Steensen, Christian (Krischan)

Dorfschullehrer, leiblicher Vater von Marret Feddersen. Steensen, der sein Amt als Lehrer der Einklassenschule von Brinkebüll 35 Jahre lang versieht, ist leidenschaftlicher Prähistoriker. Bei jedem Wetter sieht man den hageren Mann wie einen »Rabenvogel« (66) über die Äcker schreiten, immer den Blick nach unten gerichtet auf der Suche nach Zeugnissen der Jungsteinzeit, und im Heimatkundeunterricht führt er auch seine Schüler mit Spaten und Schaufeln zu Grabungen hinaus oder lässt sie Längsschnitte durch eiszeitliche Gletscher zeichnen (27f.). Die Ersetzung des Fachs Heimatkunde durch das Fach Sachkunde, die kurz vor dem Ende seiner Dienstzeit verfügt wird, ignoriert er, ebenso die »neuen Dienstanweisungen zur gewaltfreien Erziehung« (227). Steensen hält die körperliche Züchtigung für nötig, »wenn man als Lehrer nicht zum Hampelmann verkommen wollte« (228). In seinen jüngeren Jahren konnten dumme Schüler ihn in Raserei versetzen (70), im Alter wird er milder (228). Er führt ein karges, genügsames Leben (71), nimmt an dem geselligen Leben des Dorfes nicht teil, bleibt immer ein »Abgewandter, Weggerückter« (73). Nur mit Ella Feddersen verbindet ihn eine lebenslange Liebe. Ihre Beziehung begann nach dem Krieg, Ella hatte ihren Mann Sönke Feddersen, der nicht aus dem Krieg zurückgekehrt war, für tot gehalten und war, als Sönke im Dezember 1947 doch noch heimkehrte (82), im zweiten Monat schwanger. Sie blieb »beiden treu« (175), erhielt die Ehe mit Sönke aufrecht, so dass Marret im Juli 1948 als eheliches »Siebenmonatskind« geboren wurde (83), hielt aber auch an ihrer Liebe zu Steensen fest, wenn auch nur noch heimlich, sie treffen sich fortan in der Mittagsstunde, wenn das Dorf schläft. Aber die Vaterrolle bleibt ihm verwehrt, auch dem Enkel Ingwer kann er nur manchmal, »wenn es keiner sah«, über den Kopf streichen (240) und dafür sorgen, dass er aufs Gymnasium kommt, »[w]eg von Sönke Feddersen und seinem Gasthof« (239). Nach seiner Pensionierung in der Mitte der siebziger Jahre zieht er nach Husum um, und Ella besucht den »ernsten, stillen Mann« jeden Montagnachmittag und Donnerstagabend (299). Auch nach seinem Tod zehn Jahre später hält sie diese Verabredung ein, pflegt montags sein Grab und verbringt donnerstags den Abend und die Nacht in seinem Haus, das er ihr vermacht hat (300).