Zinnober (Klein Zaches, das Alräunchen)

Sohn armer Bauern, ein »Wechselbalg«, über dessen Missgestalt seine Mutter Liese gleich zu Beginn der Erzählung laut klagt. Der Erzähler gibt ihr recht und beschreibt die Erscheinung des Zweieinhalbjährigen schonungslos: »Das, was man auf den ersten Blick sehr gut für ein seltsam verknorpeltes Stückchen Holz hätte ansehen können«, ist ein »kaum zwei Spannen hoher, mißgestalteter Junge […]. Der Kopf stak dem Dinge tief zwischen den Schultern, die Stelle des Rückens vertrat ein kürbisähnlicher Auswuchs, und gleich unter der Brust hingen die haselgertdünnen Beinchen herab, so daß der Junge aussah wie ein gespalteter Rettich« (534). Sein Gesicht besteht zur Hauptsache aus einer langen spitzen Nase und ein paar kleinen, meist aus Zorn, funkelnden Augen. Trotz seiner zweieinhalb Jahre kann das »Alräunchen« (535) weder laufen noch sprechen.

Die Fee Rosabelverde, die dem Knaben und seiner Mutter im Wald begegnet, hat Mitleid mit den beiden und belegt den Kleinen mit einer Gabe, »vermöge der alles, was in seiner Gegenwart irgendein anderer Vortreffliches denkt, spricht oder tut, auf seine Rechnung« kommt und umgekehrt sein garstiges Benehmen den anderen zugeschrieben wird. Diese Gabe liegt »in drei feuerfarbglänzenden Haaren, die sich über den Scheitel des Kleinen ziehen« (616 f.), und entfaltet ihre Wirkung gleich bei einer Begegnung von Mutter und Kind mit dem Pfarrer des Dorfes. Der nimmt den hoffnungsvollen »Wunderknaben« bei sich auf und zieht ihn groß (538). Aus Eitelkeit legt er den Namen Zaches ab und nimmt den »stolzen Namen Zinnober« an (616).

Jahre später begegnet er auf dem Weg nach Kerepes, wo er die Universität beziehen soll, den Studenten Fabian und Balthasar, denen er, vom Pferd fallend, zwischen die Füße kugelt. Während Balthasar ihm wieder in seine Reitstiefel und auf das Pferd hilft, bricht Fabian in »lautes Gelächter« aus (557). Der erboste Zinnober fordert ihn zum Duell, reitet dann aber doch weiter in die Stadt. Fabian folgt ihm, um sich den »Rumor« (558) anzuschauen, den er beim Eintreffen des Zwerges erwartet, doch Zinnober ist in der Stadt wieder von anderen Menschen umgeben und profitiert von seiner zauberischen Gabe. Er wird als angenehmer Jüngling und vortrefflicher Reiter wahrgenommen (563).

Bei dem literarischen Tee von Professor Mosch Terpin nimmt Zinnobers Aufstieg in Kerepes seinen Anfang. Seine Unflätigkeiten muss Balthasar ausbaden, während der Applaus für dessen Gedicht von der »Liebe der Nachtigall zur Purpurrose« an Zinnober geht, der dafür sogar einen Kuss von Mosch Terpins schöner Tochter Candida bekommt (571 ff.).

Bei der Prüfung für die Stelle als Geheimer Expedient beim Minister für Äußere Angelegenheiten, Baron Prätextatus von Mondschein, rechnet man die glänzenden Leistungen des Referendarius Pulcher ihm zu und gibt ihm die Stelle, woraufhin Pulcher sich das Leben nehmen will (579 ff.).

Bei einem Frühstück mit dem Fürsten Barsanuph, zu dem von Mondschein geladen hat, gelingt es Zinnober, zum Geheimen Spezialrat ernannt zu werden, indem er unglaublich viele Lerchen verschlingt und dabei dem Fürsten einen Fettfleck auf die neue »Kasimirhose« macht (585 ff.). Der junge Mann, der dieses Mal unter dem Verwechslungszauber leiden muss, ist Sekretarius Adrian.

Als Geheimer Spezialrat bekommt Zinnober Candida versprochen und ein »schönes Haus mit einem noch schöneren Garten«. In den Rosenhecken dieses Gartens wird er von Adrian und Pulcher dabei beobachtet, wie er in den frühen Morgenstunden von der Fee gekämmt wird, die damit den Zauber erneuert und schützt (599 f.).

Eine von Adrian verfasste Memoire, mit der Mondschein beim Fürsten glänzen will, wird ebenfalls Zinnober zugerechnet, der dafür Mondscheins Ministeramt und als Zeichen seiner Erhebung den Orden des grüngefleckten Tigers verliehen bekommt. Der sitzt aber nicht richtig an seinem missgestalteten Körper, und der Ordensrat wird einberufen. Letztlich löst der Theaterschneider Kees das Problem, indem er das Ordensband mit Knöpfen befestigt: Zinnober bringt es auf 20 Knöpfe, bis der Orden hält, und der Ordensrat führt die Knöpfe als neues Klassensystem ein (601 ff.).

Der goldene Kamm, mit dem Rosabelverde Zinnobers Zauber regelmäßig erneuern muss, zerbricht bei ihrer Begegnung mit dem Magus Prosper Alpanus (608). Auf der Verlobungsfeier Candidas und Zinnobers gelingt es Balthasar deshalb, dem Zwerg die drei Haare, auf denen der Zauber beruht, auszureißen, zu verbrennen und damit den Zauber zu brechen. Niemand erkennt in dem Zwerg nun noch den umjubelten Minister Zinnober (627 ff.).

Am Tag nach seiner Entzauberung wird er von einem Tumult vor der Tür geweckt, den seine Mutter, die alte Liese, zu verantworten hat. Als er merkt, dass das Gelächter ihm gilt, schreit er und macht Wutsprünge, doch niemand nimmt ihn mehr ernst. Die Menge drängt ins Haus, um ihn herauszuholen und aus seiner »Ministerjacke« zu prügeln (636). Sein Kammerdiener, der auch nur noch den Zwerg im Fenster gesehen hat und dem Minister zur Hilfe eilen will, kann Zinnober nur noch tot »aus einem schönen silbernen Henkelgefäß, das immer dicht neben der Toilette« steht, bergen (637).

Wie Alpanus es der Fee Rosabelverde versprochen hatte, wirkt der Zauber nach seinem Tod wieder. Er sieht »hübscher aus im Tode, als er jemals in seinem ganzen Leben ausgesehen« (637), und erhält ein Ehrenbegräbnis (644).

Abb: Ausschnitt aus der Einbandillustration zur Erstausgabe von »Klein Zaches«, Berlin 1819 (Vorderseite). Aquatinta-Radierung von Carl Friedrich Thiele nach einer Vorlage E.T.A. Hoffmanns. Bildquelle: Wikipedia.