Der Stechlin (1897/98)

Theodor Fontane: Der Stechlin. Herausgegeben von Klaus-Peter Möller. Berlin: Aufbau 2. Aufl. 2011 (Große Brandenburger Ausgabe. Das erzählerische Werk. Bd. 17). – Nachweise von Zitaten erfolgen unter Angabe der Kapitel- und Seitenzahl (z.B. 4/53 = 4. Kapitel, S. 53).

Die erzählte Geschichte erstreckt sich über fast genau ein Jahr, vom 3. Oktober bis zum 20. September, und lässt sich aufgrund einer im Text gegebenen Zeitangabe, dem Einzug der Barbys in das Haus am Kronprinzenufer im »Herbst fünfundachtzig«, vor »fast zehn Jahren« (12/141), auf die Jahre 1894/95 oder 1895/96 datieren.  

Agnes

Enkelin der alten Buschen, das uneheliche Kind von Buschens Tochter Karline. Agnes ist ca. 10 Jahre alt, hat blondes wirres Haar und ist, wie Dubslav bemerkt, »ein hübsches Kind« (23/268). Als er krank ist, lässt er sie kommen, weil er darauf rechnet, dass seine Schwester Adelheid sich durch ihre Gegenwart beleidigt fühlen und abreisen wird (vgl. 39/414-420). Tatsächlich sind schon die roten Kniestrümpfe, die Agnes strickt und trägt, für Adelheid »ein Zeichen« (39/418). Ermyntrud Katzler sieht für Agnes einen Platz in dem geplanten Heim »für verwahrloste Kinder« vor (42/441), und auch Dubslav selbst vermutet, dass das Kind früher oder später nach seiner Mutter geraten wird (39/422). Agnes bleibt für mehrere Wochen auf Stechlin, strickt, schaut Bilderbücher an oder spielt mit den Exponaten aus Dubslavs ›Museum‹, die er ihr hat bringen lassen, damit sie sich nicht langweilt. Sie verbringt »glückliche Tage«, und Dubslav erfreut sich an ihrem Anblick, aber »auf die Dauer [war es] doch nicht viel was andres, als ob ein Goldlack am Fenster gestanden oder ein Zeisig gezwitschert hätte« (40/425 f.). Dass ihr Aufenthalt im herrschaftlichen Hause nicht von Dauer ist, weiß auch Agnes, denn nach Dubslav Tod bricht sie in der Kirche in Tränen aus und sagt: »Nu is allens ut; nu möt ick ook weg.« (43/450) Armgards Idee, sich des Kindes anzunehmen, widerspricht Woldemar mit der Begründung, dass man ›solche Kinder‹, »ganz im Gegensatz zur Pädagogenschablone«, am besten sich selbst überlasse (45/459).

Alten-Friesack (Alten-Frisack), Edler Herr von

Ein hochbetagter Adeliger aus der Grafschaft. Er hat ein »Götzengesicht« und gilt als sehr hässlich; von Zühlen betont jedoch die »Erquickung, einem Gesicht zu begegnen, das in seiner Eigenart eigentlich gar nicht unterzubringen sei« (20/226). Unter den Konservativen ist man sich weitgehend einig, dass Alten-Friesack – »von einem gewissen Standpunkt aus auch mit Fug und Recht – der Stolz der Grafschaft« sei (20/225). Deshalb und weil er sich trotz seines Alters nach Rheinsberg begeben hat, erhält er nach der verlorenen Wahl den Vorsitz an der Tafel, obwohl allen Anwesenden klar ist, dass er kein Redner ist. Tatsächlich muss selbst den Toast ein anderer (Baron Beetz) übernehmen, während der alte Herr seinerseits nur bestätigend sein Glas erhebt (vgl. 20/226). Auch versäumt er es trotz der Erinnerung von Beetz', die Tafel rechtzeitig aufzuheben, »denn wenn er mal saß, saß er« (20/230). Auf der Trauerfeier für Dubslav erscheint »der jeden Ordensschmuck verschmähende« Alte in »einem hochkragigen und uralten Frack« und zieht doch die Aufmerksamkeit der anderen Trauergäste auf sich (43/446).

Barby, Armgard Comtesse von

Die jüngere Tochter des Grafen Barby und spätere Frau von Woldemar. Sie ist ungefähr 20 Jahre alt und lebt mit ihrem Vater und ihrer Schwester Melusine seit zehn Jahren am Kronprinzenufer in Berlin. Armgard ist in London geboren, hat aber nur Kindheitserinnerungen daran, denn sie war erst sechs, als die Familie aus London wegzog (vgl. 22/255). Die um elf Jahre ältere Melusine hat nach dem frühen Tod der Mutter Armgards Erziehung übernommen (vgl. 25/285). Über Armgards Äußeres erfährt man nur, dass sie ein wenig größer ist als Melusine (vgl. 11/130) und bei ihrer Hochzeit eine »blasse, schöne Braut« (36/368).

Die beiden Schwestern werden oft miteinander verglichen. So schreibt Woldemar in seinem Tagebuch über Melusine und Armgard: »An der einen alles Temperament und Anmut, an der anderen alles Charakter, oder, wenn das zu viel gesagt sein sollte, Schlichtheit, Festigkeit.« (12/135 f.) Armgards Qualitäten sind demnach weniger offensichtlich, und so fallen die meisten Vergleiche zwischen den beiden Schwestern meistens zu Melusines Gunsten aus. Schon zu Beginn spricht Rex, als er Czako von Woldemars Besuchen im Hause der Barbys berichtet, nahezu ausschließlich von der ›reizenden‹ Melusine (vgl. 10/124 f.); Graf Barby gibt seinem Diener Jeserich gegenüber zu, dass man »mit Armgard und nun gar erst Melusine« (11/133) mehr Unterhaltung hat als mit ihm selbst; Dubslav stellt schon nach einem Tag fest, dass sich in seiner Vorstellung »die Gräfin immer vor die Comtesse schiebt« (30/332), und vor allem Czako kann nicht verstehen, dass Woldemar sich für Armgard entscheidet: »Der kleine Finger der Gräfin […] ist mir lieber als die ganze Comtesse.« (33/352)

Trotz der ständigen Vergleiche besteht aber keinerlei Feindschaft oder unselige Konkurrenz zwischen den Schwestern, im Gegenteil. Als sie mit ihren neuen Hüten vorm Spiegel stehen, lachen schließlich beide, »weil jede der andern ansah, wie hübsch sie sich fand« (11/130). Nach der Verlobung küsst Melusine die jüngere »mit einer Herzlichkeit, als ob sie selber die glückliche wäre« (26/290), und Armgard lacht umgekehrt darüber, dass es bei ihrem Besuch in Stechlin mit Melusine »wieder das Herkömmliche« war und zuerst Dubslav, dann Lorenzen dem Charme der älteren Schwester erlagen (32/339). Sie selbst war, Woldemar zufolge, vor dem Besuch »in Furcht und Aufregung wie vor einem Examen« (26/294).

Gewöhnlich ist Armgard aber ruhiger und besonnener als Melusine, sie »hat so was Ernstes« (30/331) und »so was Unberührtes«, wie Dubslav feststellt (39/413). Woldemar erinnert sie an die Armgard aus Schillers »Wilhelm Tell«, die »dem Landvogt so mutig in den Zügel fällt« (12/136). Ist Melusine dabei, so bleibt sie oft eher schweigsam, wenn diese jedoch abwesend ist, erweist sie sich als gewandte Gastgeberin, die das Gespräch zu lenken versteht (vgl. 13/152 f.). Ihr Klavierlehrer Wrschowitz ist voller Bewunderung für sie und wirft ihr huldigende Blicke zu (13/155). Über Baronin Berchtesgadens Sinn für Skandale kann Armgard sich nur wundern, da sie selbst Gesellschaftsklatsch nicht mag und ihr alltägliches Leben viel interessanter findet »als diese sogenannte Pikanterie« (24/271). Sie scheut überhaupt davor zurück, schlecht über andere zu reden, selbst dann, wenn diese ihr unsympathisch sind wie Adelheid (vgl. 32/340 und 343). Im Unterschied zu Melusine ist Armgard vollkommen uneitel, kritisiert die Ältere auch schon mal für ihren Hochmut (vgl. z.B. 32/343) und erklärt Woldemar, dass sie, obwohl von Melusine erzogen, die Schwester nun nachträglich ihrerseits mitunter erziehen müsse (vgl. 25/285). Mit Bezug auf Cujacius spricht Armgard sich ganz allgemein gegen zu viel Selbstbewusstsein aus (vgl. 25/284), denn ihre Überzeugung ist: »Man erringt sich nichts. Alles ist Gnade.« (25/289) Könnte sie sich aber etwas erringen, so würde sie für andere leben »und der Armut das Brot geben« wollen – eine Aussage, auf die Melusine sehr gerührt reagiert und die der Verlobung mit Woldemar unmittelbar vorangeht (ebd.).

Dubslav ist »sehr glücklich über die Partie«, nicht zuletzt macht der Reichtum der Familie Barby mit ihren Elbgütern und den Besitzungen in Graubünden ihm einigen Eindruck, denn »höher hinauf geht es kaum«, wie er an den frisch verlobten Woldemar schreibt (26/291). Er freut sich, dass Woldemar durch die Heirat »zu Vermögen und Einfluß« kommt und »die Stechlins wieder 'raufbringen« kann (ebd.), und heißt Armgard in seiner improvisierten Tischrede sehr herzlich in der Familie willkommen (vgl. 30/332 f.). Dass die Verbindung sich aber in erster Linie auf Liebe gründet und wie glücklich Armgard mit Woldemar ist, erkennt Melusine aus einem Brief der Schwester von der Hochzeitsreise und an »allerhand kleinen, ihrem Charakter eigentlich fernliegenden Übermütigkeiten« (38/400). Auch Dubslav fragt sich nach der Lektüre des munteren Briefes verwundert, »wer der blassen Comtesse das zugetraut hätte« (38/402).

Während der Hochzeitsvorbereitungen spricht Armgard sich gegen Woldemars baldigen Austritt aus der Armee aus: »Nein Woldemar, nicht jetzt schon Abschied; ich bin sehr für Freiheit, aber doch beinah' mehr noch für Major.« (33/344) Doch nur wenige Monate nach Dubslavs Tod stellt sie fest, dass das großstädtische Leben in Berlin ihr nicht mehr so viel Freude macht und sie sich nach Stechlin sehnt; von »Major« ist keine Rede mehr. Woldemar ist glücklich, denn was »Armgard da sagte, war ihm aus der eignen Seele gesprochen« (46/461). Der Roman endet am Vortage ihres für den 21. September geplanten Einzuges auf Stechlin.

Barby, Graf von

Vater von Melusine und Armgard, ein begüterter, politisch liberal eingestellter Botschaftsrat a. D. von Mitte 60 und seit ca. 15 Jahren verwitwet. Er lebt mit seinen Töchtern in Berlin am Kronprinzenufer in einer Mietwohnung, die, gemessen an der gesellschaftlichen Stellung der Familie Barby, zwar nicht besonders groß ist, an der sie aber hängen und die sie deshalb nicht aufgeben wollen (vgl. 11/127).

Graf Barby wurde, wie rückblickend erzählt wird, im Juli 1830 »auf einem der an der mittleren Elbe gelegenen Barbyschen Güter« geboren, kam im Alter von zwölf an die Ritterakademie, trat mit 18 ins Regiment Garde du Corps ein und war mit 30 Rittmeister (12/144). Bei einem Kuraufenthalt in Ragaz freundeter er sich mit dem schweizerischen Freiherrn von Planta an und verliebte sich in dessen Tochter und Erbin, seine spätere Frau. Bald darauf gab er den militärischen Dienst zugunsten des diplomatischen auf und siedelte nach London über (vgl. 12/144 f.). Dort lebte Barby fast 20 Jahre und dort wurden im Abstand von ca. elf Jahren auch die beiden Töchter Melusine und Armgard geboren. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau war dem Grafen »der Aufenthalt an der ihm so lieb gewordenen Stätte« jedoch vergällt (12/145). Er lebte mit seinen Töchtern eine Zeit lang in der Schweiz und in Italien, wo Melusine den Grafen Ghiberti heiratete, kehrte aber nach Melusines Scheidung nach Deutschland zurück und nahm Wohnung am Kronprinzenufer in Berlin. Hier führt er nun mit seinen beiden Töchtern seit ungefähr zehn Jahren ein eher zurückgezogenes Leben. Zum engsten Kreis des Hauses gehören die Berchtesgadens, die der Graf noch aus Londoner Zeiten kennt, Hofprediger Frommel, Dr. Wrschowitz und seit Kurzem Woldemar von Stechlin (vgl. 12/146).

Der Graf ist, Rex zufolge, »ein distinguierter alter Herr« (10/123), er hat ein »gutes altes Gesicht« (13/156), und selbst Adelheid muss sich eingestehen, »daß sie sich den Alten eigentlich schlimmer gedacht habe« (43/452). Äußerlich ähnelt er Dubslav, wie nicht nur Woldemar, sondern auch Czako und Rex feststellen (vgl. 12/136 und 21/243). Woldemar ist des Lobes voll und vergleicht den Grafen auch charakterlich mit seinem eigenen Vater: »dasselbe humane Wesen, dieselbe Freundlichkeit, dieselbe gute Laune« und vor allem »keine Spur von Selbstsucht« (12/136). Die wichtigste Ähnlichkeit ist für Woldemar aber »die gesamte Hausatmosphäre, das Liberale«, auch wenn Dubslav es für seine Person bestreiten und darüber lachen würde (ebd.). Auch Czako ist überzeugt: »Der alte Graf ist lange nicht so liberal und der alte Dubslav lange nicht so junkerlich, wie’s aussieht.« (21/244) Anders als Dubslav war Graf Barby jedoch viel in Europa unterwegs und ist ein »Weltmann«, der weiß, »daß hinterm Berge auch noch Leute wohnen. Und mitunter noch ganz andere.« (12/137) Czako meint aber, der Graf sei, Botschaftsrat hin oder her, letztlich »doch auch bloß ein unexaminierter Naturmensch«, und gerade das gebe ihm seinen Charme (21/243).

Graf Barby hat eine Schwäche dafür, Geschichten von anderen Leuten zu hören. So lauscht er mit Vergnügen den Nachrichten vom Hofe, die die Baronin Berchtesgaden in vollendeter Indiskretion erzählt (vgl. 24/270), und auch der ihm ansonsten nicht sonderlich sympathische Dr. Pusch ist ein gern gesehener Gast, weil er Kontakte zu Ministerien und Gesandtschaften hat und »aus aller Welt Enden« zu berichten weiß (34/353). Dubslavs Vermutung, dass gräflichen Familien wie den Barbys »das Fühlunghalten nach oben« immer sehr wichtig sei, findet Woldemar falsch (26/292). Für ihn sind die Barbys »doch anders, die suchten nicht Fühlung nach oben und nicht nach unten, die marchandierten nicht mit links und nicht mit rechts, die waren nur Menschen, und daß sie nur das sein wollten, das war ihr Glück und zugleich ihr Hochgefühl« (26/293).

Gesundheitlich ist Graf Barby nicht in der allerbesten Verfassung; er hat starke neuralgische Schmerzen im rechten Bein, das er deshalb auch in Gesellschaft gelegentlich hochlagern muss (vgl. 35/360). Offenbar hat er auch eine Vorahnung seines baldigen Ablebens, denn nach Dubslavs Beisetzung in Stechlin erklärt er seine Begeisterung für die Frühlingslandschaft damit, dass er als erster davon werde Abschied nehmen müssen (vgl. 44/454).

Barby, Melusine von Melusine

Beetz, Baron von

Ein Adliger aus der Stechliner Gegend und Parteigenosse Dubslavs, den er am Wahltag in Rheinsberg trifft. Beetz, »ein Anzweifler des Philosophen von Sanssouci [Friedrichs II.]« (19/221), schwärmt für sakrale Kunst und ist davon überzeugt, dass die »Frische«, die Gnewkow in den kühlen italienischen Kirchen empfunden hat, von den kirchlichen Kunstwerken ausgegangen ist (19/220). Beetz hält außerdem gern einen »in der ganzen Grafschaft längst bekannten Vortrag über die ›schiefe Ebene‹ oder ›c'est le premier pas qui coute‹«, nimmt am Wahltag jedoch davon Abstand (19/221). Beim Abendessen fällt ihm, da er den hochbetagten Herrn von Alten-Friesack zu seinem Platz geführt hat, »die Rolle des Festordners« zu, die hauptsächlich darin besteht, all das zu tun, wozu Alten-Friesack nicht mehr imstande ist, z.B. den Toast zu sprechen und für Gundermanns Rede um Ruhe zu bitten (20/227). Beetz ist nach Dubslavs Meinung neben von Zühlen einer der besten, den man einladen könnte, wenn man repräsentieren will, allerdings wohnt er zu weit entfernt (vgl. 26/296). 

Berchtesgaden, Baron von

Ein alter Freund des Grafen Barby aus Londoner Zeiten. Er stammt aus Bayern und ist katholisch. Das hat einen Einfluss auf seine eigentlich liberalen Anschauungen, die er ansonsten mit Barby teilt (vgl. 14/166). Bei der Landpartie zum Eierhäuschen halten sich die beiden Herren meist abseits und sprechen die Weltlage durch. Wie Armgard bemerkt, neigt Baron Berchtesgaden dazu, immer wieder dieselben Geschichten zu erzählen, und »die Baronin sieht auch immer weg, wenn er anfängt« (13/153). Berchtesgadens wohnen am Tiergarten in der Lennéstraße. Sie gehören zu den Berliner Gästen auf Dubslavs Beerdigung.

Berchtesgaden, Baronin von

Die Frau von Baron Berchtesgaden und eine langjährige Freundin der Barbys, besonders Melusines. Sie ist »nicht gut zu Fuß und ein wenig asthmatisch« (24/268). Baronin Berchtesgaden vertritt die Ansicht, »eine Frau, die nicht rätselhaft ist, ist eigentlich gar keine«, und räumt gleichzeitig ein, dass sie sich selbst damit »freilich eine Art Todesurteil« ausspreche, denn sie sei »alles, nur kein Rätsel« (24/271). Melusine zählt die Baronin in einem Brief an Woldemar zur Gruppe der »naiven und liebenswürdigen Frauen«, die alle sehr neugierig seien (14/160). Anders als Armgard und Melusine findet die Baronin großes Gefallen an Klatsch und Tratsch »aus der oberen Gesellschaftssphäre«, den sie »mit glücklicher Ungeniertheit« und sehr zum Vergnügen von Graf Barby zum Besten gibt (24/270).

Dumm ist die Baronin aber nicht, sie ist kulturell interessiert, kann über Kunst und Theater plaudern (vgl. 24/269 und 272) und sieht es kritisch, wenn man »in einem Fünfzigpfennigbasar« einkauft, ohne sich die »dabei aufdrängende Frage« zu stellen, wodurch sich diese Preise ermöglichen (14/168). Als Woldemar von Lorenzens Vorbild, dem portugiesischen Schriftsteller João de Deus, erzählt, der nicht für sich, sondern für die Armen gelebt habe, ist es die Baronin, die die anderen dazu animiert, einen Bund in seinem Namen zu schließen, der von ihrem Mann spöttisch mit dem Rütlischwur verglichen wird (vgl. 15/186). Und doch scheint Baronin Berchtesgaden nicht vieles ernsthaft zu nehmen. Das gilt auch für ihren Glauben. Nach Melusines Beschreibung glaubt sie »eigentlich gar nichts und geriert sich dabei streng katholisch«; das klinge widersinnig, sei aber »doch richtig und reizend zugleich« (35/367). Czako ist die Baronin sehr sympathisch, und er attestiert ihr die »glückliche Natur«, die für Süddeutsche typisch sei (21/243). Auch Melusine liebt die Freundin gerade wegen ihrer Natürlichkeit (vgl. 24/270). Ihr vertraut sie an, was auf ihrer Hochzeitsreise geschehen ist, und wird von der Baronin aufrichtig dafür bedauert (33/351).

Blechernhahn, von

Adliger aus dem Landkreis, der zu Dubslavs Beerdigung erscheint und dort mit Molchow »ziemlich ungeniert« ein Gespräch über den anwesenden Lorenzen führt, den er »zur Richtung Göhre« zählt (43/447).

Blechernhahn bezieht sich mit dieser Bemerkung auf den politisch ursprünglich christsozialen, aber mit der Sozialdemokratie sympathisierenden Paul Göhre (1864-1928), vgl. Kommentar S. 569.

Brose

Brose ist der Briefträger in Stechlin. Er bringt zu Beginn des Romans das Telegramm, in dem Woldemar seinen Besuch mit Rex und Czako ankündigt, und hat Engelke den Inhalt des Schreibens bereits verraten. Dubslav kommentiert das ironisch mit den Worten: »Soso, Dienstgeheimnis.« (1/15) Dennoch weist er Engelke an, Brose ein Trinkgeld zu geben. Brose ist auch bei der Wahlversammlung im Stechliner Dorfkrug zugegen, bei der ihm das lange Stillstehen allerdings Probleme macht (vgl. 17/199).

Buschen, Frau

Großmutter der kleinen Agnes, eine etwa 70 Jahre alte, arme Frau, die im Wald Holz und Kräuter sammelt und nur »die Buschen« genannt wird (38/395). Sie gilt allgemein als »Hexe« und wird als solche insbesondere von den Mädchen des Dorfes konsultiert (38/396). Sie spricht nur Plattdeutsch. Ebenso wie ihre Tochter Karline – die in Berlin lebende (im Roman nicht auftretende) Mutter von Agnes – hat sie einen schlechten Leumund. Als der kranke Dubslav sie rufen lässt, um ihre Heilkünste in Anspruch zu nehmen, erscheint sie »für den Besuch etwas zurecht gemacht« in ihren besten Kleidern und mit neuem Kopftuch, doch gerade dadurch »sah man ihr die Verschlagenheit an, und daß sie für all und jedes zu haben sei« (38/397). Die Kräutertees, die sie Dubslav verordnet, helfen zunächst jedoch tatsächlich (vgl. 38/399), können seine Krankheit aber nicht heilen. Die Buschen weiß, was über sie geredet wird, und bleibt deshalb Dubslavs Beerdigung fern (vgl. 43/450).

Cujacius, Professor

Ein geschiedener alter Malerprofessor, der erst seit Kurzem im Hause Barby verkehrt (vgl. 21/241). Er hat »langes weißes Haar und große Leuchte-Augen« (ebd.), trägt einen aus der Mode gekommenen Radmantel und einen Kalabreser aus Seidenfilz (vgl. 25/284). Cujacius ist sehr von sich überzeugt, hat einen »superioren Apostelausdruck« und gerät, wie Melusine bemerkt, »leicht in Feuer oder in mehr als das«, wenn er über Kunst spricht (25/280). Er hat durchaus künstlerisches Talent, wie auch seine Gegner, »und er hat deren ein gerüttelt und geschüttelt Maß«, zugestehen, »nur verdirbt er alles durch seinen Dünkel« (25/285). Höflichkeit und Diplomatie sind seine Sache nicht. Melusine bittet Woldemar deshalb, dem Professor keinesfalls zu widersprechen. Woldemars Verwechslung des englischen Malers Millais mit dem französischen Maler Millet kostet der Professor genüsslich aus und erfreut sich an Woldemars Verlegenheit, obwohl er diesen gerade erst kennengelernt hat (vgl. 25/281).

Nach der Hochzeitsfeier gerät Cujacius ohne Rücksicht auf die weiteren Anwesenden (Pusch, Szilagy, Planta) in einen heftigen Streit mit Wrschowitz, bei dem er sich, die skandinavische Malerei verteidigend und Wrschowitz' offensichtliche Überempfindlichkeit allem Skandinavischen gegenüber eher ausnutzend als ignorierend, schließlich sogar zu wüsten rassistischen Beschimpfungen hinreißen lässt (34/359 f.).

Czako, von

Hauptmann im Regiment Alexander und ein Freund von Woldemar und Rex, mit denen er Schloss Stechlin und Kloster Wutz besucht. Dabei zeigt er sich von Beginn an aufgeschlossen und positiv. So findet er das Stechliner Herrenhaus beim ersten Anblick »geradezu märchenhaft« (2/17), und auch der Hausherr gefällt ihm ausgezeichnet (vgl. 2/21).

Czako ist »ein ganz moderner, politisch stark angekränkelter Mensch« (4/50), er ist nicht religiös (vgl. 21/240), und dass seine Sympathien für Pastor Lorenzen begrenzt sind, liegt, wie Woldemar vermutet, nur daran, dass er dessen Lauterkeit herausfühlt (vgl. 6/83 f.). Czako erklärt daraufhin: »Ich bin auch fürs Lautere, wenn ich nur persönlich nicht in Anspruch genommen werde.« (6/84)

Auf Dubslavs Frage hin, ob seine Freunde denn auch »ausgiebig und plauderhaft« seien, antwortet Woldemar mit Bezug auf Czako, »vielleicht zu sehr« (2/24), und tatsächlich redet Czako gern und viel; er ist wortgewandt, witzig und ein guter Erzähler, wie Dubslav anerkennend feststellt (vgl. 6/77). Rex bemerkt dazu allerdings trocken: »dreiviertel ist immer Dichtung« (ebd.). Die Freundschaft zwischen den beiden ist überhaupt von »Neckereien« geprägt (2/21). Czako hört aber auch bei anderen genau hin und mokiert sich über sie, falls sie etwas Dummes oder Lächerliches sagen. Woldemar zufolge ist er »hochgradig verwöhnt im Ausdruck«, wenn er nicht gerade selbst das Wort hat (2/18). Doch auch an Selbstironie fehlt es ihm nicht. Die Dekoration der für sie vorgesehenen Schlafzimmer auf Stechlin, wo in einem Regal eine Porzellanfigur steht, die »ihr ohnehin kurzes Röckchen« lüpft, während darunter ein Neues Testament liegt, kommentiert er Rex gegenüber mit den Worten: »Das Püppchen pour moi, das Testament pour vous.« (2/21)

Tatsächlich ist Czako an »Gesellschaftsklatsch« (10/122), an Frauen und Liebesgeschichten sehr interessiert; er spricht gern darüber und wird dabei auch leicht anzüglich – was ihm von Rex regelmäßig den Vorwurf einträgt, »frivol« zu sein (z.B. 6/89). Auch Woldemar berichtet seiner Tante Adelheid, dass Czako immer »Nachmitternachtsgeschichten« erzähle und ihn schon oft in Verlegenheit gebracht habe (9/115). Rex vermutet, dass hier »das Slavische« in Czako nachspuke: »latente Sinnlichkeit« (ebd.). Dem Interesse an Liebesgeschichten liegen aber nicht unbedingt eigene Erlebnisse zugrunde, wie sich seiner Reaktion auf Rex' Bemerkung entnehmen lässt: »Ja, sehr latent; durchaus vergrabner Schatz. Und ich wollte wohl, daß ich in die Lage käme, besser damit wuchern zu können.« (Ebd.)

Dass Czako bei Frauen nicht erfolgreich ist, liegt augenscheinlich an einer ganzen Reihe von Minderwertigkeitskomplexen. Da ist zunächst sein Äußeres, mit dem er überhaupt nicht zufrieden ist (vgl. 6/72); dann die Tatsache, dass seine offenbar nicht sehr begüterte Familie aus Ostrowo kommt, wo er nur eine »Panoptikumbildung« genossen und deshalb verschiedene Wissenslücken hat (10/125); er kann keine lange Ahnenreihe vorweisen (vgl. 7/102) und fühlt sich bei Melusine, in die er sich hoffnungslos verliebt, von den »verteufelt vornehmen Namen: Barby, Ghiberti« eingeschüchtert (44/455). Außerdem geht er davon aus, dass er »wegen verschiedener Mankos« wahrscheinlich »an der Majorsecke scheitern« wird, (22/251); und schließlich hält er sich offenbar auch nicht für besonders klug, denn bei Melusine sieht er sich unter anderem aus dem Grund chancenlos, dass sie »grundgescheit« ist (44/455). Rex' Kompliment – »Das sind Sie beinah' auch, wenigstens mitunter« – scheint Czako gar nicht zu hören, sondern spricht stattdessen von dem nötigen Mut, »den Thatsachen ins Auge zu sehn« (ebd.).

Woldemar äußert sich gegenüber seiner Tante etwas kritisch über Czako, der nicht ganz zu ihnen »und eigentlich auch kaum zu seinem Regiment« passe (9/115) – nicht ahnend, dass dieser fast dasselbe zuvor über ihn gesagt hat (vgl. 2/21). Aber auch wenn Czako Rex gesellschaftlich unterlegen ist, hat Woldemar ihn doch sehr gern (vgl. 9/116). Als Czako ihm zu der Englandreise gratulieren will, ist Woldemar überzeugt, dass dieser Glückwunsch ehrlich gemeint ist, denn Czako gehört seiner Ansicht nach »zu den paar Menschen, die keinen Neid kennen« (22/249). Czako ist sich dessen allerdings »nicht so ganz sicher« (22/250).

Diener

Ein namenloser Diener bei Adelheid auf Kloster Wutz erscheint im Garten, um Bescheid zu geben, dass das Essen bereit ist. Er trägt weiße Baumwollhandschuhe und ist »augenscheinlich eine Gelegenheitsschöpfung« (7/103).

Elfriede

Eine Nichte von Lorenzens Hauswirtschafterin Frau Kulicke. Sie arbeitet bei dem Pfarrer als Dienstmädchen, ist 17 Jahre alt, »groß und schlank und blond« und versetzt Superintendent Koseleger bei seinem Besuch in Entzücken: »Halb Prinzeß, halb Rotkäppchen.« (18/203) Als Dubslav krank ist, schickt Lorenzen Elfriede gelegentlich, um sich nach des Alten Befinden zu erkundigen. Bei einem solchen Besuch lässt Dubslav sie mit Agnes zusammen ein Buch anschauen und beobachtet die beiden Mädchen, besonders aber Elfriede, die einen »zarte[n], körperlose[n] Leib« und »den wehmütigen Zauber all derer hatte, die früh abberufen werden« (40/424).

Engelke

Dubslavs alter Diener. Er ist seit fast 50 Jahren bei ihm und ein Jahr älter als Dubslav. Seine »alten Beine wollen auch nicht mehr so recht« (38/396). Da Dubslav zurückgezogen lebt und nicht viele Kontakte hat, ist Engelke sein »Vetrauter geworden, aber ohne Vertraulichkeit«, und das nicht nur, weil Dubslav es versteht, »die Scheidewand zu ziehen«, sondern auch, weil Engelke »von Natur hingebend und demütig« ist (1/13). Gewöhnlich ist er »in ein Leinwandhabit gekleidet, und nur wenn es zu Tisch ging, trug er eine richtige Livree von sandfarbenem Tuch mit großen Knöpfen dran« (ebd.). Dubslav meint zu Engelkes altmodischer Erscheinung, dass dieser doch eigentlich ins Museum gehöre (vgl. ebd. u. 19/214). Engelke hat keine Schule besucht (vgl. 36/373), kann aber lesen (vgl. 26/295). Mit Agnes spricht er Plattdeutsch, ansonsten Hochdeutsch.

Dubslav äußert einmal scherzhaft, dass Engelke ihn regiere (vgl. 28/310), auf jeden Fall zieht er ihn aber zu Rate, wenn es darum geht zu entscheiden, wer zu gesellschaftlichen Anlässen eingeladen werden soll, und hört auch auf ihn, als dieser sich gegen Gundermanns ausspricht (vgl. 26/296). Durch den Kontakt zum übrigen Personal des Hauses und den Dorfbewohnern ist Engelke immer gut unterrichtet über das, was man sich im Dorf erzählt, sei es über die Buschen, über Gundermann oder über den Gesundheitszustand seines Herrn. Dubslav profitiert von diesem Wissen, als es um die Heilkünste der Buschen geht (vgl. 38/396), er weiß aber, dass Engelke »mitunter 'ne alte Plappertasche« ist, und schärft ihm ein, Lorenzen nichts vorab zu verraten, als Woldemars Nachricht über die Abordnung nach England kommt, mit der er den Pfarrer überraschen möchte (23/263). Engelke weiß durch den Briefträger Brose auch bereits, was in dem Telegramm steht, das Dubslav zu Beginn des Romans erhält, und als später ein Brief von Melusine kommt, hat er es sich aufgrund der Handschrift bereits gedacht. Dubslav kommentiert dies mit den Worten, »du wirst mir zu klug« (38/400).

In den Tagen und Wochen von Dubslavs Krankheit ist Engelke sein wichtigster Ansprechpartner. Ihm erzählt Dubslav von den verschiedenen Besuchern und macht gelegentlich seinem Ärger über sie Luft. Schon früh hat Engelke die Ahnung, dass es mit seinem Herrn zu Ende geht (vgl. 38/394). Dessen Entscheidung, den neuen Arzt nicht mehr vorzulassen, sieht er mit Sorge, denn: »Was blieb ihm noch vom Leben, wenn er seinen gnäd'gen Herrn nicht mehr hatte?« (38/395) Als Dubslav unter dem Vorwand, Hilfe zu benötigen, Agnes kommen lässt, ist Engelke zunächst gekränkt und fühlt sich, als ob er »für gar nichts mehr da wär und fast so gut wie schon abgesetzt« (39/414). Er betrachtet die Enkelin der Buschen überhaupt kritisch, denn seiner Ansicht nach wird das Mädchen »woll auch so was wie die Karline« (40/422). Als Dubslav sich auch kurz vor seinem Tod weiterhin weigert, nach dem Arzt schicken zu lassen, und stattdessen die Buschen, die »alte Hexe«, in Betracht zieht, treten Tränen in Engelkes Augen, denn er sieht darin wohl ein Zeichen, dass seinem Herrn bereits alles gleichgültig ist (42/442). Dubslav möchte Engelke nicht wehtun und schlägt, als er dessen Tränen sieht, »rasch einen anderen Ton an« (ebd.). Agnes gegenüber ist Engelke aber trotz seiner Vorbehalte gegen ihre Herkunft freundlich und aufmerksam, er tröstet sie, als sie angesichts des schwerkranken Dubslav Angst hat, und die Blumen, die das Kind für ihn pflückt, kommentiert Engelke mit den Worten: »Dat sinn de ihrsten […], un wihren ook woll de besten sinn« (42/443).

Engelke: niederdeutsch für Engelchen, vgl. Kommentar, S. 553.

Fix

Rentmeister (Finanzverwalter) von Kloster Wutz und Adelheid von Stechlins Liebling. Für Fräulein von Schmargendorf fällt er als Heiratskandidat aus, da er bereits verheiratet ist. In Adelheids Augen ist Fix »ein charaktervoller Mann, und dabei treu wie Gold, trotzdem sein Gehalt unbedeutend ist« (7/97). Fix tritt nur einmal auf und bleibt stumm (vgl. 9/118), Adelheid spricht aber so häufig von ihm, dass ihr Bruder Dubslav sagt: »Ihr drittes Wort ist immer ihr Rentmeister Fix, und wäre sie nicht sechsundsiebzig, so erfänd' ich mir eine Geschichte dazu.« (5/56) Auch Rex fühlt sich seltsam berührt von der großen Rolle, die der Rentmeister im Gespräch mit der Domina spielt, hält aber seine Meinung zurück (vgl. 8/106). Beim Weihnachtsbesuch auf Stechlin beruft Adelheid sich, als es um England geht, erneut auf Fix, »der drüben war« (27/302); auch die Nachricht von Dubslavs Erkrankung wird ihr durch Fix zugetragen (vgl. 39/410).

Fritz

Fritz ist Woldemars Reitknecht, der ihn bei dem Besuch mit Rex und Czako begleitet. Er kennt sich nicht nur in Stechlin, sondern auch auf Kloster Wutz und in der Umgebung gut aus. Während Woldemars Englandreise soll Fritz sich in Berlin um die Wohnung, die Post und die Pferde kümmern (vgl. 23/261 f.).

Frommel

Hofprediger Frommel ist ein regelmäßiger Gast im Hause Barby (vgl. 12/146) und der Geistliche, der Woldemar und Armgard traut. Czako findet ihn »reizend« und »natürlich«, wobei er ihm »am Theetisch fast noch besser gefällt als auf der Kanzel« (21/243). Frommel ist in der Tat ein guter Redner und lässt auf der Hochzeitsfeier »das Brautpaar in einem Toaste leben, drin Ernst und Scherz, Christlichkeit und Humor in glücklichster Weise verteilt waren«, was insbesondere Dubslav entzückt und ein lebhaftes Tischgespräch zwischen beiden Herren befördert (33/346). Da Frommel als Hofprediger auch Wilhelm I. kennengelernt hat, kann er Dubslav durch eine rührende Anekdote aus dem Privatleben des Kaisers zusätzlich beeindrucken (vgl. 33/348 f.).

Emil Frommel (1828-1896) wurde 1872 zum Hofprediger und Pfarrer des Gardekorps ernannt.

Ghiberti, Melusine Gräfin von Melusine

Gnewkow, Herr von

Ein Adliger aus der Stechliner Gegend, einer der Parteigenossen, die Dubslav am Wahltag in Rheinsberg trifft. Auch bei Dubslavs Beisetzung ist er unter den Gästen. Gnewkow ist in der Vergangenheit »aus Langeweile viel gereist« und gibt zu, in Italien in erster Linie aus Ideenlosigkeit und auf der Flucht vor der prallen Sonne »ein kirchlicher Mensch geworden« zu sein und sich große Mengen kirchlicher Bilder angesehen zu haben, obwohl er gar nichts davon versteht (19/220).

Grumbach, Herr von

Herr von Grumbach ist ein Regimentskamerad von Woldemar. Er schaltet sich in das Gespräch zwischen Raspe und Herbstfelde nur einmal ein und erweist sich als gut informiert darüber, dass Woldemar erst vor kurzem mit dem Englischlernen angefangen habe, »aber natürlich nicht wegen dieser Mission, die ja wie vom blauen Himmel auf ihn niederfällt, sondern der Barbys wegen« (21/246).

Gundermann, Frau von

Ehefrau von Gundermann, eine geborene Helfrich (vgl. 4/47) aus Berlin, die sich jung verheiratet hat, sodass ihre Kinder nun »beinah alle« schon erwachsen sind (3/36). Ihr ältester Sohn heißt Rudolf und ist 24 Jahre alt (3/40), der jüngste Sohn heißt Arthur und ist frisch konfirmiert (vgl. 4/44). Frau Gundermanns Herkunft »aus einem nordöstlichen Vorstadtgebiet« Berlins (3/27) lässt auf einen bescheidenen sozialen Hintergrund schließen. Ihr Vater war »ursprünglich Schreib- und Zeichenlehrer«, dann Kartograph im Dienste der preußischen Armee, was ihr »in ihren Augen eine gewisse militärische Zugehörigkeit« gibt (3/35).

Frau Gundermann hat wenig Geschmack, »putzt sich«, so Dubslav, »wie’n Schlittenpferd« (2/26), erscheint zum Abendessen »in geblümtem Atlas, mit Marabufächer« und sieht nicht, dass sie damit einen sonderbaren Kontrast zu ihrem Mann im Frack abgibt (3/27). Sie redet zu viel und zeigt wenig Takt in der Wahl ihrer Gesprächsthemen. Auch merkt sie nicht, dass Czako sich über sie lustig macht (vgl. 3/36), und vergisst schließlich vor lauter Reden, die Tafel aufzuheben (vgl. 4/40). Engelke nennt sie »'ne richtige Berlinsche« (26/296), und für Adelheid ist sie eine »schreckliche Frau, die gar nicht in unsre Gesellschaft paßt« (31/334). Dass der alteingesessene Landadel mit ihr und ihrem Mann möglichst wenig zu tun haben will, nimmt Frau Gundermann allerdings durchaus wahr und bemerkt Czako gegenüber spitz, dass diese Adligen mit den langen Ahnenreihen »so difficil« seien und »alles auf die Goldwage« legten – oder auch nicht, denn »dazu reicht es bei den meisten nicht aus« (3/36).

Gundermann, Herr von

Nachbar von Dubslav, der mit seiner Frau und den jugendlichen Söhnen auf einem Gut namens Siebenmühlen wohnt. Gundermann ist Unternehmer, er betreibt Schneidemühlen, und dies offenbar mit einigem wirtschaftlichen Erfolg. Seine Frau berichtet stolz, dass er mit nur einer Mühle angefangen habe, inzwischen aber sieben besitze (vgl. 3/36). Da er erst kürzlich geadelt worden ist, kann er nicht auf eine lange Ahnenreihe zurückblicken und wird von den besseren Familien der Region gemieden, wie Frau Gundermann Czako andeutet (vgl. ebd.). Dubslav lädt das Paar denn auch eher aus Not, denn aus Sympathie oder Wertschätzung zu Ehren von Rex und Czako kurzfristig zum Abendessen ein. Woldemar kommentiert dies später seinen Freunden gegenüber mit den Worten: »Mein Vater wollt' Ihnen gestern gern etwas Grafschaftliches vorsetzen, aber er vergriff sich. Gundermann auf Siebenmühlen ist so ziemlich unsere schlechteste Nummer.« (6/81) Rex erkennt in ihm auch auf den ersten Blick einen »Parvenu« (3/27), findet später aber dennoch, dass Gundermann – anders als Lorenzen – »doch wenigstens die richtigen Prinzipien« habe (6/82). Czako hingegen sieht bei Gundermann nur »Geschmacklosigkeiten« und »öde Redensarten«, dreimal habe er »ihn sagen hören: ›Das wäre wieder Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie‹« (ebd.). Auch Koseleger und Söderkopp bemerken, dass Gundermann eigentlich nichts zu sagen, sondern nur einige wenige »Redensarten« hat (18/206; 19/222). Er ist äußerst unbeliebt. Sogar Lorenzen sagt, Gundermann sei »ein Bourgeois und ein Parvenu, also so ziemlich das Schlechteste, was einer sein kann« (18/206).

Im Gespräch mit Woldemar wird deutlich, dass Gundermann eigentlich gerne Nachfolger von Kortschädel als Kandidat der Konservativen geworden wäre, aber hinter Dubslav von Stechlin zurückstehen muss (vgl. 4/42 f.). Bei dieser Gelegenheit äußert er sich nicht sehr schmeichelhaft über Woldemars Vater und beweist insofern wenig Taktgefühl. Tatsächlich intrigiert er gegen Dubslav, wie Lorenzen weiß, und »während er vorgiebt, für unseren guten alten Stechlin zu werben, tropft er den Leuten Gift ins Ohr« (18/206). Am Wahltag hat Gundermann dann Sorge, dass sein falsches Spiel gegen Dubslav herauskommen könnte, und bezieht Dubslavs – versehentliches – grußloses Vorübergehen fälschlich auf sich (vgl. 19/217 f.). Da die Konservativen ihr Wahldebakel nicht allzu ernst nehmen wollen, aber jemand eine Rede halten muss, entscheidet man sich für Gundermann, der ohnehin »nicht ernsthaft zu nehmen sei« (20/227).

Hartwig, Herr und Frau

Portiersehepaar im Haus der Frau Schickedanz am Kronprinzenufer, das mit seinem Sohn Rudolf im niedrigen Souterrain wohnt. Hartwig ist seit mehr als 10 Jahren dort angestellt. Rückblickend wird erzählt, dass Herr Schickedanz kurz vor seinem Tod seiner Frau aufgetragen hat, ihn zu behalten, wenn auch weniger um seiner Qualitäten willen, denn »er ist eigentlich ein Klugschmus, aber die Frau ist gut« (12/140). Einer Äußerung seiner Nichte Hedwig ist zu entnehmen, dass Hartwig die Bourgeoisie äußerst kritisch sieht (vgl. 14/173). Er spielt gelegentlich Skat mit Imme und Robinson und ist Frau Imme zufolge sehr eitel (vgl. 14/171). Seine Frau spricht Hartwig mit »Mutter« an (vgl. 12/138). Sie ist – neben der Witwe selbst – die einzige, auf die der Tod des Hagelversicherungssekretärs Schickedanz genau »drei Tage vor Weihnachten« einen Eindruck gemacht hat (ebd).

Hartwig, Rudolf

Sohn des Portiers Hartwig und Patenkind des verstorbenen Schickedanz, der ihm 100 Taler hinterlassen hat. Rudolf ist zehn oder elf Jahre alt und ein hübscher Junger, wie Robinson feststellt; und auch Frau Imme, die ihn als »verwöhnte kleine Range« bezeichnet, muss zugeben, dass er ›reizend‹ ist und »viel Chic« hat, sodass selbst seine so viel ältere Cousine Hedwig »immer hinter ihm her« ist, während er mit seinem Reifen spielt (14/171). Der Junge »mit seinem Hoop und seinen dünnen langen Berliner Beinen« dient Armgard als Beispiel dafür, dass ihr alltägliches Leben interessanter ist als der Gesellschaftsklatsch, den die Baronin Berchtesgaden zum Besten gibt (24/271).

Hedwig

Nichte von Hartwig, die bei ihrem Onkel wohnt, wenn sie »mal wieder ohne Stellung« ist, denn sie wechselt sehr häufig die Arbeitgeber (12/137). Sie ist ungefähr 24 Jahre alt und sehr hübsch, hat kastanienbraune Locken, ist »immer sehr sauber gekleidet und von heiter-übermütigem Gesichtsausdruck« (14/171). Die Hausbesitzerin, Frau Schickedanz, beschwert sich nicht über Hedwigs zeitweiligen Aufenthalt im Haus, da sie »ein heiteres, quickes und sehr anstelliges Ding« ist und immer viel zu erzählen hat (12/137). Die Berichte aus den herrschaftlichen Häusern, in denen Hedwig immer nur für kurze Zeit bleibt, interessieren auch Frau Imme sehr. Aus ihren Gesprächen mit Hedwig geht hervor, dass nicht zuletzt die Attraktivität der jungen Frau für Probleme mit den Dienstherren bzw. deren Ehefrauen sorgt (vgl. 14/172 und 33/345). Hedwig selbst gibt zu, dass es ihr nicht recht ist, wenn »einer einen gar nicht ansieht« (14/172). Als Woldemar und Armgard nach Stechlin umziehen und Hedwig als Kammerjungfer mitnehmen, prophezeit Melusine ihr, »da draußen« nicht mehr »›Ankratz‹« zu haben, »als Ihnen schließlich doch vielleicht lieb ist« (46/461).

Herbstfelde, Herr von

Regimentskamerad von Woldemar. Er war schon einmal für drei Wochen in England, hat sich dort aber weniger für die Sehenswürdigkeiten, sondern mehr für das einfache Volk und nicht zuletzt die Frauen interessiert (vgl. 21/247 f.). Diese Gesprächsthemen lassen vermuten, dass es sich um einen der Kameraden handelt, an die Czako denkt, wenn er sagt, dass Woldemar nicht recht dazu passe (2/21). Im Gespräch mit Raspe beschreibt Herbstfelde Woldemar als einen Menschen, der die Tendenz hat, »sich in die zweite Linie zu stellen« (21/246). Er vermutet deshalb auch, dass Woldemar die Ehre, mit der Delegation nach England fahren zu dürfen, vielleicht »geniert«, denn »einer solchen Auszeichnung entspricht selbstverständlich eine Nichtauszeichnung anderer«, und »nun sieht es aus, als wär' er ein Streber« (ebd.).

Hirschfeld, Baruch

Ein jüdischer Tuchhändler aus Gransee, der Dubslav regelmäßig aus finanziellen Schwierigkeiten hilft, indem er ihm Geld leiht. Er wird eingeführt als ein alter Freund Dubslavs, der, »ohne das ›Geschäftliche‹ darüber zu vergessen, [...] mit einer Art Zärtlichkeit an dem Stechliner Schloßherrn« hängt (1/11). Tatsächlich mag Baruch Hirschfeld Dubslav, unterstützt ihn bei der Wahl und versucht auch – allerdings erfolglos – seinen Sohn Isidor dazu zu bewegen, für die Konservativen zu stimmen (vgl. 17/193). Gleichzeitig spekuliert er aber darauf, dass Dubslav eines Tages zahlungsunfähig ist und er als Gläubiger dann das Haus und die Ländereien bekommt. Mit diesem Argument verteidigt Baruch sein vermeintlich großzügiges Handeln gegenüber seinem Sohn (vgl. 1/12). Als es ihm gegen Ende des Romans misslingt, dem schon schwer kranken Dubslav eine weitere Hypothek aufzuschwatzen, ist Baruch verstimmt; desgleichen aber auch Dubslav, denn er hat das Gefühl, »als hätt' er seinen alten Granseer Geld- und Geschäftsfreund (trotzdem er dessen letzte Pläne nicht einmal ahnte), zum erstenmal auf etwas Heimlichem und Verstecktem ertappt« (36/375 f.).

Hirschfeld, Isidor

Sohn von Baruch Hirschfeld und Teilhaber in dessen Geschäft. Er streitet mit seinem Vater regelmäßig über dessen Großzügigkeit Dubslav gegenüber sowie über politische Fragen, denn Isidor ist ein Anhänger der Sozialdemokraten und findet, dass Dubslav als Kandidat der Konservativen zwar ein gutes Herz, aber »das falsche Prinzip« hat (17/193). Gendarm Uncke dagegen vermutet, dass es Isidor gar nicht um Politik geht: »Das Prinzip is ihm aber egal. Er will bloß mogeln und den Alten an die Wand drücken.« (28/314) Auch Dubslav erwägt nach der Enttäuschung mit Baruch, »daß sein Sohn Isidor schuld ist« (37/384).

Imme

Kutscher der Familie Barby. Er wohnt mit seiner Frau im Hinterhof, wo sich Hof- und Stallgebäude befinden (vgl. 12/137). Kutscher der Barbys war er schon zu Londoner Zeiten und kennt aus dieser Zeit auch Robinson, den Kutscher der Berchtesgadens, mit dem (und Hartwig) er sich gelegentlich zum Skatspielen trifft. Imme ist ein »ebenso martialisch wie gutmütig dreinschauender Mecklenburger« mit einem »angegrauten Sappeurbart« (14/162). Am Gespräch über die Frage, welche der Barbyschen Damen Woldemar wohl zu ehelichen gedenkt, beteiligt Imme sich kurz und tippt auf Melusine (14/170).

Imme, Frau

Frau des Kutschers Imme. Sie ist kinderlos und hat »einen großen Wirtschafts- und Sauberkeitssinn« (14/169). Vor dem Besuch Robinsons bringt sie, Kritik des englischen Kollegen ihres Mannes fürchtend, die Wohnung in tadellose Ordnung und backt einen Streuselkuchen, von dem sie weiß, dass Robinson ihn sehr mag (14/169). Sie ist als 15-jähriges Mädchen zu den Barbys gekommen und bis zu ihrer Verheiratung in ihren Diensten geblieben. Dank Lizzi ist sie stets auf dem Laufenden über die Ereignisse im Hause Barby (ebd.). Sie selbst gibt die Informationen an Robinson weiter (vgl. 14/170). Von Hedwig lässt sie sich außerdem gern Geschichten über die Unzulänglichkeiten in den herrschaftlichen Häusern erzählen, in denen Hedwig gearbeitet hat (vgl. 14/171 f.).

Jeserich

Der alte Diener des Grafen Barby. Er ist verwitwet und offensichtlich seit langer Zeit in Barbys Diensten – dem Grad der Vertrautheit nach zu urteilen, der zwischen ihm und dem Grafen herrscht (vgl. 11/134). Dieser hält seinen Diener für einen Menschenkenner, der sogar »so was von 'nem Philosophen« hat (ebd.). Woldemar zieht einen Vergleich zu Dubslavs altem Diener Engelke; für ihn ist Jeserich »ganz und gar unser Engelke vom Kopf bis zur Zeh'« (12/136). Jeserich ist aber moderner; er hat ganz offensichtlich auch etwas von den neuen Ideen der Sozialdemokraten gehört und ist ihnen nicht ganz abgeneigt: »Gute Herrschaft und immer denken, ›man gehört so halb wie mit dazu‹, – dafür bin ich. […] Aber ein bißchen anstrengend is es doch mitunter, und man is doch am Ende auch ein Mensch…« (11/135)

Junge

Ein kleiner, schwarzhaariger Schüler der Dorfschule in Stechlin, dem Dubslav zwei historische Fragen stellt und dann deren richtige Beantwortung mit einem Nickel belohnt. Dubslav freut sich, denn der Junge »hat ein kluges Gesicht und steht Red' und Antwort«, und sieht keineswegs so aus, »als ob er einen Kummer hätte oder einen Gram ums Vaterland« (5/69).

Karline

Keine handelnde Figur, nur im Dialog erwähnte Tochter der alten Buschen und Mutter von Agnes. Karline arbeitet in Berlin als Plätterin, verkehrt aber auch in Vergnügungslokalen, und hat Agnes schon einmal dorthin mitgenommen (vgl. 40/422). Sie ist ledig und macht, wie im Gespräch zwischen der Buschen und Dubslav deutlich wird, sehr unglaubhafte Angaben über Agnes' Vater (vgl. 23/267). Ihre Mutter bemerkt das zwar, es stört sie aber nicht weiter, zumal ihre Tochter auch ohne Mann gut zurechtkomme (vgl. 23/268). Als Dubslav, um seine Schwester zur Abreise zu bewegen, Agnes bei sich wohnen lässt, unterstellt Adelheid ihm, möglicherweise mit Karline ein Verhältnis gehabt zu haben und der Vater des Kindes zu sein (vgl. 39/418 und 420).

Katzenstein

Rechtsanwalt Katzenstein aus Gransee ist der Kandidat der Fortschrittspartei bei der Wahl für den Reichstag. Er ist folglich einer der Gegenkandidaten Dubslavs, erhält aber noch weniger Stimmen als dieser (vgl. 20/224). Die Figur wird lange Zeit nur im Dialog erwähnt und tritt erst bei Dubslavs Beerdigung auf, da aber äußerst vornehm »in einem brillant sitzenden und mit Atlasaufschlägen ausstaffierten Frack«, einen riesigen Kranz niederlegend, was einige Trauergäste – wohl wegen der politischen Gegnerschaft – als Affront werten (43/447).

Katzler, Ermyntrud

Ehefrau des Oberförsters Katzler, eine geborene Prinzessin von Ippe-Büchsenstein, die ihren bürgerlichen Mann aus Liebe und »ohne Rücksicht auf Ebenbürtigkeit« geheiratet hat (6/87). Sie ist, so Woldemar, eigentlich »nicht hübsch, Blondine mit großen Vergißmeinichtaugen und etwas lymphatisch, auch wohl nicht ganz gesund« (6/86), versteht es aber, sich vorteilhaft zu kleiden und »etwas aus sich zu machen« (18/208). In dem stolzen Bewusstsein, sich aus Liebe in die bürgerliche Sphäre herabgelassen zu haben, ist Ermyntruds großes Thema die Pflichterfüllung; selbst ihr Mann fühlt sich unwohl, wenn sie davon zu sprechen beginnt (vgl. 18/209 und 211). In übertriebenem Pflichtbewusstsein schickt sie Katzler zur Wahlversammlung, obgleich sie kurz vor der Niederkunft steht; dasselbe wiederholt sich kurz nach der Geburt; sie will sogar, dass er unmittelbar nach dem Tod der Tochter »trotz des Ernstes der Stunde« Dubslav Weihnachtseinladung annimmt, ein Ansinnen, dem er sich jedoch ausnahmsweise verweigert (27/300). Dubslav bemerkt in einem Brief an Woldemar, dass Ermyntrud »zu viel« für »den armen Katzler« sei (26/291).

Zu ihrem Verständnis von bürgerlichem Leben gehört es, ihrem Mann viele Kinder zu gebären. Dass es sich dabei ausschließlich um Mädchen handelt, ist für Ermyntrud, wie Lorenzen vermutet, »etwas wie eine zu leistende Sühne […] wegen des von ihr gethanen Schrittes« (19/215). Der Kinderreichtum in einem Haus, in dem eine Prinzessin lebt, bietet Anlass für viele Spekulationen über Ermyntruds Motive. So ist Rex von dieser »Ausgiebigkeit« zunächst schockiert (6/87), sieht dann darin aber eine bewundernswerte andauernde »Opferung eines Innersten und Höchsten«; Czako argumentiert weit bodenständiger mit Katzlers attraktiver Erscheinung (6/89). Dubslav hält Ermyntrud für »hochgradig sentimental« und ist davon überzeugt, dass »die ganze Katzlerei« aus eben dieser Sentimentalität hervorgegangen ist (19/215). Pastor Lorenzen findet sie zwar sehr liebenswürdig, aber doch auch alles an ihr »ein wenig überspannt« (ebd.).

Ermyntrud hält große Stücke auf Dubslav und macht ihm Komplimente, die ihren Mann in Verlegenheit bringen (vgl. 6/87 f.). Woldemar äußert allerdings schon zu Beginn die Vermutung, dass sie Dubslav bekehren will, denn sie ist in religiöser Hinsicht »von der strengen Richtung« (6/87) und wird »mit jedem Tage kirchlicher« (37/382). Diese Vermutung bestätigt sich am Ende, als Ermyntrud sich mit Koseleger abspricht, Dubslav ohne Rücksicht auf seinen gesundheitlichen Zustand – genauer: unter Ausnutzung desselben – zu besuchen, um ihn von seinem liberalen Prinzip »leben und leben lassen« zurück auf den rechten Weg zu führen (37/382). Dubslav erklärt sich den für ihn ärgerlichen Bekehrungsversuch damit, dass die Prinzessin im Oberförsterhaus doch fehl am Platze sei und nun »nach allem möglichen« greife, »um in der selbstgeschaffenen Alltäglichkeit nicht unterzugehen« (37/392).

Katzler, Wladimir

Oberförster in Stechlin und Parteifreund von Dubslav. Katzler ist groß und rotblond (6/89). Mit seiner Frau Ermyntrud hat er, wiewohl erst seit sechs Jahren verheiratet, bereits sieben Töchter gezeugt, von denen allerdings drei schon tot sind; die vierte und jüngste stirbt zu Weihnachten (27/299 f.). Neben Pastor Lorenzen und Lehrer Krippenstapel gehört Katzler zu den wenigen Menschen, mit denen Dubslav noch regelmäßigen Kontakt hat, kommt jedoch, wie diese, nur, wenn er eingeladen wird (vgl. 1/13). Er ist Träger des Eisernen Kreuzes und hat als ehemaliger Feldjäger einiges von der Welt gesehen. Von den vier Gästen beim Abendessen mit Rex und Czako ist er, so Rex, »der einzige, der sich sehen lassen konnte« (4/53). Katzler ist ein sehr guter Billardspieler und überhaupt »ein vorzüglicher Herr, aber auf dem Gebiete der Konversation doch nur von einer oft unausreichenden Orientierungsfähigkeit« (3/31 f.). Obwohl er »ein entschiedener Nichtredner« ist, leitet er die Wahlversammlung im Stechliner Dorfkrug (17/197). Zu Hause fügt er sich meist dem Willen seiner Frau Ermyntrud, fühlt sich von deren wiederholten Vorträgen über Pflichterfüllung jedoch unangenehm berührt (vgl. 18/209-211).

Kluckhuhn (›Rolf Krake‹)

Schulze Kluckhuhn ist Bürgermeister von Stechlin, »eine humoristisch angeflogene Persönlichkeit, Liebling des alten Dubslav« und in der ganzen Gegend sehr angesehen (17/196). Wenn er lacht, zeigt er »seine beneidenswerten Zähne« (ebd.). Er war im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864, trägt seine Düppelmedaille aber mit einer gewissen Selbstironie, da er nur Reservist war (ebd.). Sein Spitzname ist Rolf Krake, der Name eines dänischen Panzerschiffes, das ihm im Krieg »viel Furcht und Sorge gemacht hatte« (17/197). Kluckhuhn vergleicht seitdem »alles zur Sozialdemokratie Gehörige mit dem schwarzen Ungetüm im Alsensund« (ebd.). Beim Weihnachtsbesuch auf Stechlin ist Melusine »ganz enchantiert«, als sie von dem Spitznamen und Kluckhuhns Umgang damit hört, denn sie sieht darin einen Patriotismus, der »sich in Humor und selbst in Ironie kleidet« (28/309). Deshalb freut sie sich auch, Kluckhuhn persönlich kennenzulernen, und lässt sich von ihm seine Überzeugung darlegen, derzufolge sich niemals in einem Bataillon, sondern stets nur im Kleinen zeige, »was einer kann« (28/312). Als Woldemar und Armgard am Ende des Romans in Stechlin erwartet werden, trommelt Kluckhuhn zur Begrüßung der neuen Schlossherren »sämtliche Kriegervereine zusammen«, und seine älteste Tochter soll ein Gedicht vortragen (46/462).

Kortschädel, Herr von

Der verstorbene Reichstagsabgeordnete des Landkreises für die konservative Partei, dessen Nachfolger Dubslav werden soll. Für Gundermann war Kortschädel »Ehrenmann durch und durch« (4/42) und – anders als sein designierter Nachfolger – »in den großen Fragen unerbittlich« (4/43). Ermyntrud Katzler dagegen stellt Dubslav das bessere Zeugnis aus, denn er stehe »sittlich höher als Kortschädel, dem man, trotz seiner siebzig, allerhand nachsagen durfte« (18/210).

Koseleger

Superintendent der Grafschaft in Quaden-Hennersdorf und damit Lorenzens Vorgesetzter. Er hat »immer ein paar Anekdoten auf der Pfanne« (17/191) und bringt mit einer dieser Geschichten Dubslav dazu, für die Konservativen zu kandidieren (vgl. ebd.). Ansonsten ist er aber nicht sehr beliebt. Er hat ein »Konsistorialratskinn« (19/214), gepflegte Hände und »solche weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring« (41/430). Für Dubslav ist Koseleger »wie 'ne Baisertorte, süß, aber ungesund« (19/213). Der Superintendent habe »keine glückliche Hand«, und Lorenzen erklärt, diese Bedenken »leider einigermaßen« zu teilen (19/212).

Koseleger ist »Weltmann« (37/386) und schwärmt »für alles Fremde« (27/305). Er fühlt sich zu Höherem berufen, als Superintendent in der Provinz zu sein (vgl. z.B. 16/189 f. und 18/207), und deshalb in Quaden-Hennersdorf »deplaciert« (19/213). Dubslav sieht darin jedoch nur »Eitelkeit und Größenwahn« (19/214). Auf Lorenzens Vermutung, dass Koseleger es noch weit bringen wird, reagiert Dubslav mit der Warnung, dass der Superintendent sich sodann als »Scheiterhaufenmann comme il faut« erweisen und Lorenzen sein erstes Opfer sein werde (ebd.). In der Tat steht die streng religiöse Ermyntrud Katzler als einzige in engerem Kontakt mit Koseleger, und beiden sind Dubslavs Liberalität und Lorenzens neue Ideen ein Dorn im Auge.

Kraatz, Herr von

Ein Adliger aus der Stechliner Gegend und konservativer Parteigenosse von Dubslav. Er ist der einzige, der sich für einen Moment ernstlich ärgert, als die Wahlniederlage deutlich wird (vgl. 19/223). Kurz darauf interessiert er sich aber bereits wieder für eine lokale Klatschgeschichte, die er, unter dem Vorwand, sich nach dem Stand der Dinge erkundigen zu wollen, selbst zum besten gibt (vgl. 20/231).

Krake, Rolf Kluckhuhn

Krangen, Herr von

Ein Adliger und Parteigenosse aus der Gegend, den Dubslav am Wahltag in Rheinsberg trifft (vgl. 19/218). Er erscheint außerdem auch auf Dubslavs Beerdigung (vgl. 43/446).

Krippenstapel

Dorfschullehrer und Küster in Stechlin, außerdem passionierter Imker. Er ist 67 Jahre alt, trägt eine Hornbrille und hat, wie Czako bemerkt, ein »Eulengesicht« (6/83). Eine auffällige Ähnlichkeit mit dem Stiftsfräulein von Triglaff lässt den Hauptmann später vermuten, dass beide verwandt sind (vgl. 7/104). Die Wohnung des Lehrers befindet sich direkt im Schulgebäude; im angrenzenden Garten hält er seine Bienen, die er Rex und Czako stolz präsentiert (vgl. 5/67). Er ist belesen und gibt sein Wissen auch gerne weiter, für Dubslav ist er »eigentlich ein Prachtexemplar, jedenfalls ein vorzüglicher Lehrer. Aber verrückt ist er doch« (5/61). Rex sieht in Krippenstapel »eine Figur, die doch schon stark die Karikatur streifte«, und es missfällt ihm, dass der Lehrer Dubslavs Aufforderung, den Gästen etwas zu erklären, ungeniert folgt und dabei – mit dem »Trotz des Autodidakten«– das soziale Gefälle zwischen ihnen übersieht (5/71). Dubslav dagegen mag es, wenn Krippenstapel sich in historischen oder wissenschaftlichen Fragen ereifert, vor allem, wenn es um sein ›Museum‹ geht (vgl. 30/329). Auch Melusine findet bei ihrem Besuch Gefallen daran (vgl. 30/330 f.).

Äußerlichkeiten schenkt Krippenstapel im Allgemeinen wenig Aufmerksamkeit: Zwar heftet er sich den Orden, den Dubslav ihm verschafft hat, an seinen schwarzen Rock, doch als er in der Eile seinen Hut nicht findet, trägt er stattdessen eine sonderbare Mütze (vgl. 5/70), dieselbe Seehundfellmütze, mit der ihn die drei jungen Herren am nächsten Tag am Wegesrand Gras mähen sehen und zunächst nicht einmal erkennen (vgl. 6/83). Rex findet, dass diese Mütze aussieht, »wie aus einer konfiszierten Schulmappe geschnitten«, und Woldemar hält das für durchaus möglich, denn »Krippenstapel kann eben alles – der reine Robinson« (ebd.). Bemüht der Lehrer sich einmal ernsthaft um die »Herausbesserung seines äußeren Menschen« wie am Ende des Romans, als er Woldemar und Armgard am Bahnhof abholt, so wird es nur noch schlimmer: »Der Schlips war so schmal, daß nicht bloß der zur Befestigung der Vatermörder dienende Hemdkragenrand in halber Höhe sichtbar wurde, sondern leider auch der aus einem keilartigen Ausschnitt hervorlugende Adamsapfel, der sich nun, wie ein Ding für sich, beständig hin und her bewegte.« (45/459) Nur durch seine »unbefangene Haltung« verhindert Krippenstapel, dass Armgards Verlegenheit angesichts dieses ›Naturschauspiels‹ immer größer wird (ebd.).

Als Dubslav schon schwer krank ist, kommt Krippenstapel zu Besuch und schenkt ihm seine beste Bienenwabe mit der Bemerkung, es sei beinahe so etwas wie der »mittelalterliche Zehnte«, der »eigentlich was Feineres als Geld« gewesen sei (40/427). Seine Fürsprache für Honig als Medizin mit der ganzen »Heilkraft der Natur« macht auf Dubslav einigen Eindruck, er glaubt daran, zumal mit Krippenstapel »hinter der Wabe […] ein guter Geist« steht (41/429 f.).

Kulicke, Frau

Eine Lehrerswitwe, die bei Pastor Lorenzen als Haushälterin arbeitet. Beim unvorhergesehenen Besuch des Superintendenten Koseleger reichen ihr wenige Minuten, um »alles in Schick und Ordnung zu bringen« und einen Imbiss vorzubereiten (18/202). Sie ist die Tante von Elfriede.

Lizzi

Die Kammerjungfer von Melusine und Armgard. Sie wird bei der Anprobe und Auswahl der Hüte um Rat gefragt, da sie nach Melusines Überzeugung einen guten Geschmack hat (vgl. 11/130). Lizzi ist zwar diskret, plaudert aber doch gern und erzählt Frau Imme, was im Barbyschen Haus vor sich geht (vgl. 14/169). Das Angebot, als Armgards Zofe mit dem jungen Paar nach Stechlin umzuziehen, lehnt sie ab, »weil sie die große Stadt und die ›Bildung‹ nicht missen mochte« (46/461).

Lorenzen

Pastor in Stechlin, früherer Lehrer und Erzieher Woldemars. Er ist unverheiratet und lebt in der Stechliner Pfarre, wo ihm Frau Kulicke den Haushalt führt. Über Lorenzens Herkunft erfährt man nichts. Dubslav kennt ihn seit fast 20 Jahren und mag ihn sehr (vgl. 21/434). Er ist Dubslavs wichtigster Kontakt in Stechlin und der einzige, der noch vorgelassen wird, als Dubslav schon schwer krank ist; allerdings kommt er nur, wenn er gerufen wird (vgl. 41/434). Zu den gesellschaftlichen Anlässen auf Stechlin wird er stets eingeladen, auch wenn er »kein Damenmann, noch weniger ein Causeur« (26/299), sondern vielmehr »ein Schweiger« ist und immer so still dasitzt, »wie wenn er auf den heiligen Geist wartet« (26/296). Engelke findet aber: »Er schweigt immer noch besser, als die Gundermannsche red't.« (Ebd.)

Lorenzen »hat einen diplomatischen Zug« und mag keinen Streit (45/458). Als er nach dem Weihnachtsbesuch von Armgard und Melusine sieht, dass er die schlechte Stimmung zwischen Dubslav und seiner Schwester Adelheid nicht beheben kann, bricht er auf (vgl. 31/335). Kommt das Gespräch auf strittige Themen, so weicht er geschickt aus (vgl. 6/80) oder schweigt verlegen, weil er nicht widersprechen möchte (vgl. 23/265). Er vermeidet es auch, Dubslav seine Zweifel an dessen Wahlerfolg einzugestehen (vgl. 19/212).

Lorenzen ist zwar Pastor, steht der Kirche als Institution aber durchaus kritisch gegenüber. Vor allem findet er es problematisch, wenn die Leute »ganz ernsthaft glauben, das uns Überlieferte – das Kirchliche voran (leider nicht das Christliche) – müsse verteidigt werden, wie der salomonische Tempel« (29/321). Bei aller Zuneigung hält Dubslav sich selbst denn auch für ›kirchlicher als seinen guten Pastor‹ und setzt hinzu »es wird immer schlimmer mit ihm« (2/24). Als er kurz vor seinem Tod noch einmal über Lorenzen nachdenkt, kommt er zu dem Ergebnis, dass er »eigentlich gar kein richtiger Pastor« ist, denn er »spricht nicht von Erlösung und auch nicht von Unsterblichkeit«, und Dubslav hält es für möglich, dass er »am Ende selber nicht viel davon« weiß (41/434). Dubslav sieht darin eine große Ehrlichkeit, die ihm sehr sympathisch ist: »Seit beinah' zwanzig Jahren kenn' ich ihn, und noch hat er mich nicht ein einziges Mal bemogelt. Und dass man das von einem sagen kann, das ist eigentlich die Hauptsache.« (Ebd.)

Auch Woldemar hält Lorenzen unbedingt für »eine lautere Persönlichkeit« (6/84). Er ist für ihn nicht nur sein »Lehrer und Erzieher«, sondern zugleich sein »Freund und Berater«, den er »über alles« liebt, weil er ihm alles verdankt, und ein Mensch, der »reinen Herzens« ist (15/180). Aufgrund dieser Äußerungen hält Melusine den »Schöpfer und geistigen Nährvater unseres Freundes Stechlin« für einen »Wundermann« (15/184) und »Ausnahmemensch[en]« (5/181). Als Woldemar außerdem von Lorenzens Vorbild berichtet, dem portugiesischen Dichter João de Deus, der für die Armen gelebt habe, »nicht für sich«, schließen die Anwesenden auf Anregung der Baronin Berchtesgaden spontan einen Bund in seinem Sinne (15/186).

Lorenzen ist politisch sehr interessiert und denkt, so verbunden er Dubslav und Woldemar auch ist, viel an »die armen Leute« (41/437), z.B. daran, dass für sie Krammetsvögel keine Delikatesse, sondern einfach sehr klein sind (vgl. 6/76). Nach Woldemars Meinung ist er »beinah' Sozialdemokrat« (13/158). Tatsächlich steht Lorenzen, wie Rex sogleich weiß, »in der christlich-sozialen Bewegung« (3/32 f.). Er empfindet es »jedesmal als eine Huldigung«, mit Hofprediger Stoecker verglichen zu werden, ist im Unterschied zu diesem aber kein großer Agitator (3/33). Sein Ideal ist: »Einen Brunnen graben just an der Stelle, wo man gerade steht.« (3/34) Dubslav attestiert Lorenzen eine »Weltverbesserungsleidenschaft« (6/74) und findet, dass er eigentlich »Missionar am Kongo« sein sollte (19/214).

Die zentrale Frage des Romans, ob ›das Alte‹ oder ›das Neue‹ gelten soll, diskutiert Lorenzen ausführlich mit Melusine, die ihn fragt, ob er gegen den Adel sei. Lorenzen erklärt daraufhin, er liebe die ›alten Familien‹, aber deren »Vorstellung, ›daß es ohne sie nicht gehe‹«, sei einfach falsch (29/324), umso mehr, als »die Menschen nicht mehr durch ihre Geburt auf den von ihnen einzunehmenden Platz gestellt werden« (29/321). Seine Zweifel gälten gar »nicht so sehr den Dingen selbst, als dem Hochmaß des Glaubens daran«, der Überzeugung nämlich: »Was einmal galt, soll weiter gelten« (29/322). Lorenzen hält das für rückschrittlich und auch unrealistisch: »Wohl möglich, daß aristokratische Tage mal wiederkehren, vorläufig, wohin wir sehen, stehen wir im Zeichen einer demokratischen Weltanschauung. Eine neue Zeit bricht an. Ich glaube, eine bessere und glücklichere.« (29/324)

Rex findet, dass ein Pfarrer »doch die durch Gott gegebenen Ordnungen kennen sollte« (5/60), und kann sich nur darüber wundern, wie sehr Dubslav an Lorenzen hängt: »Der Alte liebt ihn und sieht nicht, dass ihm sein geliebter Pastor den Ast absägt, auf dem er sitzt.« (4/53) Das mag damit zusammenhängen, dass Dubslav sich gar nicht so sicher ist, ob an ›all dem dummen Zeug‹, das Lorenzen Woldemar beigebracht hat, ›dem Neuen‹, nicht »vielleicht doch was war« (23/266). Dennoch nimmt er vor seinem Tod dem Pfarrer das Versprechen ab, eine eventuelle Rückbesinnung Woldemars nicht zu stören (vgl. 41/439). Lorenzen verspricht es, ist aber Menschenkenner genug, um zu wissen, dass von Woldemar große Neuerungen ohnehin nicht zu erwarten sind (vgl. 41/439 f.).

Von denen, die sehr fromm sind oder sich so gerieren, wie z.B. Rex, Ermyntrud Katzler oder auch Adelheid wird Lorenzen kritisch gesehen. Als die Prinzessin bei ihrem Krankenbesuch mäßig subtil infrage stellt, ob der Stechliner Pfarrer das rechte Wort lehre, ist Dubslav ernstlich erbost über solche »Anzettelungen« gegen seinen »klugen Lorenzen, der euch alle in die Tasche steckt« (37/392). Wie sehr umgekehrt auch Lorenzen Dubslav schätzt, zeigt sich spätestens, als er an dessen Sarg tritt, »um über den, den er trotz aller Verschiedenheit der Meinungen so sehr geliebt und verehrt, ein paar Worte zu sagen« (43/448).

Der von Lorenzen verehrte João de Deus de Nogueira Ramos (1830-1896) war ein portugiesischer Lyriker und Pädagoge, der sich insbesondere für die Alphabetisierung der armen Bevölkerung einsetzte. – Zum Theologen und Politiker Adolf Stoecker vgl. Kommentar, S. 561.

Luckhardt

Junger Lehrer am Gymnasium von Rektor Thormeyer, der bei der Wahlfeier für die Musik sorgt und »bei solchen Gelegenheiten überhaupt Thormeyers Adlatus war«. (20/230)

Marie

Hausangestellte auf Schloss Stechlin. Sie ist »letzten Michaelis erst eingesegnet«, also wahrscheinlich ungefähr 15 Jahre alt, hat aber auch schon die Buschen konsultiert, wie Engelke weiß (38/397).

Martin

Der alte Kutscher auf Stechlin. Er wohnt mit seiner Frau in dem an den Stall angrenzenden Gebäudeteil. Da das Anwesen recht wenig Personal hat, stehen nur er und Engelke hinter Dubslav auf der Rampe, als Woldemar zu Beginn des Romans mit seinen Freunden ankommt. Beim Abendessen muss Martin, recht rustikal »in schwarzem Rock und Stulpstiefeln«, aushelfen und die Verbindung zur Küche halten (3/28). Er dient Gundermann als Beispiel für seine Kritik an einem Wahlrecht, »wo Herr von Stechlin gewählt werden soll, und wo sein Kutscher Martin, der ihn zur Wahl gefahren, thatsächlich gewählt wird oder wenigstens gewählt werden kann«; und er fügt noch hinzu, dass ihm der Stechlinsche Kutscher immer noch lieber sei als Torgelow (20/229).

Melusine

Die ältere Tochter des Grafen Barby, Schwester von Armgard. Ihre Ehe mit dem italienischen Grafen Ghiberti ließ »allerlei zu wünschen übrig« (32/339) und wurde nach nicht einmal einem Jahr geschieden; und da es ihr widerstrebt, den Namen ihres Ex-Mannes zu führen, nennen alle sie bei ihrem Vornamen (vgl. 10/124 f.). Melusine ist in London geboren und war 17, als die Familie England verließ. Nach dem frühen Tod der Mutter hat sie Armgards Erziehung übernommen und ist stolz auf das Ergebnis (vgl. 24/271 f.).

Rex findet Melusine, »wiewohl schon über dreißig, […] sehr reizend«, und hält es daher für keineswegs selbstverständlich, dass Woldemar von den beiden Schwestern die jüngere wählen wird (10/124). An dieser Spekulation beteiligen sich später noch weitere Figuren, die meist für Melusine optieren oder doch zumindest sehr unsicher sind, welche der Damen Woldemar heiraten möchte, darunter nicht zuletzt Graf Barby, der als Vater von Melusine nur allzu gut weiß: »Alles dreht sich immer um die.« (11/134)

Tatsächlich übt die »reizende, bieg- und schmiegsame Melusine« eine große Faszination auf Männer aus (36/368), Woldemar beschreibt ihre »Anmut« (12/135), und sogar Pastor Lorenzen nennt sie »die schöne Melusine« (41/440). Dubslav ist von der ersten Begegnung an hingerissen; für ihn ist Melusine »eine Dame und ein Frauenzimmer dazu«, genauso »müssen Weiber sein« (27/299). Czako verliebt sich in sie (vgl. 44/455). Adelheid hingegen kritisiert Melusines »Koketterie« und stört sich entschieden an ihrem »Sich-biegen und -wiegen in den Hüften« (31/337 f.).

Melusine weiß um ihre Wirkung; sie spottet und flirtet gern und ist ein wenig eitel; dabei aber selbstironisch. Sie erinnert sich daran, als 14-Jährige in London zu einem Auftritt der schwedischen Sängerin Jenny Lind mitgenommen worden zu sein, vor allem aber auch daran, dass sie der Lind gefiel: »Wenn man Eindruck macht, das behält man.« (15/179) Melusine fragt auch Woldemar, welche der Schwestern mit ihrem jeweiligen neuen Hut entzückender sei und bringt ihn dadurch in Verlegenheit. Als er schließlich die von ihr mutmaßlich gewünschte Antwort gibt – »Sie, gnädigste Frau« – spielt Melusine das Kompliment herunter und bewahrt Armgard vor einer Beleidigung, indem sie Woldemar einen ›schändlichen Lügner‹ nennt (11/132).

Armgard scheint sich denn auch keineswegs sicher zu sein, ob Melusine nicht vielleicht auch an Woldemar interessiert ist, denn nach der Verlobung fragt sie etwas ängstlich: »Du gönnst ihn mir doch?« (26/290) Melusine freut sich aber mit der jüngeren Schwester, und ein späteres Gespräch lässt vermuten, dass sie nie ernsthaft an Woldemar interessiert war. Denn als sie nach der Weihnachtsreise den alten Stechlin lobt und spaßeshalber fragt, was Armgard davon hielte, wenn sie Dubslav heiratete, ist diese, auch wenn sie sich die Idee mit Melusines »Übermut« erklärt, doch ein wenig unsicher, ob Melusine nicht durchaus imstande wäre, sich »in solche Kompliziertheiten von Schwiegervater und Schwager, alles in einem, und wo möglich noch allerhand dazu, zu verlieben« (32/343). Eifersucht vermutend, stellt Melusine daraufhin klar, dass sie sich jedenfalls eher in Dubslav verlieben würde als in Woldemar (vgl. 32/344).

Gelegentlich schießt Melusine mit ihren Neckereien über das Ziel hinaus, so zum Beispiel, als sie Woldemar abspricht, Phantasie zu haben, eine Bemerkung, die Schwester und Vater zu einem peinlichen Schweigen und Woldemar kurz darauf zu der Bemerkung veranlasst, dass Melusine »doch eigentlich recht hochmütig« sei (22/258 u. 260). Melusine ist sich ihres Fehlers bewusst und »sah wohl, daß sie mit ihrer Bemerkung etwas zu weit gegangen war« (22/258).

Neben ihrer Attraktivität und dem Hang zur Eitelkeit zeichnet sie sich durch ein leichtes, heiteres Wesen (vgl. 27/299), durch Charme, Witz und Liebenswürdigkeit aus. Ihr Vater ist daher auch nicht überrascht zu hören, wie begeistert Dubslav und Lorenzen von ihr waren, denn »Melusine gefällt fast immer« (32/340). Gefällt sie jemandem nicht, so liegt das nach seiner Überzeugung daran, dass viele Menschen »einen natürlichen Haß gegen alles, was liebenswürdig ist«, haben, »weil sie selber unliebenswürdig sind« (ebd). Im Roman ist die einzige Figur, die Melusine nicht mag, Adelheid, und diese Antipathie beruht vollkommen auf Gegenseitigkeit (vgl. 44/452). In Adelheids Augen ist der Name kein Zufall, »diese Melusine ist eben eine richtige Melusine« (31/337). Offensichtlich hält sie sie für liederlich: »Alles an dieser Dame, wenn sie durchaus so etwas sein soll, ist verführerisch.« (Ebd.) Umgekehrt ist Adelheid für Melusine »nichts weiter als eine Stakete, lang und spitz« (32/343). Sich gegenüber Armgard für ihre Abneigung verteidigend, erklärt Melusine: »Glaube mir, diese Dinge sind nicht bloß äußerlich. Wer kein feines Gefühl hat, sei's in Kunst, sei's im Leben, der existiert für mich überhaupt nicht und für meine Freundschaft und Liebe nun schon ganz gewiß nicht.« (32/342)

Über Melusines kurze Ehe erfährt man nur, dass sie in Florenz und »beinah unmittelbar« nach der Verlobung erfolgte, sich ihre »Fortdauer« aber schon »bald als eine Unmöglichkeit« herausstellte, sodass bereits nach weniger als einem Jahr »die Scheidung ausgesprochen« war (12/145). Ihren Mann hat Melusine während ihrer »Verheiratungstage« wenig gesehen, »aber freilich immer noch zu viel« (24/269). Im Gespräch mit Baronin Berchtesgaden deutet sie an, gleich am ersten Tag der Hochzeitsreise bei der Zugfahrt durch den Apennintunnel sexuellen Übergriffen ihres Mannes ausgesetzt gewesen zu sein: »Und als ich aus dem Tunnel heraus war, wußt' ich, welchem Elend ich entgegenlebte.« (33/351) Sie ist deshalb auch beruhigt zu sehen, dass Woldemar für sich und Armgard kein »Coupé apart« genommen hat (33/350).

An Armgards Wohlergehen in der Ehe ist ihr sehr gelegen; und da sie zwar von Woldemars ›edlem Charakter‹ überzeugt ist, nicht aber davon, dass »er auch einen festen Charakter hat« (29/320), sucht sie das Gespräch mit Lorenzen. Sie wünscht sich, dass er als Woldemars ehemaliger Erzieher weiterhin dessen Stütze bleibe (vgl. 29/320 f.). Bei dieser Gelegenheit entspinnt sich jedoch ein ›revolutionärer Diskurs‹ (vgl. 29/324), in dem Lorenzen schon nach kurzer Zeit merkt, dass Melusine doch mehr ist »als eine bloß liebenswürdige Dame aus der Gesellschaft« (29/318). Wie Lorenzen macht sie sich Gedanken über den gesellschaftlichen Wandel, über den verbreiteten Egoismus und darüber, was das Christentum aktuell noch bedeuten kann. Sie selbst bezeichnet sich als ihrer »ganzen Natur nach ungläubig«, aber »wenigstens demütig« oder doch mit dem »Willen dazu« ausgestattet (29/319). Diese Demut aber ist für sie »christlich«, denn: »Wer demütig ist, der ist duldsam, weil er weiß, wie sehr er selbst der Duldsamkeit bedarf.« (29/320) Auch die zentrale Frage des Romans, ob ›das Alte‹ oder ›das Neue‹ gelten soll, wird hier von Melusine beantwortet: »Alles Alte, so weit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.« (29/320)

Der Stechlinsee bzw. die Legende von seinen Beziehungen zum Weltgeschehen beeindrucken Melusine. Sie hat ohnehin einen Hang zu Märchen, wie Armgard sagt, die diese Vorliebe auf den Namen ihrer Schwester zurückführt (vgl. 11/129). Das Eis des zugefrorenen Sees aufschlagen lassen, um die berühmte Stelle zu sehen, will Melusine auf keinen Fall. Sie sei sehr für solche Geschichten, »aber zugleich auch abergläubisch« und gegen das »Eingreifen ins Elementare« (28/316). Bei der Übernachtung auf Stechlin fürchtet sie sich vor Gespenstern und tauscht mit Armgard das Zimmer, um in dem kleineren, hinteren zu sein, in dem sie sich sicherer fühlt (vgl. 27/307 f.). Der Legende von den Weltbeziehungen des Sees entnimmt sie die Lehre, dass man »den großen Zusammenhang der Dinge nie vergessen« und sich nicht »einmauern« soll (29/320). Melusine gehören auch die letzten Worte des Romans, in denen sie an eben diese Lehre erinnert: »es ist nicht nötig, daß die Stechline weiterleben, aber es lebe der Stechlin.« (46/462)

Die berühmte schwedische Opernsängerin Jenny Lind (1820-1887) lebte seit 1856 in London.

Molchow, Herr von

Adliger aus der Stechliner Gegend und einer der konservativen Parteigenossen, die Dubslav am Wahltag in Rheinsberg trifft. Auf Dubslavs Vorschlag, die Wartezeit zunächst mit einem Spaziergang im Park und der Besichtigung seiner Sehenswürdigkeiten zu überbrücken, reagiert er mit einer Bismarck-Anekdote, die besagt, dass es recht gut ist, wenn einen die Gegebenheiten dazu zwingen, sich Kulturgüter anzusehen (vgl. 19/219). Auf der Trauerfeier für Dubslav spart Molchow nicht mit spöttischen Kommentaren über andere Anwesende (vgl. 43/446 f.). Auf Nonnes Beschwerden, die Kälte in der Kirche betreffend, reagiert er mit längeren Auslassungen über die weit schlimmeren Zustände bei Trauerfeiern in Berlin (43/450 f.).

Moscheles, Dr.

Ein in Brünn geborener junger Arzt aus Berlin, den Dr. Sponholz zu seiner Vertretung engagiert. Sponholz hält ihn für »sehr gescheit« und hat fachlich großes Vertrauen zu ihm (37/381). Dubslav allerdings ist der junge Arzt gleich bei der ersten Visite unsympathisch, und von seinen politischen Auslassungen beim zweiten Besuch, die eine Nähe zur sozialdemokratischen Partei erkennen lassen, ist Dubslav erst recht »wenig angenehm berührt« (38/393). Vor diesem Hintergrund ist ihm auch die rote Krawatte des Doktors verdächtig, und Engelkes Einwand, dass schwarze Käfer drin seien, lässt er nicht gelten: »Ja, die sind drin, aber ganz kleine. Das machen sie so, damit es nicht jeder gleich merkt, wes Geistes Kind so einer ist, und wohin er eigentlich gehört.« (38/394) Dubslav erklärt rundheraus, dass er Dr. Moscheles nicht mag und weist Engelke an, ihn nicht mehr vorzulassen. Dr. Moscheles ist sehr aufgebracht, als Engelke ihm wenige Tage später sagt, sein Herr sei nicht da. Diese offensichtliche Lüge bestärkt den jungen Arzt »in seinen durchaus ablehnenden Anschauungen über den derzeitigen Gesellschaftszustand«, er wünscht sich einen »Generalkladderadatsch, Krach, tabula rasa« (ebd.). Dubslav bereut später seinen Eigensinn, kann sich aber nicht überwinden, Moscheles rufen zu lassen, und wendet sich deshalb an die Buschen (vgl. 38/395).

Nonne, Freiherr von der

Ein Adliger aus der Gegend und konservativer Parteigenosse, den Dubslav am Wahltage trifft und »den die Natur mit besonderer Rücksicht auf seinen Namen geformt zu haben schien« (19/218). Er ist nämlich recht unansehnlich, hat einen zu kleinen Kopf und seine Stimme klingt, »wie wenn Mäuse pfeifen« (ebd.). Er ist »die komische Figur des Kreises«, und die anderen hänseln ihn, er nimmt es aber gelassen, da seine vornehme Herkunft seiner Ansicht nach alles andere ausgleicht (ebd.). Beim Anblick des Schlosses im Park von Rheinsberg verfällt Nonne in ein längeres Sinnieren über das Seelenheil von Friedrich II. und lobt die Möglichkeit, »eine Seele frei zu beten« als »eine wirklich trostspendende Seite des Katholizismus«, wofür Molchow ihn sogleich verspottet (19/221). Am Wahlabend gesellt sich Nonne – offenbar gegen seine Gewohnheit – zu der kleinen Gruppe der Herren, die nach dem üppigen Diner noch weitertrinken (vgl. 20/230). Nach der Trauerfeier für Dubslav beklagt er Molchow gegenüber, dass die Feier bei solcher Kälte nicht im Haus abgehalten wurde (vgl. 43/450).

Peerenboom, Jongherr van dem

Konservativer Parteigenosse Dubslavs, der am Wahltag neben Herrn von Zühlen an der Urne sitzt, als Dubslav im Wahllokal ankommt. Er stammt aus der Gegend von Delft, hat sich erst vor einigen Jahren im Ruppiner Kreis auf einem großen Gut niedergelassen und bemüht sich seitdem, ein echter Preuße zu sein (vgl. 19/217). Der alteingesessene märkische Adel nimmt ihn, »schon um seines ›van‹ willen«, nicht richtig ernst, lässt es sich aber nicht anmerken, da Peerenboom sehr reich ist. Er ist auch unter den Trauergästen bei Dubslavs Beerdigung.

Planta, Baron von

Neffe der verstorbenen Gräfin Barby aus Graubünden und Gast auf der Hochzeit seiner Cousine Armgard und Woldemars. Der junge Baron Planta hält sich erst seit Kurzem in Berlin auf, um dort seine »landwirtschaftlichen Studien« abzuschließen (33/346). Von den fünf Herren, die im Anschluss an die Hochzeitsfeier in ein Lokal in der Friedrichstraße gehen, ist er der unaufgeregteste und ruhigste. Auch als Zeuge der heftigen Auseinandersetzung zwischen Cujacius und Wrschowitz bleibt Planta sehr zurückhaltend und möchte offenbar nicht Partei ergreifen, missbilligt aber die Beleidigungen, die Cujacius gegen Wrschowitz ausstößt (vgl. 34/360).

Pritzbur, Mamsell

Köchin auf Schloss Stechlin. Dubslav schickt Agnes unter einem Vorwand zu ihr in die Küche und trägt ihr auf, sich von Mamsell Pritzbur auch gleich eine Geschichte erzählen zu lassen (vgl. 39/416 f.). Stattdessen guckt die Köchin gemeinsam mit den Hausmädchen dem Kind beim Singen und Tanzen zu und wundert sich darüber, dass das kleine Mädchen »schon Beine gesehn« hat (40/421).

Pusch, Dr.

Bekannter der Barbys noch aus ihren Londoner Tagen (vgl. 24/268), wo er – nach gescheitertem Jura-Examen – als Journalist arbeitete und in der Deutschen Botschaft verkehrte (vgl. 34/352). Dr. Pusch ist »ein gewandter und durchaus weltmännisch wirkender Herr mit gepflegtem, aber schon angegrautem Backenbart«, der nach seiner Londoner Zeit in New York und Chicago war und nun in Berlin lebt und im Hause Barby verkehrt (ebd.). Dass er »ungeniert von Natur und ein klein wenig überheblich« ist, stört Graf Barby eigentlich, andererseits weiß er zu schätzen, wie gut Pusch dank seiner Kontakte zu den Ministerien und Botschaften informiert ist und was er daher aus der Welt berichten kann (34/353). In der Runde der fünf Herren, die nach der Hochzeitsfeier noch in ein Lokal gehen, führt Pusch übermütig das Wort und versucht, Szilagy über seinen mangelnden literarischen Erfolg humorvoll hinwegzutrösten. An dem heftigen Streit zwischen Cujacius und Wrschowitz findet er – anders als Planta und Szilagy – großes Vergnügen (vgl. 34/359).

Pyterke

Wachtmeister von der reitenden Gendarmerie und als solcher ein Kollege von Wachtmeister Uncke. Im Gegensatz zu diesem ist er gutaussehend, außerdem ein ehemaliger Gardekürassier. Er fühlt sich dem Fußgendarmen Uncke deshalb überlegen und besucht, obwohl er »nur halb mit zum Revier« gehört, mit Vorliebe Veranstaltungen (wie die Wahlversammlung in Stechlin), bei denen er auf Uncke trifft, um sich dann an dieser Überlegenheit zu freuen und sich über Uncke zu amüsieren (17/195). Dieser stellt seinerseits fest, dass Pyterke »immer gut Bescheid weiß«, und berichtet Dubslav, dass Pyterke ihm schon in Rheinsberg über Gundermann gesagt habe: »da hat der Major sich eine Schlange am Busen großgezogen« (28/313).

Raspe, Herr von

Regimentskamerad von Woldemar, der diesen im Gespräch mit Herbstfelde gegen den Verdacht verteidigt, ein Streber zu sein. Allerdings ist es Raspe selbst, der das Gespräch auf Woldemars Abordnung nach England gebracht hat und einen leisen Zweifel ausdrückt, ob Woldemar auf den Besuch richtig vorbereitet ist: »Alles, wenn es sich um chic handelt, will doch seine Zeit haben, und gerade die Vettern drüben sehen einem sehr auf die Finger.« (21/245) Im weiteren Verlauf des Gesprächs erkundigt sich Raspe bei Herbstfelde danach, ob die englischen Dienstmädchen wirklich so hübsch seien, und leitet damit zu einem anderen Thema über (vgl. 21/247).

Rex, von

»Ministerialassessor« und Reserveoffizier der zweiten Dragonerbrigade (9/116), ein Freund von Woldemar und Czako, mit denen er Schloss Stechlin und Kloster Wutz besucht. Rex hat, wie Dubslav feststellt, »ein bisschen wenig Fleisch« und ist »so glatt rasiert«(2/24), sieht aber »wirklich verdeubelt gut« aus (5/59). Auch Czako bemerkt nicht ohne Neid: »Rex, Sie sind ein schöner Mann« (6/72). Gesellschaftlich ist Rex Czako ohnehin überlegen, wie Woldemar seiner Tante Adelheid erzählt (vgl. 9/116). Er neigt allerdings dazu, »etwas steif und formell« zu sein, wie Melusine meint (25/278).

Rex ist Frühaufsteher und hat einen Verein für Frühgottesdienste gegründet (vgl. 5/55). Auf Dubslavs Frage, ob sein Freund sehr fromm sei, entgegnet Woldemar, Rex' Frömmigkeit sei »keine Lüge, bloß Erziehung, Angewohnheit«, aber auch eine Form, aufgrund eigener Unsicherheit das zu wählen, »was gerade gilt und nach oben hin empfiehlt« (2/25). Daher nennen ihn, wie Woldemar seinem Vater im Zwiegespräch weiter berichtet, auch manche einen ›Streber‹, aber »wenn er es ist, ist er jedenfalls keiner von den schlimmsten« (ebd.). Mit Lorenzen kann Rex sich nicht befreunden, denn er hält ihn für einen »von der neuesten Schule«, das sind seiner Ansicht nach »die allerschlimmsten«, die mit dem Adel »aufräumen wollen und mit dem alten Christentum auch« (4/53). Mit Adelheid kann Rex dagegen problemlos ein Gespräch führen, »das nur sittliche Hebungsfragen berührte« (8/106).

Rex hat eine gute Beobachtungsgabe, gepaart mit sozialem Dünkel. Er erkennt sofort, dass die Gäste, die Dubslav ihm und Czako zu Ehren eingeladen hat, unter seinem gesellschaftlichen Niveau liegen, insbesondere Gundermanns (vgl. 3/27). Anders als Czako vermag er sich aber nicht recht darauf einzustellen und merkt auch nicht, dass er bei Tisch seinen Gesprächspartner Katzler mit einem Wort aus seinem »sorglich ausgewählten Fremdwörterschatz« überfordert (3/31). Bei der Besichtigung der Kirche am nächsten Tag kommt Rex nicht damit zurecht, sich von Krippenstapel belehren zu lassen, den er als nicht ebenbürtig ansieht (vgl. 5/70f.).

Woldemar zufolge hat Rex »eigentlich einen guten Charakter, und im cercle intime kann er reizend sein« (2/25). Czako werde am besten mit ihm fertig, er mache sich beständig über ihn lustig, und Rex lasse sich »diese Schraubereien« gefallen. Umgekehrt zieht auch Rex Czako gern auf, vor allem mit Anspielungen auf dessen Vorliebe für Klatsch und Frivoles. Czako ist aber davon überzeugt, dass Rex im Grunde genauso gern tratscht wie er: »Sie bleiben nur etwas steifer dabei, lehnen meine Frivolitäten zunächst ab, warten aber eigentlich darauf.« (21/242 f.) In der Tat ist es Rex, der zu Beginn des Romans Czako von Woldemar und den Barbys, von Melusine und ihrer kurzen Ehe berichtet (vgl. 10/123 f.); und es ist Rex, der sich über die »Ausgiebigkeit« der Katzlers kaum beruhigen kann (6/87).

Czako spricht Rex »alle Menschenkenntnis« ab (6/89), aber zu Unrecht, denn Rex ist der einzige, der richtig vorhersagt, dass Woldemars Wahl auf Armgard fallen wird (vgl. 21/244), und er ist es auch, der Czakos Verliebtheit in Melusine bemerkt und dem Freund Mut zuspricht (vgl. 44/455).

Als »Ministerialassessor« strebt Rex offenbar ein Ministerialamt an, vgl. Kommentar, S. 555.

Robinson

Kutscher der Berchtesgadens noch aus Londoner Zeiten. Er ist »ein typischer Engländer, hager, sehnig, kurz geschoren und glatt rasiert« (14/162). Er hat »Glotzaugen«, die ihm einen stupiden Ausdruck geben, ist aber doch klug genug, »wenn's galt, seinem Vorteil nachzugehen« (ebd.). Mit der deutschen Sprache hat er zwar immer noch Probleme, gibt sich aber »aufrichtige Mühe damit« und vermeidet es, auf das Englische auszuweichen, sogar dann, wenn man ihm zur Hilfe kommen will (14/162). Er spielt Skat mit Imme und Hartwig und findet, dass Skat »das Beste von all Germany« ist (14/163). Robinson ist neugierig und erfragt bei Frau Imme die Neuigkeiten aus dem Hause Barby. Welche der Damen Woldemar ehelichen wird, ist eine Frage, die ihn sehr beschäftigt. Er ist sich sicher, dass Woldemar Melusine wählen wird, denn »widow ist mehr als virgin« (14/170).

Schickedanz

Der verstorbene Gatte von Rieckchen Schickedanz. Er ist am 21. Dezember 1884 nur drei Monate nach seinem 50-jährigen Dienstjubiläum bei der Hagelversicherungsgesellschaft gestorben, zum Zeitpunkt der Romanhandlung also vor ca. zehn Jahren (vg. 12/137 f.). Sein Leben wäre unspektakulär gewesen, hätte er nicht in den letzten fünf Jahren seines Lebens »zweimal hintereinander ein Viertel vom großen Lose gewonnen« (12/139). Dieser Gewinn, der es ihm ermöglichte, das Haus am Kronprinzenufer zu erwerben, wurde ihm »allerseits als persönliches Verdienst angerechnet« und sorgte dafür, dass er in seinen letzten Jahren ein angesehener Mann war (ebd.). Auf dem Sterbebett hat er seiner Frau aufgetragen, das Haus zu behalten, »damit die Leute sagen können: ›Da wohnt Frau Schickedanz‹«(12/140).

Schickedanz, Riekchen

Frau Hagelversicherungssekretär Schickedanz ist die Vermieterin der Barbys, die im Hochparterre des Hauses am Kronprinzenufer wohnt. Sie ist 60 Jahre alt, kinderlos und seit etwa zehn Jahren verwitwet. Die »kleine winzige Frau« bewahrt trotz ihrer realen gesellschaftlichen Unterlegenheit der gräflichen Familie gegenüber »eine merkwürdig gemessene Haltung« und empfindet sich als ebenbürtig (12/141). Tatsächlich kommt Riekchen Schickedanz ihr Leben im Rückblick »wie ein Märchen vor, drin sie die Rolle der Prinzessin spielte« (12/142). Sie ist immer hell gekleidet, liebt Maiblumen und schmückt am Tage von Armgards und Woldemars Hochzeit das Treppenhaus mit Blumen. Das Erbe ihres Mannes hält sie in Ehren und reinigt mit Hedwigs Hilfe einmal im Monat sämtliche Erinnerungsstücke. Dass Hedwig dabei sehr geschickt ist und zudem »mit immer neuen und oft sehr intrikaten Geschichten ins Feld zu rücken wußte« (12/143), söhnt Frau Schickedanz mit der »Ungehörigkeit« ihres »ewigen Dienstwechsels« aus (12/137).

Schmargendorf, Fräulein von

Eine der vier Konventualinnen, die auf Kloster Wutz leben. Sie ist »klein und rundlich, einige vierzig Jahre alt, von kurzem Hals und wenig Taille« (7/99). Heiratschancen hat sie in ihrem Alter keine mehr, aber dennoch möchte sie jung bleiben und findet Gefallen an dem Flirt mit Czako. Dass dieser sich bei aller Sympathie auch ein wenig über sie lustig macht, scheint sie – anders als Adelheid – nicht zu bemerken (vgl. 9/114). Ebenso wenig bemerkt sie, dass Adelheid, nachdem Rex und Czako abgereist sind, gern mit ihrem Neffen Woldemar alleine sprechen würde und sie folglich stört (vgl. 9/111). Adelheid beschreibt die Konventualin als »immer munter und ausgelassen«, dabei aber auch »bekenntnisstreng« (7/97). Sie gibt zu, »daß man über die gute Seele lachen kann«, ist aber gleichzeitig überzeugt, dass die Schmargendorf »doch auch was Gehaltvolles in ihrer Natur« hat (9/113).

Söderkopp

Der Drechslergeselle Söderkopp ist ein Anhänger und Vertrauter des sozialdemokratischen Kandidaten Torgelow. Er versteht es »die Leute zu packen«, sodass manch einer ihn schon für den kommenden Bebel hält (19/222). Seine besondere Antipathie gilt Gundermann (vgl. ebd.).

Sponholz, Dr.

Arzt aus Gransee, arbeitet seit 35 Jahren im Landkreis und hat sich dadurch, wie er sagt, »sein Gliederreißen ehrlich verdient« (37/378). Er behandelt Dubslav und verschreibt ihm Digitalis, bricht jedoch kurze Zeit später mit seiner an Rheuma leidenden Frau zu einer sechswöchigen Reise in das Schweizer Kurbad Pfäffers auf und kann sich deshalb nicht länger selbst um den alten Stechlin kümmern.

Der Arzt spricht mit Dubslav recht ungeniert über die hohen Kosten, die ihm das Organisieren seines Stellvertreters Dr. Moscheles und die Reise nach Pfäffers verursachen (vgl. 37/377). Auf der anderen Seite hat Martin gehört, dass Sponholz bei den Globsower Arbeitern immer eine »Supp mit en beten wat in« empfehle, was darauf schließen lässt, dass ihm die Armut dieser Menschen nicht bewusst ist (38/395). Sponholz ist indirekt auch dafür verantwortlich, dass der kranke Dubslav plötzlich so viel unerwarteten Besuch bekommt, denn er erzählt vor seiner Abreise Freunden, dass der Zustand des Alten ihm Sorgen mache (vgl. 37/381), während er Dubslav gegenüber behauptet hat, es sei »[n]ichts von Belang« (36/371).

Sponholz' Vorhersage, dass sein Stellvertreter Dubslav gefallen werde (vgl. 37/380), erweist sich als gründlich falsch. Nach nur zwei Besuchen lehnt der Kranke es ab, sich weiter von Dr. Moscheles behandeln zu lassen, möchte aus Rücksicht auf Sponholz aber auch keinen anderen Arzt kommen lassen (vgl. 38/395). Kurze Zeit später stirbt er, bevor Sponholz aus der Schweiz zurück ist.

Stechlin, Adelheid von

Domina zu Kloster Wutz, ältere, unverheiratete Halbschwester von Dubslav und Patentante von Woldemar. Zu Beginn der Romanhandlung ist sie 75 Jahre alt, aber, Czako zufolge, »wohl konserviert« (7/93). Sie ist groß und sehr schlank, und der »hohe hagere Hals« lässt sie »noch herrischer erscheinen«, als sie ohnehin ist (7/95). Dubslav fühlt sich von ihr »zeitlebens schlecht behandelt« (5/56). Er mag sie nicht und beschreibt sie als »halb Königin Elisabeth, halb Kaffeeschwester« (ebd.). Unter den vier Stiftsdamen, die außer ihr auf Kloster Wutz leben, hat Adelheid wechselnde Lieblinge (vgl. 7/94); am wichtigsten scheint ihr aber der Verwalter zu sein, Rentmeister Fix, von dem sie in einem fort spricht (vgl. 5/56).

Adelheid hat von der Mutter her ererbtes Vermögen und hilft auch Dubslav finanziell, aber nicht aus Liebe, sondern nur »aus einem allgemeinen Stechlinschen Familiengefühl« und aus Sorge, der Besitz könne durch Überschuldung in andere Hände geraten (1/12). Anders als sein Vater steht Woldemar gut mit Adelheid und besucht sie jedes Mal, wenn er in der Nähe ist. Sie ihrerseits liebt ihren Neffen und unterstützt auch ihn finanziell. Dubslav ist sich darüber im Klaren, dass es ohne sie »überhaupt gar nicht gegangen« wäre und dass Vater und Sohn ihr daher dankbar sein müssen (5/56 f.).

Adelheid hat »einen guten Verstand« (32/343), sie versteht »zu rechnen und anzuordnen« und ist »unter Umständen auch voller Interesse für ganz bestimmte Personen und Dinge« (7/95). Sie ist »eine gute Wirtin«, wenn ihr auch die Fähigkeit abgeht, Tischgespräche zu leiten (8/105). »Was aber […] den Verkehr mit ihr so schwer machte, das war die tiefe Prosa ihrer Natur, das märkisch Enge, das Mißtrauen gegen alles, was die Welt der Schönheit oder gar der Freiheit auch nur streifte.« (7/95) Entsprechend ist sie keineswegs erfreut zu hören, dass Woldemar sich eine Braut gewählt hat, die in London geboren ist und eine Schweizerin zur Mutter hat (vgl. 16/188). In der Hoffnung, dass er sich noch nicht endgültig entschieden hat, ist ihr Rat an Woldemar: »Heirate heimisch und heirate lutherisch« (16/190). Ihrer Überzeugung nach liegt ihre Heimat, die Mittelmark, nämlich »nicht so bloß äußerlich in der Mitte«, sondern ihre Bewohner zeichnen sich dadurch aus, dass sie »auch in allem die rechte Mitte haben und halten« (16/189).

Im Vorfeld des Besuches von Armgard und Melusine macht Dubslav sich Sorgen, was für einen Eindruck Adelheid wohl auf die vornehmen Damen machen wird (vgl. 26/295). Denn man sieht ihr an, »daß sie nur immer vorübergehend in einer höheren Gesellschaftssphäre gelebt hatte, sich trotzdem aber zeitlebens der angeborenen Zugehörigkeit zu eben diesen Kreisen bewußt gewesen war« (7/95). Dieser Hang seiner Schwester zum Dünkel ist Dubslav unangenehm, am meisten ängstigt ihn aber der Gedanke an Adelheids Angewohnheit, »wenn sie sich einigermaßen behaglich zu fühlen anfing, ihre Wutzer Gesamtchaussure auf das Kamingitter zu stellen und die Wärme von unten her einzusaugen« (26/298).

Tatsächlich hinterlässt Adelheid keinen guten Eindruck bei Armgard und Melusine, wenn auch aus anderen Gründen. Melusine beschreibt sie Graf Barby gegenüber als »zurückgeblieben, vorweltlich« (32/341); und auch Dubslav stellt einmal fest: »Ich gelte schon für leidlich altmodisch, aber du, du bist ja geradezu petrefakt.« (31/336) Kloster Wutz, wo Adelheid lebt, entspricht dieser Geisteshaltung: Im Dreißigjährigen Krieg schwer zerstört, ist nun alles heruntergekommen und verfallen; auf dem Wirtschaftshof sieht man »wirr durcheinander geworfene, von Baum und Strauch überwachsene Trümmermassen«, und in die Mauerreste sind »die Wohnungen der Klosterfrauen eingebaut« (7/91 f.). Nur eine einzige hohe Giebelwand eines früheren Gebäudes steht noch, »wie bereit, alles unter ihrem beständig drohenden Niedersturz zu begraben« (7/92). Adelheid ist denn auch, als sie die heitere Melusine erstmals trifft, »wie gelähmt«, und eine innere Stimme raunt ihr zu: »Ja, dies Leichte, das du nicht hast, das ist das Leben, und das Schwere, das du hast, das ist eben das Gegenteil davon.« (26/299)

Als Dubslav erkrankt und Adelheid nach Stechlin kommt, fühlt Dubslav schon bei der Meldung ihrer Ankunft eine massive Verschlechterung seines Gesundheitszustandes (vgl. 39/410), und es dauert nicht lange, bis er die Schwester nicht mehr ertragen kann und sie so schnell wie möglich wieder loswerden möchte. Adelheid wird »von Tag zu Tag rechthaberischer und herrischer«, sie will ihm den Katzenpfötchenthee der Buschen »wegdisputieren« und ereifert sich über die Alte und ihre »Hexenkünste« (39/413). Dubslav lässt die kleine Agnes kommen, weil er weiß, wie sehr Adelheid sich durch ihre Gegenwart beleidigt fühlen wird. In der Tat ist Adelheid entrüstet und sieht in den roten Strümpfen, die Agnes strickt, »ein Zeichen von Ungehörigkeit und Verkehrtheit« (39/418). Sie erwägt sogar die Möglichkeit, dass Dubslav der Vater des Kindes sein könnte, und reist kurz darauf ab (vgl. 39/420). Ihr Bruder ist zunächst froh darüber, stellt dann aber fest, dass ihre Gegenwart doch besser war als die Einsamkeit. Zwar war ihr Besuch »sehr unbequem gewesen, aber sie besaß doch nebenher einen guten Verstand, und in allem, was sie sagte, war etwas, worüber sich streiten und ein Feuerwerk von Anzüglichkeiten und kleinen Witzen abbrennen ließ« (40/426).

Fromm ist die Domina nach Armgards Einschätzung »wohl eigentlich nicht« (32/340), aber auf ihre Tugend hält sie sich einiges zugute. Dubslav erinnert sich, dass die Schwester seinerzeit einen reizenden Verehrer »durch ihre Tugend weggegrault« hat, »bloß weil er über ein schon halb abgestorbenes ›Verhältnis‹ und eine freilich noch fortlebende Spielschuld verfügte« (23/266). Melusine jedenfalls kann den Ton »sittlicher Überheblichkeit« nicht ertragen, in dem Adelheid spricht (44/453). »Sie waren eben Antipoden: Stiftsdame und Weltdame, Wutz und Windsor, vor allem enge und weite Seele.« (44/452)

Nach Dubslavs Tod ist es Adelheid, die den Barbys »kurz und förmlich die Anzeige von dem Ableben ihres Bruders« macht (43/444).

Stechlin, Dubslav von

Vater von Woldemar und Halbbruder von Adelheid von Stechlin. Er ist Major a. D., 66 Jahre alt und »der Typus eines Märkischen von Adel, aber von der milderen Observanz, eines jener erquicklichen Originale, bei denen sich selbst die Schwächen in Vorzüge verwandeln« (1/8). Humor und Selbstironie zeichnen ihn aus, wie er »seinem ganzen Wesen nach überhaupt hinter alles ein Fragezeichen« macht (ebd.). Die Romanhandlung spielt während des letzten Lebensjahres dieses Adeligen, dessen schönster Wesenszug »eine tiefe, so recht aus dem Herzen kommende Humanität« ist (ebd.).

Als Jugendlicher war Dubslav »lieber im Sattel als bei den Büchern«, hat deshalb erst im dritten Anlauf sein »Fähnrichsexamen« bestanden und danach seine militärische Laufbahn bei den brandenburgischen Kürassieren fortgesetzt, »bei denen selbstverständlich auch schon sein Vater gestanden hatte« (ebd.). Da seine Dienstjahre »im wesentlichen Friedensjahre« waren, hat er nie selbst gekämpft (vgl. 1/9). Nach der Geburt seines Sohnes Woldemar und dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864, bei dem er aber wiederum nicht »zur Aktion« kam, hat er sich auf den Familienbesitz Schloss Stechlin zurückgezogen, wo er »glückliche Tage, seine glücklichsten« verlebte, »aber sie waren von kurzer Dauer«, da schon ein Jahr darauf seine Frau starb (ebd.). Abgeschreckt von den drei Ehen seines eigenen Vaters, lehnte Dubslav es ab, sich erneut zu verheiraten, und lebt seitdem allein (vgl. ebd.).  

Er hat »einen Bismarckkopf«, sieht aber nicht ein, warum oder bei wem er sich dafür bedanken sollte, denn die Stechline sind seiner Meinung nach »auch nicht von schlechten Eltern« (1/10), wenn auch inzwischen »Leute von schwachen Mitteln, die sich nur eben noch« halten (1/11). Von den drei Frauen, die sein Vater in der Hoffnung auf eine »gute Partie« geheiratet hat, hat nämlich »nur die erste das in sie gesetzte Vertrauen gerechtfertigt« (1/11); und der Erbonkel mütterlicherseits, dem Dubslav seinen ungeliebten pommerschen Vornamen verdankt, hat ihn »schließlich schändlich im Stich gelassen« (1/10). Deshalb ist er auf finanzielle Hilfe angewiesen. Die bekommt er zum einen von Baruch Hirschfeld, der ihm Geld leiht und sich darüber freut, dass der Alte nicht um die hohen Zinsen feilscht (vgl. 1/12), zum anderen von seiner um zehn Jahre älteren Halbschwester Adelheid, die gegen den Bruder zwar »viel einzuwenden« hat, sich aber Sorgen macht, der Familienbesitz könne sonst womöglich eines Tages verloren gehen (ebd.).

Zwischen den Geschwistern herrscht tatsächlich ein starkes »Gefühl der Entfremdung«, sie sehen einander kaum (1/13), und Dubslav findet, dass Adelheid ihm in seiner langen Einsamkeit seit dem frühen Tod seiner Frau kein Trost war, sondern »immer bloß herbe wie 'n Holzapfel« (36/369). Regelmäßigen Umgang hat er daher nur mit Pastor Lorenzen und – seltener – mit Lehrer Krippenstapel, allenfalls noch mit Oberförster Katzler, aber alle drei »kamen nur, wenn sie gerufen wurden«, und so bleibt ihm nur sein Diener Engelke, »der in jedem Augenblicke Red' und Antwort stand« (1/13). Und wenn Dubslav auch eigentlich »nicht sehr für Freundschaften« ist, weil er zu sehr sieht, »was jedem einzelnen fehlte« (19/218), so empfindet er, der sich »gern was vorplaudern« lässt und selbst so gern plaudert (1/8), die fehlende Geselligkeit doch als Mangel. Dubslav ist ein gewandter und witziger Redner, seine scherzhafte Bemerkung über Czakos angebliche Redseligkeit klingt wie das eigene Programm: »Schweigen kleid't nicht jeden. Und dann sollen wir uns ja auch durch die Sprache vom Tier unterscheiden. Also wer am meisten red't, ist der reinste Mensch.« (2/24) In seinen Krankheitstagen ans Haus gefesselt und ohne Gesellschaft, wird ihm rasch »eine gewisse Verarmung fühlbar« (40/426).

Die andere Armut, die finanziellen Schwierigkeiten nämlich, sind auch an seinem Haus sichtbar, das seiner Meinung nach kein Schloss, sondern »nur ein alter Kasten« ist (1/10): An der Rampe bröckelt der Kalk (vgl. 1/7), die Veranda hat eine schadhafte Markise und die preußische Fahne auf dem Aussichtsturm ist verschlissen (vgl. 1/14). Engelkes Idee, die Fahne zu reparieren, indem er einen roten Streifen annäht, lehnt Dubslav aber entschieden ab und drückt damit zugleich seine politische Haltung aus: »Das alte Schwarz und Weiß hält gerade noch; aber wenn du was rotes dran nähst, dann reißt es gewiß.« (Ebd.)

Dass er in Zeiten eines gesellschaftlichen Umbruchs lebt, ist ihm voll bewusst. Die aufkommende Sozialdemokratie, die er mit der roten Farbe assoziiert, hält er aber für einen gefährlichen Irrweg, und das umso mehr, als er selbst, wie Czako bemerkt, im Leibe hat, »was die richtigen Junker alle haben: ein Stück Sozialdemokratie« (21/244). Der Arzt Moscheles mit seiner roten Krawatte und seinen Reden über den sozialdemokratischen Abgeordneten Torgelow ärgert Dubslav sehr (vgl. 38/394 f.); und er erhofft sich denn auch, dass sein Sohn Woldemar seine Begeisterung für das ›Neue‹ wieder ablegen, sich rückbesinnen und zu der Ansicht kommen wird, dass die Alten, auch wenn es ihnen selbst schlecht geht, »immer noch mehr Herz für die Torgelowschen im Leibe haben als alle Torgelows zusammengenommen« (41/439).

Dass Dubslav sich als Kandidat für die Konservativen aufstellen lässt, ist aber weniger seinem politischen Interesse geschuldet als der Tatsache, dass man ihn darum bittet: »Eigentlich mag ich nicht, aber ich soll« (2/24). Adelheid kommentiert die Kandidatur mit den Worten, ihr Bruder bilde sich sicher ein, ein Opfer zu bringen, aber im Grunde gehe es hier nur um »Eitelkeiten« (16/190). Tatsächlich kann Dubslav mit dem, »was sie jetzt das Parlamentarische nennen«, nicht viel anfangen (28/312). Woldemar macht sich Sorgen, der Vater könne durch die Kandidatur »zur komischen Figur werden« (17/192), denn er ist überzeugt, dass Dubslav zwar in geselliger Runde »mit viel gutem Menschenverstand und noch mehr Eulenspiegelei seine Meinung über allerhand politische Dinge zum besten geben«, nicht aber »im Reichstage fach- und sachgemäß sprechen« kann (21/239). Das mag auch daran liegen, dass Dubslav eine Neigung hat, »fünf gerade sein zu lassen« (1/8), und letztlich überhaupt »nicht vieles ernsthaft« nimmt (30/333). Er plaudert gern, hört gern anderer Leute freie Meinung, »je drastischer und extremer, desto besser«, und dabei liegt es ihm fern zu wünschen, dass »sich diese Meinung mit der seinigen deckte«, beinahe im Gegenteil (1/8). Er ist davon überzeugt, dass es ›unanfechtbare Wahrheiten‹ gar nicht gibt, »und wenn es welche giebt, so sind sie langweilig« (ebd.).

So erklärt sich auch, dass Dubslav Pastor Lorenzen die Erziehung seines Sohnes überlassen hat, obwohl er mit dessen politischen Anschauungen nicht übereinstimmt. Dubslav hält Lorenzen nämlich trotzdem für sehr klug und ist insgeheim auch gar nicht sicher, ob an den neuen Ideen des Pastors nicht doch etwas »dran« ist (23/266). Woldemar ist überzeugt, dass sein Vater im Grunde ein Liberaler ist, wenn er auch darüber lachen würde, »er lacht über nichts so sehr wie über Liberalismus«, doch Woldemar kennt niemanden, »der innerlich so frei wäre« wie Dubslav, der zwar ›ein echter alter Junker‹ ist, »aber doch auch wieder das volle Gegenteil davon« (12/136).

In den Augen des Sohnes ist Dubslav »die Güte und Liebe selbst« (26/294). Woldemar vergleicht ihn mit Graf Barby und findet bei beiden »keine Spur von Selbstsucht«, seinen Vater hält er aber für »ausgiebiger und wohl auch origineller« (12/136). Czako nennt Dubslav einen »famosen Alten« (2/21), und für Melusine, ist er »hors concours und geht noch über Woldemar hinaus« (32/343). Auch in Stechlin ist Dubslav sehr beliebt. Dass er von Gundermanns Intrigen gegen ihn nichts bemerkt hat, liegt, Uncke zufolge, an seiner eigenen Güte: »Herr Major denken immer das Gute von 'nem Menschen, weil Sie so viel zu Hause sitzen und selber so sind.« (28/313)

Zu den wenigen Dingen, die Dubslav nicht ertragen kann, gehören »Dünkel und Überheblichkeit« (1/8), »Polizeimaßregeln« (5/62) und »Prinzipienreitereien« (37/383). Die »Anzettelungen« von Koseleger und Ermyntrud Katzler gegen Krippenstapel und Lorenzen ärgern ihn deshalb sehr (37/392). Seiner Überzeugung nach sind alle Worte, »die von Herzen kommen«, gute Worte, und wenn sie ihm helfen, dann frage er »nicht viel danach, ob es sogenannte ›richtige‹ Worte sind oder nicht« (37/391). Umgekehrt betont auch Lorenzen in der Grabrede, dass Dubslav zwar »ein Alter« zu sein schien, »in dem, wie er Zeit und Leben ansah«, dass er aber »für die, die sein wahres Wesen kannten«, kein Alter war, »freilich auch kein Neuer. Er hatte vielmehr das, was über alles Zeitliche hinaus liegt, was immer gilt und immer gelten wird: ein Herz.« (43/448 f.)

Schwarz-Weiß-Rot war die Fahne des Deutschen Reiches seit 1871, vgl. Kommentar S. 554.

Stechlin, Woldemar von

Sohn von Dubslav und Neffe von Adelheid von Stechlin. Woldemar ist Rittmeister beim ersten Regiment der Gardedragoner in Berlin und zu Beginn der Romanhandlung 32 Jahre alt. Als Freund von Rex und Czako und als späterer Ehemann von Armgard ist er das Bindeglied zwischen dem Stechliner und dem Berliner Personal des Romans.

Woldemar ist allseits beliebt, für Czako »der beste Kerl der Welt« (2/21), und Rex schätzt an ihm seine »sittliche Natur« (6/85). Rex weiß außerdem, dass Woldemar in seinem Regiment »Liebling bei jedem« ist, auch der Oberst halte große Stücke auf ihn, »und die Prinzen machen ihm beinah den Hof« (2/22). Ebenso im Haus der Barbys. Auch hier hat man sich an Woldemar »rasch attachiert, und die freundlichen Gefühle, denen er bei dem alten Grafen sowohl wie bei den Töchtern begegnete, wurden von allen Hausbewohnern geteilt«, so auch von Hedwig, die, wenn er kommt, aus dem Fenster schaut und sagt: »So einen, – ja, das lass' ich mir gefallen.« (12/146) Graf Barby mag an Woldemar, dass er »so was Ruhiges und Gesetztes« hat und »immer schlicht und natürlich« ist (11/133).

Darüber hinaus hat Woldemar diplomatisches Geschick und kommt mit den unterschiedlichsten Menschen und Gesprächssituationen zurecht. So versucht er, Dubslav in seinen Tiraden gegen Adelheid zu bremsen (vgl. 5/56), interveniert bei Rex und Krippenstapel (vgl. 5/72); er hat sogar eine Technik entwickelt für den Fall, dass er auf Kloster Wutz die wenig kommunikative Triglaff als Tischdame hat (vgl. 8/106); und während des Weihnachtsbesuches bemüht er sich redlich, »die der Tante so mißfällige Konversation auf andres überzulenken« (27/305). Dank seiner Höflichkeit kommt er auch mit den reizbaren Künstlern Wrschowitz und Cujacius zurecht, und Melusine findet, dass Lorenzen auf seinen »Zögling« stolz sein kann (29/318).

Rex wundert sich daher sehr, als Czako, nachdem er Dubslav kennengelernt hat, bemerkt, er hätte nicht gedacht, dass Woldemar so einen »famosen Alten haben könnte« (2/21). Er habe durchaus nichts gegen Woldemar, erklärt Czako, nur passe dieser »nicht recht an seine Stelle« (ebd.). Gewisse Zweifel an Woldemars Charakterstärke sprechen sich in Czakos Worten aus, der weiter ausführt, Woldemar könne mit all den Prinzen in seinem Regiment nicht mithalten, wenn er es auch versuche und gewisse »Gefühlsluxusse, Gesinnungsluxusse und, wenn es sein muß, auch Freiheitsluxusse« mitmache (2/23). »Richtige Prinzen können sich das leisten, die verbebeln nicht leicht. Aber Stechlin! Stechlin ist ein reizender Kerl, aber er ist doch bloß ein Mensch.« (Ebd.)

Auch Dubslav ist sich keineswegs sicher, wie es um Woldemars politische Gesinnung bestellt ist, wenn er ihm auch »einen stark liberalen Zug« attestiert (35/365); sehr sicher ist er dagegen, dass Woldemar »all den Unsinn« von Lorenzen hat (41/437). Die Zukunftsvorstellung von einem rauschendem Leben des jungen Paares auf Stechlin, die Dubslav zeichnet, ist vor dem Hintergrund von Woldemars ruhigem und bescheidenem Wesen wenig realistisch, zeugt aber auch davon, wie schlecht der Vater den Sohn einschätzen kann (41/437 f.). Lorenzens weit nüchternere Vorhersage – »nach einem halben Jahre lenkt der Neuerer wieder in alte Bahnen und Geleise ein« – erweist sich am Ende des Romans als zutreffend (41/439).

Melusine wendet sich nach Armgards Verlobung ebenfalls an Lorenzen, denn bei aller Sympathie für ihren künftigen Schwager ist sie der Ansicht, dass er Unterstützung braucht: »Er ist feinen Sinnes, und wer fein ist, ist oft bestimmbar. Er ist auch nicht geistig bedeutend genug, um sich gegen abweichende Meinungen, gegen Irrtümer und Standesvorurteile wehren zu können. Er bedarf der Stütze.« (29/320) Dass Melusines Einschätzung richtig ist, beweisen Woldemars etwas dünkelhafte Aussagen über seinen Freund Czako (vgl. 9/115 f.), und selbst über Rex, dem er sich überlegen glaubt, weil der nur dem Zweiten Garderegiment angehört, nicht wie er dem ersten (vgl. 9/116). Sogar Adelheid ist überrascht, dass Woldemar ihr »mit solchem Vorurteil« und »solchen Überheblichkeiten« kommt (9/117). Ansonsten betreffen Adelheids Sorgen aber eher die Widerstandskräfte ihres ›armen Woldemars‹ in der Nähe der verführerischen Melusine (vgl. 31/337): »Der is ja solcher Eva gegenüber von Anfang an verloren. Eh' er noch weiß, was los ist, ist er schon umstrickt, trotzdem er doch bloß ihr Schwager ist.« (31/338)

Der mangelnden Charakterfestigkeit gesellt sich eine gewisse Steifheit hinzu. So antwortet Woldemar seinem Vater auf die Frage nach möglichen Heiratsplänen: »[M]eine Wünsche haben ein bestimmtes Ziel, und ich darf sagen, mich beschäftigen diese Dinge« (5/57). Dubslav mokiert sich ausführlich über die Wendung ›sich beschäftigen‹ in diesem Zusammenhang und hätte von seinem Sohn gerne etwas gehört, »was ein bißchen wie Leidenschaft aussieht« (5/57 f.). Davon ist bei Woldemar aber auch nach Verlobung und Hochzeit nichts zu spüren. Melusine jedenfalls findet es »geradezu unerhört«, dass er zu Beginn der Hochzeitsreise mit verklärtem Gesicht die Besichtigung der Sixtinischen Madonna für den nächsten Vormittag ankündigt, weil es ihrer Ansicht nach »eine Beleidigung ist, sich auf eine Madonna so extrem zu freuen, wenn man eine Braut oder gar eine junge Frau an der Seite hat« (35/366). Armgard spottet in einem Brief von der Hochzeitsreise auch ein wenig über Woldemars Bildungseifer, ihr fröhlicher Brief macht aber sehr deutlich, dass sie selbst auch Spaß daran findet (vgl. 38/400 f.), und bestätigt damit auch, dass Woldemar die für ihn richtige der Schwestern gewählt hat, auch wenn die meisten anderen Figuren Melusine viel interessanter finden. Dass Melusine genau das ist, was Dubslav »brauchte, wobei ihm das Herz aufging«, erkennt Woldemar schon vor dem Weihnachtsbesuch (26/293). Dubslav selbst hat allerdings seinerzeit auch ein ›junges blasses Fräulein‹ geheiratet, Woldemar tritt also in diesem Punkt in des Vaters Fußstapfen (vgl. 23/266).

So wenig realistisch die Zukunftsvisionen sind, die Dubslav sich für Woldemar ausmalt, so gut kennt dieser umgekehrt seinen Vater. Als Dubslav sich als Kandidat für die Konservativen aufstellen lässt, hat Woldemar Sorge, er könne, weil er kein Politiker ist, »zur komischen Figur werden«, und »dieser Gedanke, war ihm, der den Vater schwärmerisch liebte, sehr schmerzlich« (17/192). Woldemar ist »so durchdrungen davon«, dass ein Sitz im Reichstag nicht das Richtige für Dubslav gewesen wäre, dass er, obwohl er »als Sohn des Alten immerhin wie beteiligt war«, am Ende froh über die Wahlniederlage ist (21/239). Für eine kleine Verstimmung sorgt Dubslavs Antwortbrief auf die Nachricht von der Verlobung, den Woldemar etwas unpassend findet. Doch er überwindet dieses Gefühl rasch, »und am dritten Tag las er alles schon mit einer gewissen Freudigkeit. Ganz der Alte; jede Zeile voll Liebe, voll Güte, voll Schnurrigkeiten« (26/293).

Dubslavs Tod trifft Woldemar hart, umso mehr als er und Armgard noch auf Hochzeitsreise sind und erst verspätet per Brief von Melusine davon erfahren (vgl. 45/457). Schon wenige Monate später freut sich Woldemar jedoch sehr, als Armgard erklärt, nach Stechlin umziehen zu wollen. Der Abschied aus dem Regiment fällt ihm nicht schwer: »Liebenswürdig und bescheiden wie er war, stand ihm längst fest, daß er nicht berufen sei, jemals eine Generalstabsgröße zu werden, während das alte märkische Junkertum, von dem frei zu sein er sich eingebildet hatte, sich allmälig in ihm zu regen begann.« (46/461)

Storbeck, von

Adliger aus dem Landkreis und Parteigenosse Dubslavs. Er sitzt am Wahltag neben von Zühlen und van dem Peerenboom an der Urne. Im Vergleich zu Peerenboom ist seine Lebensgeschichte »durchschnittsmäßiger« (19/217). Wie die anderen konservativen Parteigenossen ist auch er unter den Gästen bei Dubslavs Beerdigung.

Szilagy, von

Freund und ehemaliger Regimentskamerad von Woldemar bei den Gardedragonern und Gast auf dessen Hochzeit. Im Anschluss an die Hochzeitsfeier schließt er sich Cujacius, Wrschowitz, Baron Planta und Dr. Pusch an, um mit ihnen in ein Lokal in der Friedrichstraße zu gehen. Szilagy hat schon vor Jahren den Dienst quittiert, um sich stattdessen zunächst (erfolglos) als Genremaler, dann (ebenso erfolglos) als Schriftsteller zu versuchen (vgl. 34/354 f.). Seinen Band mit Liebesgeschichten unter dem Titel »Bellis perennis« wollte keine Zeitung abdrucken und kein Kritiker besprechen (ebd.). Durch das Geständnis, es zuletzt mit Marinemalerei versucht zu haben, löst Szilagy ungewollt das Streitgespräch zwischen Cujacius und Wrschowitz aus und entfernt sich, als dieses zu heftig wird (vgl. 34/358 f.)

Thormeyer

Rektor des Gymnasiums in Rheinsberg, Parteigenosse von Dubslav. Thormeyer hat »große, vorstehende Augen, ein mächtiges Doppelkinn […] und außerdem ein Renomme wegen seiner Geschichten« (20/225). Eine davon erzählt er am Wahlabend, nachdem er sich künstlich darum hat bitten lassen; es geht darin um eine siamesische Prinzessin, die man zur Wiederherstellung ihrer geraubten Jungfräulichkeit in Büffelblut badet (vgl. 20/233-235). Rektor Thormeyer ist sehr konservativ und ist in der Vergangenheit für sein politisches Engagement bereits ausgezeichnet worden (vgl. 20/225). Die ihm verliehenen Orden trägt er voller Stolz bei Dubslavs Beerdigung, doch der Edle Herr von Alten-Friesack stiehlt ihm durch seine bloße Präsenz die Schau (vgl. 43/446 f.).

Torgelow

Feilenhauer Torgelow ist der siegreiche Kandidat der Sozialdemokraten bei der Wahl für den Reichstag. Die Figur tritt im Roman nicht auf, wird als einer der Gegenkandidaten Dubslavs aber mehrfach erwähnt, zumal Torgelow »die kleinen Leute hinter sich« hat (19/222). Diese Aussage wird am Abend des Wahltages durch Tuxen bestätigt. Später stellt sich jedoch heraus, dass Torgelow die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Moscheles nennt seine Wahl einen »Mißgriff« (38/393) und Uncke berichtet von einem Auftritt Torgelows im Reichstag, der so peinlich war, »daß es die andern geniert hat« (41/433). Dubslav amüsiert sich und meint, wenn Torgelow und die Seinen erst einmal gezeigt haben, dass sie nichts können, »dann sind wir vielleicht wieder dran und kommen noch mal oben auf« (ebd.).

Triglaff, Fräulein von

Eine der Konventualinnen im Kloster Wutz, die Woldemar bei dem Besuch zu Beginn des Romans als Tischdame zufällt. Czako glaubt sofort eine Ähnlichkeit zwischen ihrem und Krippenstapels »Eulengesicht« (6/83) zu erkennen und flüstert Rex zu: »Krippenstapel, weibliche Linie.« (7/104). Grund dafür sind ihre »tiefliegenden, starren Kakadu-Augen, die in das Wesen aller Dinge einzudringen« scheinen (ebd.). Tatsächlich verbindet sich bei ihr jedoch »der Ausdruck höchster Tiefsinnigkeit mit ganz ungewöhnlicher Umnachtung«; sie pflegt »eine stupende Triglaffvorstellung« und scheint sich für wenig anderes zu interessieren (8/105). Mehr »Tafelornament« als Gesellschafterin, ist sie Woldemar als Tischdame nicht sehr angenehm. Nachdem Rex und Czako Kloster Wutz verlassen haben, bemerkt sie nicht, dass Adelheid mit ihrem Neffen Woldemar allein sein möchte, und bleibt sitzen, aber nicht um »etwas zu belauschen«, sondern um dem »Beisammensein eine durch ihre Triglaffgegenwart gesteigerte Weihe zu geben« (9/112). Adelheid hält die Triglaff für »sehr dumm, aber doch wenigstens manierlich« (9/113).

Tucheband

Oberlehrer in Templin, Freund und Kollege von Krippenstapel, der ihn mehrfach im Gespräch erwähnt und sich wissenschaftlich auf ihn beruft (vgl. z.B. 5/71). Auch Lorenzen nimmt Zuflucht zu Tuchebands Erkenntnissen, um im Gespräch mit Rex politischen Fragen auszuweichen (vgl. 6/80). Am Schluss des Romans einigt sich Krippenstapel mit Tucheband auf ein Begrüßungsgedicht für Woldemar und Armgard (vgl. 46/462).

Tuxen

Tuxen ist ein alter Trinker aus dem nahe gelegenen Ort Dietrichs-Ofen. Er liegt stark alkoholisiert auf der Straße, als Dubslav aus Rheinsberg von der Wahl zurückkommt. Dubslav hilft seinem Kutscher Martin, Tuxen zunächst auf den Rücksitz, dann – da er protestiert – auf den Bock zu hieven, wo der Betrunkene still sitzt und sich vor Dubslav schämt (vgl. 20/237 f.). Dubslav nutzt die Gelegenheit, ihn danach auszufragen, wen das einfache Volk gewählt hat, und erfährt, dass es der sozialdemokratische Kandidat Torgelow war. Dubslav lacht Tuxen aus, gibt ihm aber, als er in Dietrichs-Ofen absteigt, trotzdem noch ein wenig Geld (vgl. 20/238).

Uncke

Fußgendarm Uncke ist der Vertreter der lokalen Sicherheitsbehörde, also Polizist. Bei Versammlungen wie der Wahlversammlung in Stechlin muss er zugegen sein und nimmt diese Einsätze und seine Rolle dabei sehr ernst. Das »rote, verkupferte Gesicht«, der »gefärbte Schuhbürstenbackenbart, vor allem aber das Augenspiel, mit dem er den Verhandlungen zu folgen« pflegt, machen Uncke zur komischen Figur (17/195). Gleichzeitig ist er aber gutmütig und schreibt »nie mehr als nötig« auf (ebd.). Unckes Lieblingswort ist »zweideutig« (26/296). Seinem Namen alle Ehre machend blickt er pessimistisch auf seine Mitmenschen: »Alle lügen sie. Was sie meinen, das sagen sie nich und was sie sagen, das meinen sie nich. Is kein Verlaß mehr; alles zweideutig.« (28/313) Uncke bezieht sich dabei konkret auf Gundermann und auf Isidor Hirschfeld.

Als Uncke Dubslav während seiner Krankheit besuchen kommt, freut der Alte sich aufrichtig, »mal wieder 'nen vernünftigen Menschen zu sehn« (41/431). Insbesondere erheitert ihn, dass der Polizist, als vom ›lieben Gott‹ die Rede ist, dieses Wort mit einer Kopfbewegung begleitet, die seine respektvolle Stellung (aber doch auch nicht mehr) zum lieben Gott ausdrücken sollte« (41/432).

Wohlgemuth, Herr von

Regimentskamerad von Woldemar, der bei dem Gespräch zwischen Raspe, Herbstfelde und Grumbach über Woldemars Abordnung nach England als stummer Zuhörer zugegen ist (vgl. 21/245).

Wolfshagen, Herr von

Regimentskamerad von Woldemar, der bei dem Gespräch zwischen Raspe, Herbstfelde und Grumbach über Woldemars Abordnung nach England als stummer Zuhörer zugegen ist (vgl. 21/245).

Wrschowitz, Dr. Niels

Doktor der Musik, Armgards Klavierlehrer und häufiger Gast im Haus der Barbys. Wrschowitz ist unverheiratet, ein Tscheche mit starkem Akzent und radikalen Ansichten, die bei Gesellschaften immer mal wieder für peinliche Situationen sorgen – Armgard jedenfalls misstraut seiner »Salonfähigkeit« und ist deshalb bemüht, das Gespräch auf unverfängliche Themen zu lenken (13/152). Im Gespräch mit Armgard und Woldemar drückt er innerhalb kürzester Zeit sechsmal seine Zustimmung mit »sehr warr, sehr warr« aus (13/151-155) und spricht sich entschieden für »Krittikk« aus, ohne dass aber klar wäre, wogegen die Kritik sich richten soll (13/155, vgl. auch 24/272). Auch neigt der Musiker dazu, schroff und wenig höflich zu sein. Als Graf Barby in der Absicht, Wrschowitz' gemeinsames Klavierspiel mit Armgard zu loben, seine Vorliebe für vierhändiges Spiel erklärt, entgegnet Wrschowitz wenig charmant, »daß man dieser Auffassung bei Dilettanten sehr häufig begegne« (24/273).

Besonders reizbar ist er, wenn es um Skandinavien geht, da er seinen Vornamen Niels nicht mag und seinem Vater, einem Verehrer des dänischen Komponisten Niels Gade, die Namenswahl sehr übel nimmt. Graf Barby erklärt Woldemar, dass Wrschowitz seinen Doktortitel eigentlich nur gemacht habe, »um den Niels auf seiner Visitenkarte los zu werden« (13/149 f.). Seine Empfehlung an Woldemar lautet daher, das Thema Skandinavien überhaupt zu meiden, denn Wrschowitz »wittert überall Verrat«, aber »wenn man auf seiner Hut ist, ist er ein feiner und gebildeter Mann« (13/150). Der heftige Streit zwischen Wrschowitz und Cujacius im Anschluss an die Hochzeitsfeier entsteht gerade daraus, dass der Malerprofessor auf die bekannte Überempfindlichkeit des Musikers keine Rücksicht nimmt bzw. diese gezielt befeuert (vgl. 34/358 f.).

Abseits aller »Krittikk« scheint Wrschowitz jedoch auch eine abergläubische Seite zu haben, denn Woldemars Beschreibung der »vornehmen Beziehungen« des Stechlinsees macht großen Eindruck auf ihn (13/159). Seiner Schülerin Armgard ist der Musiker sehr zugetan, und Graf Barby erklärt, dass er ihn trotz aller Schwächen »eigentlich gern« hat, »weil er anders ist wie andre« (13/150).

Zühlen, von

Parteigenosse von Dubslav, der am Wahltag hinter der Urne sitzt. Nach Dubslavs Ansicht ist von Zühlen neben Baron Beetz einer der besten, den man einladen könnte, wenn man repräsentieren will, allerdings wohnen beide zu weit entfernt (vgl. 26/296). Er ist »ein guter Siebziger« und auch bei seinen politischen Gegnern beliebt, weil er »die groteskesten Feudalansichten mit ebenso grotesker Bonhomie zu verbinden« weiß (19/216). Die Wahl hält er offenbar für unnötig oder bereits verloren, denn als Dubslav seinen Stimmzettel einwirft, scheint Zühlens Blick »in einer Mischung von Feierlichkeit und Ulk« auszudrücken, dass man »die Komödie mit durchmachen« muss (19/217). Er ist es auch, der trotz seiner Sympathie für Dubslav entschieden für den Edlen Herrn von Alten-Friesack als Redner plädiert (20/226). Zühlen ist der einzige, der Rektor Thormeyers Geschichte von der siamesischen Prinzessin (vgl. 20/234 f.) etwas abgewinnen kann (vgl. 20/235).

© Meike van Hoorn 2018 – Alle Rechte vorbehalten.