Kusch (Kasi)

Über das ›elende Kusch‹ hört Joseph erstmals von seinem alten Lehrer Eliezer. Es ist eines der »Negerländer nilaufwärts gen Mittag«, das die Ägypter unterworfen haben (IV, 407).

Bei der Ankunft im Hafen von Theben beobachtet Joseph einen allgemeinen Auflauf, der einer »Gruppe ebenholzschwarzer Mohren mit unglaublich gepolsterten Lippenbergen und Straußenfedern auf den Köpfen« gilt, »Männern und tieräugigen Weibern mit Brüsten wie Schläuchen und lächerlichen Kindern in Körben auf den Rücken«. Es handelt sich um eine Abordnung aus dem Lande Kusch, die neben »scheußlich miauende[n] Panther[n]«, Pavianen, Giraffen und Windhunden allerlei wertvolle Gegenstände »aus Gold vermutlich und Elfenbein« mit sich führt. Wie Joseph von den Umstehenden hört, will der »Vorsteher der südlichen Länder, Vizekönig und Fürst von Kusch« Pharao damit für sich einnehmen und seine Absetzung verhindern, die Leute aus Pharaos Umgebung »wegen des kostbaren Postens« betreiben (IV, 774 f.).

Joseph nimmt das alles mit Interesse auf, »weil er es als förderlich erachtete, von den inneren Geheimnissen und Vertraulichkeiten dieser Welt, wie daß der Prinz von Kusch um sein Amt zitterte, die Höflinge ihn hechelten und Pharao sich gern überraschen ließ, unter der Hand etwas in Erfahrung zu bringen« (IV, 775). Schon gleich nach seinem Eintritt in Potiphars Haus bringt er das frisch erworbene Wissen an, um »so zu tun, als ob er alles im voraus schon loshabe«. Den in Ägypten üblichen Spottnamen für die ›nubischen Mohren‹ hat er dabei auch parat: »Gummiesser« (IV, 831).

Aus dem ›elenden Kusch‹ stammt auch die »Gummiesserin« Tabubu, »Kammersklavin vom Dienste der Schminktiegel« in Potiphars Hauswesen, die Mut-em-enet in ihrem Liebesleiden zur Vertrauten macht und die ihrer Herrin mit einem unterweltlichen Liebeszauber zu helfen versucht (V, 1116 f.).

Männer aus dem Kusch tun in Ägypten Dienst als Wachpersonal und Soldaten, so etwa an den östlichen Grenzanlagen als »Bogenschützen mit Straußenfedern im Haar« (IV, 709), als Palmwedel tragende »Exekutoren«, die die Steuereintreiber begleiten (IV, 730), als Haussklaven und Wächter in den Häusern der Reichen (IV, 783) oder als Leibwächter Pharaos (V, 1485).

Die verbitterten Priester des Gottes Sopdu in Per-Sopd trauern den »gerechten Urzeiten« nach, in denen das Deltagebiet Unterägyptens noch als das »eigentliche und wahre Ägyptenland« gegolten habe, während Oberägypten samt der Hauptstadt Theben noch »beinahe dem elenden Kusch und den Negerländern beigerechnet« worden sei. Deshalb stehe der Reichsgott Amun auch im Verdacht, »nubischer Herkunft und ursprünglich ein Gott des elenden Kusch zu sein« (IV, 724 f.).

Nach Jeremias I entspricht Kuš »dem antiken Begriff Äthiopien« und umfasst »das heutige Nubien und ein Stück des Sudan bis etwa Chartum« (156). – Nach der Völkertafel in Genesis 10,6 ist Kusch ein Sohn Hams und Bruder Mizrajims und Kanaans. – Die häufig wiederkehrende (aus zeitgenössischen Schriften stammende) Wendung vom »elenden Kusch« fand TM bei Erman/Ranke (593) und Steindorff I (48, 68, 104), die Variante »Kasi« (V, 1317) bei Jeremias I (204).

Den Spottnamen »Gummiesser« kannte TM wohl, wie Fischer (542) vermutet, aus der Erzählung »Der Kampf um das Stiftungsgut des Amon von Theben« (Altägyptische Erzählungen und Märchen. Ausgewählt und übersetzt von Günther Roeder. Jena: Diederichs 1927, S. 234). Er bezieht sich auf den Konsum von Gummi arabicum, das in Nubien schon zur Zeit des alten Ägypten aus dem Harz von Akazien gewonnen wurde. Eine andere, ebenfalls in TMs Bibliothek vorhandene Ausgabe der Erzählung übersetzt den Begriff mit »Harzfresser« (Märchen und Geschichten der alten Ägypter. Hrsg. von Ulrich Steindorff. Berlin: Propyläen [1925], S. 161).

Die Beschreibung der Tribut bringenden nubischen Delegation und ihres Anführers, des ›Prinzen von Kusch und Vorstehers der südlichen Länder‹, stützt sich ganz auf Steindorff (I, 100-102), der dafür einen reich bebilderten Wandfries aus einem Grab bei Theben auswertet (Steindorff I, 67, Abb. 58; hier Abb. 2). Die Rede von den Frauen mit »Brüsten wie Schläuchen und lächerlichen Kindern in Körben auf den Rücken« folgt einer Bemerkung Steindorffs (I, 101) über die Wirkung eines solchen Delegationszuges im Stadtbild von Theben: »Wie mag dieser seltsame Zug von den Bewohnern der Hauptstadt angestaunt worden sein, vor allem die Negerinnen, die ihre nackten Knaben an der Hand führen und von denen eine sogar noch ihr jüngstes Kind in einem Korbe auf dem Rücken schleppt« (Steindorff I, 101). Die zuletzt erwähnten Figuren finden sich in der oberen Reihe links (vgl. hier Abb. 3). Nubierinnen mit Kindern in Körben zeigt auch eine bei Erman/Ranke abgebildete Zeichnung (S. 596, Abb. 252; hier Abb. 1).

Abb.: (1) Nubische Frauen mit Kindern. – (2) Tributbringende Nubier (Grabmalerei aus einem Grab in Theben). – (3) Detail aus Abb. 2 (Nubierinnen mit Kindern).

Letzte Änderung: 21.09.2015  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück