Barby, Graf von

Vater von Melusine und Armgard, ein begüterter, politisch liberal eingestellter Botschaftsrat a. D. von Mitte 60 und seit ca. 15 Jahren verwitwet. Er lebt mit seinen Töchtern in Berlin am Kronprinzenufer in einer Mietwohnung, die, gemessen an der gesellschaftlichen Stellung der Familie Barby, zwar nicht besonders groß ist, an der sie aber hängen und die sie deshalb nicht aufgeben wollen (vgl. 11/127).

Graf Barby wurde, wie rückblickend erzählt wird, im Juli 1830 »auf einem der an der mittleren Elbe gelegenen Barbyschen Güter« geboren, kam im Alter von zwölf an die Ritterakademie, trat mit 18 ins Regiment Garde du Corps ein und war mit 30 Rittmeister (12/144). Bei einem Kuraufenthalt in Ragaz freundeter er sich mit dem schweizerischen Freiherrn von Planta an und verliebte sich in dessen Tochter und Erbin, seine spätere Frau. Bald darauf gab er den militärischen Dienst zugunsten des diplomatischen auf und siedelte nach London über (vgl. 12/144 f.). Dort lebte Barby fast 20 Jahre und dort wurden im Abstand von ca. elf Jahren auch die beiden Töchter Melusine und Armgard geboren. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau war dem Grafen »der Aufenthalt an der ihm so lieb gewordenen Stätte« jedoch vergällt (12/145). Er lebte mit seinen Töchtern eine Zeit lang in der Schweiz und in Italien, wo Melusine den Grafen Ghiberti heiratete, kehrte aber nach Melusines Scheidung nach Deutschland zurück und nahm Wohnung am Kronprinzenufer in Berlin. Hier führt er nun mit seinen beiden Töchtern seit ungefähr zehn Jahren ein eher zurückgezogenes Leben. Zum engsten Kreis des Hauses gehören die Berchtesgadens, die der Graf noch aus Londoner Zeiten kennt, Hofprediger Frommel, Dr. Wrschowitz und seit Kurzem Woldemar von Stechlin (vgl. 12/146).

Der Graf ist, Rex zufolge, »ein distinguierter alter Herr« (10/123), er hat ein »gutes altes Gesicht« (13/156), und selbst Adelheid muss sich eingestehen, »daß sie sich den Alten eigentlich schlimmer gedacht habe« (43/452). Äußerlich ähnelt er Dubslav, wie nicht nur Woldemar, sondern auch Czako und Rex feststellen (vgl. 12/136 und 21/243). Woldemar ist des Lobes voll und vergleicht den Grafen auch charakterlich mit seinem eigenen Vater: »dasselbe humane Wesen, dieselbe Freundlichkeit, dieselbe gute Laune« und vor allem »keine Spur von Selbstsucht« (12/136). Die wichtigste Ähnlichkeit ist für Woldemar aber »die gesamte Hausatmosphäre, das Liberale«, auch wenn Dubslav es für seine Person bestreiten und darüber lachen würde (ebd.). Auch Czako ist überzeugt: »Der alte Graf ist lange nicht so liberal und der alte Dubslav lange nicht so junkerlich, wie’s aussieht.« (21/244) Anders als Dubslav war Graf Barby jedoch viel in Europa unterwegs und ist ein »Weltmann«, der weiß, »daß hinterm Berge auch noch Leute wohnen. Und mitunter noch ganz andere.« (12/137) Czako meint aber, der Graf sei, Botschaftsrat hin oder her, letztlich »doch auch bloß ein unexaminierter Naturmensch«, und gerade das gebe ihm seinen Charme (21/243).

Graf Barby hat eine Schwäche dafür, Geschichten von anderen Leuten zu hören. So lauscht er mit Vergnügen den Nachrichten vom Hofe, die die Baronin Berchtesgaden in vollendeter Indiskretion erzählt (vgl. 24/270), und auch der ihm ansonsten nicht sonderlich sympathische Dr. Pusch ist ein gern gesehener Gast, weil er Kontakte zu Ministerien und Gesandtschaften hat und »aus aller Welt Enden« zu berichten weiß (34/353). Dubslavs Vermutung, dass gräflichen Familien wie den Barbys »das Fühlunghalten nach oben« immer sehr wichtig sei, findet Woldemar falsch (26/292). Für ihn sind die Barbys »doch anders, die suchten nicht Fühlung nach oben und nicht nach unten, die marchandierten nicht mit links und nicht mit rechts, die waren nur Menschen, und daß sie nur das sein wollten, das war ihr Glück und zugleich ihr Hochgefühl« (26/293).

Gesundheitlich ist Graf Barby nicht in der allerbesten Verfassung; er hat starke neuralgische Schmerzen im rechten Bein, das er deshalb auch in Gesellschaft gelegentlich hochlagern muss (vgl. 35/360). Offenbar hat er auch eine Vorahnung seines baldigen Ablebens, denn nach Dubslavs Beisetzung in Stechlin erklärt er seine Begeisterung für die Frühlingslandschaft damit, dass er als erster davon werde Abschied nehmen müssen (vgl. 44/454).