Franz Joseph I., Kaiser

Der junge Kaiser der Österreichisch-Ungarischen Monarchie erscheint in der Schlacht von Solferino an der Front, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Aufgrund seiner militärischen Unerfahrenheit setzt er einen Feldstecher an die Augen und wird von Leutnant Joseph Trotta zu Boden gerissen, der so den ihm geltenden Schuss abfängt. Trotz seiner Jugend ist er sich »seiner kaiserlichen Pflicht« bewusst und fragt nach dem Namen seines Lebensretters (140).

Er verleiht Trotta nach Beendigung des Krieges einen Orden und erhebt ihn in den Adelsstand, Jahre später macht er ihm noch ein großzügiges Geldgeschenk für die Ausbildung des Sohnes Franz Trotta. Josephs Beschwerde bezüglich der heroisierenden Darstellung seiner Tat in einem Schulbuch nennt er »recht unangenehm« und versucht in einer Audienz, Trotta freundlich davon zu überzeugen, die Sache nicht zu ernst zu nehmen, es werde »viel gelogen« (148). Er lässt die Geschichte trotzdem aus den Schulbüchern entfernen.

Als der Enkel des Helden von Solferino den Kaiser Jahrzehnte später bei seinem Auftritt beim Fronleichnamszug in Wien sieht, trägt er den »schneeweißen Rock, den man von allen Bildern der Monarchie kannte« und entspricht so dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hat (321). Der »Römische Kaiser Deutscher Nation« demonstriert Bescheidenheit, als er nach dem Aufmarsch »wie ein einfacher Mann« zu Fuß die Kirche betritt (322).

Diesem positiven Bild widerspricht der »älteste Kaiser der Welt« (342) jedoch hinsichtlich seines körperlichen wie geistigen Zustands. Er wird zunehmend vergesslicher, so dass er sich seines eigenen Alters nicht mehr sicher ist. Auch an den Namen Trotta erinnert er sich nur noch nebulös, als er über den Umgang mit der Schuldenaffäre Carl Josephs entscheiden soll. Er hält sein Unwissen nicht bis zur Ankunft des Oberhofmeisters Montenuovo aus und fragt schließlich seinen Leibdiener nach Trotta, der ihn an die Lebensrettung erinnert. Er fühlt sich durch die plötzliche Erinnerung »wieder jung« und lässt den Fall Carl Josephs zu dessen Gunsten erledigen (341f.).

Er durchschaut jedoch immer noch viel mehr, als seine Berater glauben, doch er widerspricht ihnen nicht, denn es »ziemt einem Kaiser nicht, klug zu sein wie seine Berater« (343). Und so spielt er in allen Situationen den senilen alten Mann, wie man es von ihm erwartet, denn er lebt schon »lange genug […], um zu wissen, daß es töricht ist, die Wahrheit zu sagen« (343). So ist ihm die politische Seite von Kriegen zuwider, da er weiß, »daß man sie verliert«, trotzdem muss er so tun, als ob ihn die Pläne des Generalstabs interessierten. In Wirklichkeit liebt er jedoch die militärische Pracht, das »Blasen der Trompeten« (344). So plant er, überraschend an einem Manöver an der Ostgrenze des Reiches teilzunehmen und der Gedanke an die »Verzweiflung der zivilen Behörden«, die kein entsprechendes Polizeiaufgebot würden bieten können, bereitet ihm eine diebische Freude (344).

In der Nacht, die er in einem Ort Z. an der Grenze verbringt, steht er auf und es wird ihm bewusst, dass er, der Kaiser, dem von Gott persönlich seine Macht verliehen wurde, sich fürchten muss, von seinen Nachtwächtern ertappt zu werden. Jeder Soldat erscheint ihm »mächtiger als er« (346). Er leidet auch unter dem festen Tagesplan, in den er eingebunden ist. Am nächsten Tag ist ihm besonders der Gottesdienst eine schwere Last, da er das Gefühl hat, er müsse sich »vor Gott wie vor einem Vorgesetzten zusammennehmen« (347). Er sieht jedoch auch, dass er dessen Entscheidungen genauso wenig anzweifeln darf, wie die Soldaten die seinen, denn »wo sollte man da hinkommen, wenn jeder Untergeordnete seinen Vorgesetzten kritisieren wollte!« (347) Beim Anblick seiner Armee während des Manövers fühlt er Stolz, der sich mit Trauer und Resignation über den bevorstehenden Zerfall mischt: »Es passt ihnen halt nimmer von mir regiert zu werden! Dachte der Alte. Da kann man nix machen!« (352)

Während er im Sterben seine Sünden beichtet, stellt er fest, dass er »zu lange Kaiser gewesen« sei und er sagt dem anwesenden Geistlichen, der Krieg, der seit 1914 andauert, sei »auch eine Sünde« und möge aufhören. Als er bemerkt, dass niemand mehr seine Worte hört, wünscht er sich, er wäre in der Schlacht von Solferino gefallen (353).

Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916) ist von 1848 an Kaiser von Österreich und apostolischer König von Ungarn und ist 68 Jahre, länger als irgendein Habsburger vor ihm, im Amt. Zwei Jahre nach seinem Tod zerfällt der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn mit dem Ende des Ersten Weltkriegs in einzelne Nationalstaaten.