Feddersen, Marret (Marret Ünnergang, Marret Kröger)

Tochter von Ella Feddersen und Christian Steensen, »Kuckuckskind« von Sönke Feddersen, Mutter von Ingwer Feddersen, geboren im Juli 1948 (83). Marret ist »halfbackt«, nicht normal, aber auch nicht verrückt, »sie lag wohl irgendwo dazwischen« (35). Sie lebt in ihrer Welt wie »hinter einer Wand aus Glas« (33). Aber sie geht zur Schule und lernt bei ihrem leiblichen Vater lesen und schreiben. Sie kann singen und liebt die Schlager, die sie aus dem Radio und aus der Musikbox in Feddersens Gaststube kennt, und als sie älter wird, darf sie bei den Tanzvergnügen im Saal einige davon singen (14). Sie steht in enger Verbindung mit der Natur, führt Buch über deren Veränderungen in der Brinkebüller Feldmark, in die sie regelmäßig, meist in der Mittagsstunde, lautlos verschwindet, sammelt Blumen, Steine, Schneckenhäuser, Samen, manchmal auch tote Tiere, die sie in ihrem »Book«, einem Schulheft, sorgfältig abzeichnet und beschriftet und in ihrem »Schap« im Kuhstall aufbewahrt (32f.). Ihr feines Gespür für die Verluste, die die Natur durch die Intensivierung der Landwirtschaft erleidet, findet seinen Begriff in einem Heft der Zeugen Jehovas, das jemand in Feddersens Gaststube vergessen hat und in dem vom bevorstehenden Weltuntergang die Rede ist (9). Nun sieht sie überall Vorzeichen der nahenden Katastrophe und verkündet es allen im Dorf: »De Welt geiht ünner.« (7) Bald hat sie ihren Namen weg: »Marret Ünnergang« (9). Ihre eigene Welt geht vorher unter: Einer der Landvermesser, die in den Sommermonaten 1965 die Brinkebüller Feldmark für die Flurbereinigung vermessen, verführt die Siebzehnjährige und verlässt ihre Welt wie sein Fremdenzimmer in Feddersens Gasthof: »Verwüstet und zerwühlt« (13). Sie sucht ihn überall (37f.). Sie ist schwanger, ohne es zu wissen, spürt nur etwas Fremdes, »un dat geiht nich weg« (76). Sie versucht es durch einen Sprung vom Heuboden loszuwerden (ebd.), dann durch einen Sprung vom Kälberstall, bei dem sie sich beide Füße bricht (77). Nachdem sie wieder laufen gelernt hat, trägt sie nur noch Ellas alte »Klapperlatschen«. Seitdem kann man Marret, die früher lautlos kommen und gehen konnte, schon von Weitem hören (145). Mit ihrem Kind weiß sie nichts anzufangen. »Ik weet nich, wat man dormit schall.« (206) Ella und Sönke Feddersen ziehen den Jungen groß, und Ingwer wächst in der Vorstellung auf, dass Marret seine große Schwester ist (164). Einige Jahre später, an einem warmen Julitag, verschwindet Marret so lautlos wie früher, nicht in ihren Klapperlatschen, sondern barfuß, ihre kleinen schiefen Füße haben in dem frisch gegossenen Beton auf dem neuen Parkplatz des Gasthofs Abdrücke hinterlassen (305). Das ganze Dorf sucht vergeblich nach ihr. Sie wird nie wieder gesehen (306f.).