auf Antrieb Gertruds« (II, 12) statt: Edde ist an diesem Tag gut aufgelegt und revidiert seine pessimistische Stimmung des Tages zuvor. Das Leben ist, wie er zu Arnold sagt, »doch schön« (II, 16). Während der Assessor mit anderen eine Marmorader untersuchen geht, bleibt Edde bei Arnold. Es überkommt ihn die Lust zu klettern. Er ist im höchsten Gipfel, singt ein Lied, verstummt aber, als Gertrud mit einer Schar Kinder kommt. Die Kinder wollen Geschichten erzählt bekommen. Edde klettert vom Baum und fängt an, die Geschichte von der Prinzessin und dem Ungeheuer zu erzählen, in der sich sein Verhältnis zu Gertrud spiegelt. Getrud erkennt hier, dass Edde in sie verliebt ist, was sie Arnold – vermeintlich unter vier Augen – erzählt. Edde hat indes die zurückweisende Reaktion Gertruds auf seine Geschichte doch mitangehört. Für ihn entsteht daraus ein Dilemma: »Seele« und »Kunst verlangen nach der Schönheit, aber die langfingrige Hand des Buckligen darf sie nicht berühren« (II, 21). Auf der Rückfahrt sitzt Edde gegenüber von Getrud, die neben ihrem späteren Mann, dem Assessor, sitzt. Dadurch tief gedemütigt, flüchtet Edde noch in derselben Nacht, meldet sich vier Wochen später per Brief bei Arnold, dass er jetzt in »einer größeren Stadt des mittleren Deutschlands« (II, 22) wohnen wird. Im Anschluss bricht der Kontakt zwischen ihm und Arnold ab.

Vier Jahre später ist Arnold in eben dieser Stadt und will Edde besuchen, der zwischenzeitlich Professor ist und einen Pflegesohn hat. Beim ersten Wiedersehen wird von Arnold auf die »groteske Gestalt« Eddes verwiesen (II, 23). Er hat immer noch einen »braunen struppigen Vollbart«, ist aber so »frisch und kräftig« (II, 23), wie Arnold ihn noch nie gesehen hat. Außer Paul leben Eddes Schwester Martha und deren Tochter Marie in seinem Haus, in dem es, wie Arnold sagt, »heiter« zugeht (II, 24). In einem Gespräch mit Arnold unter vier Augen bewertet Edde rückblickend seine damalige Flucht als »heilbringende Nacht« (II, 26). Er ist, so erzählt er Arnold weiter, damals zunächst zu einer Trinkgrube gekommen. Unter dem Eindruck der vorherigen Erlebnisse dachte er darüber nach sich umzubringen. Dass er es nicht tat, lag an einem Schuh, der vor der Grube lag und der, wie Edde allerdings erst später erfährt, einem jungen Burschen gehörte, der einige Stunden zuvor versucht hatte sich zu ertränken. Edde dachte darüber nach, woher der Schuh kommt. Darüber verging die Nacht. Im Morgenlicht erkannte er seinen Zustand, sah seine dreckigen Kleider. Daraufhin »schauderte« es ihn, ob vor »Kälte oder Scham« weiß er nicht mehr zu sagen, und er machte sich daran, die Spuren seiner »Torheit nach Möglichkeit zu vertilgen« (II, 27).

Als er im Anschluss vom Schulmeister und dessen Frau zum Morgenkaffee eingeladen wurde, erfuhr er die Geschichte des Schuhs. Der Schulmeister gab Zeichenunterricht. Einer seiner Schüler, der sehr begabt war und zudem von des Schulmeisters Bruder, selbst professioneller Maler, gefördert wurde, wollte Maler werden. Der Vater des Schülers war Bauer und verbot ihm die Berufswahl. Der Junge versuchte sich in der Folge in der Trinkgrube zu ertränken, wurde aber gerettet. Der Schuh stammte somit von ihm. Edde erkannte sich in der Situation des Jungen wieder – beide hat die »solide Desperation« (II, 29) geleitet – und beschloss, den Jungen zu suchen und ihm zu helfen.

Edde nahm bei dem Schulmeister Quartier, verschwieg aber zunächst, dass er Maler ist. Er suchte die Nähe zu dem Vater des Schülers, gewann dessen Vertrauen. Dieser forderte ihn auf, einmal mit seinem Sohn zu reden, der seit dem Selbstmordversuch »wie ausgewechselt« (II, 30) war und auf die Fragen des Vaters nur noch mit vollkommener Gleichgültigkeit reagierte. Edde offenbarte sich in diesem Moment dem Bauern, um ihm zu beweisen, dass mit der Malerei sehr wohl Geld zu verdienen sei. Der Bauer reagierte zunächst abweisend. Nicht zuletzt verwies er darauf, dass sein Sohn schließlich »gesunde Gliedmaßen« habe, somit einer ordentlichen Arbeit nachgehen könne. Letztlich gelang es Edde indes doch, Pauls Vater davon zu überzeugen, dass er mit Paul reden und dass dieser, so er denn will, auch Maler werden könne. Nachdem mit Paul alles abgemacht war, entschloss sich Edde hier wohnen zu bleiben, und fragte seine verwitwete Schwester, ob sie nicht zu ihm kommen will.

Am letzten Abend seines Aufenthaltes saß er mit dem Alten, dem Vater Pauls, vor der Toreinfahrt. Pauls Vater bekam Besuch von seiner Tochter, die sich über ihren Mann, den Trunkenbold, beklagte. Nachdem der Bauer seiner Tochter geraten hatte, ihren Ehemann zu »schleißen«, d.h. nach ihrem Willen zu formen, entschloss Edde sich, seine »eigene werte Person zu schleißen« (II, 37), demnach nicht mehr aufgrund seines Körpers in Selbstmitleid zu verfallen. Diese Einsichten münden in die Formulierung, die Arnold zu Beginn der Rahmenhandlung aufgreift: Man »soll seine Leben aus dem Holze schnitzen, das man hat« (II, 37). 

Aus dieser Einsicht heraus ist Edde in der Erzählgegenwart der Binnenhandlung so zufrieden, dass er sich sogar trauen würde, sich wieder mit Gertrud zu treffen. Als Arnold daraufhin erzählt, dass sie den Assessor geheiratet hat, stutzt er gleichwohl kurz und bekundet noch einmal Bedenken wegen dessen Charakters, vielleicht auch seines Standes. Wie er Arnold schließlich zeigt, hat er das Bild, seine »Studie der Selbsterkenntnis«, zwischenzeitlich überarbeitet. Sie zeigt mittlerweile Paul und Marie, die vor einer Statue der Venus in »harmloser Weltvergessenheit« knien, während Edde sich auf eine Bank in den Hintergrund gemalt hat, von wo er »unverkennbar in heiterer Behaglichkeit« (II, 38) dem Paar zuschaut. Im Bild spiegelt sich somit Eddes Entwicklung, der das »liebe Ich aus dem Vorder- in den Hintergrund« gestellt hat (II, 39). Eine eigene Liebesbeziehung bleibt ihm somit verwehrt, womit er sich letzthin einverstanden zeigt und was er durch die Anteilnahme an einer Liebesbeziehung anderer zu kompensieren versucht. Wie Arnold berichtet, steht er in den letzten zwei Jahren, die seit seinem Besuch bei Edde vergangen sind, in stetem Kontakt zu Edde. Dessen Briefen nach zu urteilen, haben Paul und Marie zueinander gefunden.