Möhring, Adele (geb. Printz)

Mutter von Mathilde, Witwe. Sie wohnt mit Mathilde in Berlin in der Georgenstraße 19 in einer 3-Zimmerwohnung, von der sie seit dem Tod ihres Mannes ein Zimmer untervermietet. Adele Möhring ist eine einfache Frau, die ihrem Vermieter Schultze zufolge »höchstens eine Müllertochter sein« kann (1/7). Sie ist sparsam und lebt in der beständigen Sorge, in finanzielle Not zu geraten, daher ist eine ihrer Lieblingswendungen »wo soll das herkommen« (3/20). Frau Möhring hat nicht oder doch nur kurz die Schule besucht, denn ihr Vater »wollte von Schule nichts wissen« (3/15). Ihre mangelnde Bildung äußert sich u. a. darin, dass sie Fremdwörter nicht versteht, nach dem Theaterbesuch die Handlung des Stücks wie ein Geschehen aus der Wirklichkeit behandelt und Schultze, der zwar reich, aber kein Akademiker ist, für den höchsten Gast der Verlobungsfeier hält. Die Chaiselongue, die Mathilde für ihre rheumageplagte Mutter angeschafft hat, benutzt sie fast nie, um das gute Möbelstück zu schonen. Mathilde hält ihr vor, »überhaupt so was Kleines und Aengstliches« zu haben, und fordert sie auf, »sich nicht zu klein [zu] machen« (10a/65). Für Frau Möhring ist umgekehrt Mathildes Entscheidung, die alte Runtschen, die Hugo nicht sehen mag, in die Küche zu verbannen und statt ihrer Ulrike bedienen zu lassen, eine Form, sich größer machen zu wollen, als man ist; sie sieht darin einen unangebrachten Hochmut und hat Mitleid mit Frau Runtschen. Mathilde ist die Kleinbürgerlichkeit ihrer Mutter oft ein wenig unangenehm. Sie macht ihr Vorwürfe: »Sieh, Du schadest uns. Ich habe Dir neulich gesagt, wir seien keine ›kleinen Leute‹, die Runtschen sei kleine Leut‘, und das ist auch richtig, aber wenn Du immer gleich so weimerst, dann sind wir auch ›kleine Leute‹.«(10b/68) Deshalb möchte Mathilde die Mutter auch nicht zu Weihnachten nach Woldenstein einladen; zu groß ihre Sorge, Frau Möhring könnte sich (und damit auch Mathilde und Hugo) in der Gesellschaft blamieren: »Nein, dazu ist mir Mutter zu schade, daß sie sie hier auslachen. Und dann Hugo auch unsretwegen.« (14/101)

Den Haushalt betreffende Entscheidungen (wie die Wiedereinstellung der Runtschen) überlässt Frau Möhring weitgehend ihrer pragmatischen Tochter. Auch als Hugo das Zimmer besichtigt, übernimmt Mathilde, die etwas später hinzukommt, »wie selbstverständlich das Wort« (2/11). Nach der Lektüre des Briefes, in dem Frau Möhring sich für die Weihnachtsgeschenke bedankt, nennt Mathilde sie eine »weimrige, alte Frau«, aber sie sieht auch »das Gute, daß sie mir immer freie Hand gelassen hat« (15/110). Für Rybinski ist Frau Möhring »doch noch sehr Mutter aus dem Volk«, und Hugo, dem es gesagt wird, widerspricht dieser Einschätzung nicht (5/29). In der Woche nach der Verlobung, in der Hugo und Mathilde täglich ausgehen, würde Hugo denn auch lieber ohne Frau Möhring gehen, aber zur Weihnachtspantomime kommt sie nach anfänglicher Unschlüssigkeit mit, als sie hört, dass ›Schneewittchen‹ gegeben wird (10a/61). Beim Droschkenausflug am nächsten Tag war es »rührend die alte Frau zu sehn; am meisten freute sie sich über die vielen Flaggen und Fahnen, aber blos über die großen. Von den vielen kleinen meinte sie, sie sähen aus wie Taschentücher auf der Leine« (ebd.).

In Unkenntnis von Hugos Krankheit sieht Frau Möhring in ihrem Brief an die Tochter seinen Tod voraus und verursacht Mathilde damit ein ungutes Gefühl (vgl. 15/109 f.). Nach Hugos Tod wünscht sie sich, dass Mathilde wieder heiratet, und versucht, von der Tochter intime Details aus ihrem Eheleben zu erfahren, was Mathilde sehr unpassend findet (vgl. 17/119 und 123). Frau Möhring bedauert auch, dass Mathilde das Angebot des Grafen, bei ihr als Hausdame zu arbeiten, nicht angenommen hat, ganz offensichtlich mit dem Hintergedanken, dass auch mehr daraus hätte werden können – ein Gedanke, den sie aber verwirft, als sie hört, dass der Graf katholisch ist (vgl. 17/121). Für Frau Möhring bleibt es am Ende weitgehend beim Alten: Sie wohnt mit Mathilde in der Georgenstraße, nur dass sie jetzt nicht mehr untervermieten müssen, weil Mathilde als Lehrerin genug Geld verdient, um beide zu ernähren.