Lexikon zu »Joseph und seine Brüder« (1933-43)

Abgeschlossene Einträge: 490   |   Letzte Änderung: 21.07.2018

L

La   Le   Li   Lo   Lu

Laban

Nach dem Segensbetrug flieht Jaakob nach Mesopotamien zu seinem Onkel Laban, dem Bruder seiner Mutter Rebekka, und bleibt dort 25 Jahre (IV, 246). Laban lebt im nördlichen Mesopotamien in der Nähe von Charran (Haran). Die Stadt war einst die Zwischenstation gewesen auf Abrahams großer Wanderung von Ur in Chaldäa nach Kanaan. Hier war ein Zweig der Sippe, darunter Abrahams Bruder Nachor und dessen Sohn Bethuel, Labans Vater, zurückgeblieben, während Abraham nach Kanaan weitergezogen war. Laban bewirtschaftet hier mit seiner Frau Adina, seinen beiden Töchtern Lea und Rahel und seinem Gesinde, darunter Abdcheba und Iltani, einen Hof.

Er ist ein kräftiger, muskulöser Mann mit vollem ergrautem Haar und mit den breiten Händen »eines besitzhaltenden, in düster-erdhafte Gedanken eingeschränkten Mannes«, ein rechter »Erdenkloß«. Eines seiner Augen ist »blinzelnd zugezogen« und zwischen den Augen trägt er »ein Paar böser Zeichen«. Dies und ein »ausgesprochen unterweltlicher Zug um den Mund, ein gelähmtes Hängen des Mundwinkels im schwarzgrauen Bart, das einem saueren Lächeln ähnelte«, stimmt Jaakob von Anfang an bedenklich (IV, 233).

Die Bedenken verstärken sich, als Jaakob erfährt, dass Laban einst beim Bau seines Hauses sein erstgeborenes Söhnchen lebend im Fundament begraben hat, um »Segen und Gedeihen auf Haus und Wirtschaft herabzuschwören« (IV, 236). Auch verwahrt er im Keller seines Hauses eine ganze Reihe von kleinen tönernen Götzenfiguren, seine Teraphim. Das sind »Hausgeister und Wahrsagemännlein«, an denen er »innig hing und mit denen der finstere Mann sich in jeder wichtigeren Angelegenheit hier unten beredete« (IV, 253). Jaakob ist über die »Bildung des Hauses« enttäuscht, er hatte sie sich »fortgeschrittener gedacht« (IV, 254) und zumal von einem »Großneffen Abrahams« einen »aufgehellteren Gottessinn« erwartet (IV, 253). Aber Laban, »obgleich am Quell und Ausgangspunkt der geistlichen Geschichte sitzend, oder eben weil er dort sitzen geblieben war«, hat von der »Glaubensüberlieferung der westlichen Verwandten« nur mehr verschwommene Vorstellungen, ist ganz ein »Untertan Babels und seines Staatsglaubens« und wirft sogar Jaakobs Gott mit Mardug, dem babylonischen Staatsgott, »ganz töricht« zusammen. (IV, 253).

Labans Hof wirft nicht viel ab, denn sein Herr ist ein »düsterer Mann, den Göttern nicht wohlgefällig, ohne Zutrauen zu seinem Glück und darum auch wenig erfolgreich bisher in seinen Unternehmungen«  (IV, 250). Er hat aber einen ausgeprägten Geschäftssinn und beruft sich gern auf die »Härten des Wirtschaftslebens«, um die Knebelverträge zu rechtfertigen, die er mit seinem Neffen und künftigen Schwiegersohn Jaakob schließt und in seinem Keller bei den Teraphim in einer tönernen Kassette verwahrt: »Du bist auf mich angewiesen, so will ich dich beuteln« (IV, 243). In Wahrheit weiß Laban sich auf Jaakob angewiesen, denn er nimmt Isaaks Segen entgegen seinen Äußerungen sehr ernst (IV, 250) und erhofft sich von dem Gesegneten eine Hebung seines Wohlstands. Diese Hoffnung trügt nicht, Jaakob erweist sich als ein »Glücksbringer«  (IV, 272): Er findet mit Hilfe des Wassergottes Ea-Oannes eine Quelle (IV, 258 f.), die Laban von drückenden Abgaben an Ischullanus Söhne, die »Bänker in Charran«, für die Nutzung ihres Wasser-Kanals befreit (IV, 260), er baut ihm ein durchdachtes Bewässerungssystem, legt einen Teich und einen großen Nutzgarten an, und dank seines züchterischen Geschicks vergrößern Labans Schaf- und Ziegenherden sich um ein Vielfaches.

Schon vor Ablauf des ersten Sieben-Jahres-Kontrakts ist Laban ein wohlhabender Mann, und die Fruchtbarkeit seiner Äcker und Herden überträgt sich gar auf ihn und Adina selbst, denn die schon alternde Adina wird unverhofft wieder schwanger und bringt innerhalb von drei Jahren drei Söhne zur Welt: Beor, Alub und Muras (IV, 283).

Dank weiß er Jaakob für sein Wirken nicht (IV, 257, 279). Laban ist ein »Mann ohne Herz und Sympathie«, ein Geizkragen mit ausgeprägtem »Hang zur Übervorteilung des Nächsten« (IV, 267), der für die erlisteten Vorteile nur seiner eigenen Klugheit Dank weiß (IV, 271). Der »Finstere, Segenlose« (IV, 273) bringt es allenfalls zu einiger Achtung und einer unbestimmten Scheu vor dem Gesegneten, die wohl auch der Grund sind dafür, dass er sich nach Jaakobs Flucht, beim Wiedersehen auf dem Gilead, trotz seiner anfänglich wutschnaubenden Empörung über die Flucht so eigentümlich friedfertig verhält und größten Wert darauf legt, in Frieden von ihm Abschied zu nehmen (IV, 366).

In den fünfundzwanzig Jahren von Jaakobs Anwesenheit aber beutet er seinen »Glücksbringer« nach Strich und Faden aus. Der weiß sich freilich zu wehren. Dass Jaakob einen Anteil an dem Wachstum für sich abzweigt und so die »freilich noch dünne Grundlage seines späteren Wohlstandes zu legen« beginnt, duldet Laban halbwegs stillschweigend, um ihn bei Laune zu halten und weil er erkennt, dass er dabei »fast immer noch günstiger zu dem Seinen kam, als er auf eigene plumpe Faust dazu gekommen wäre« (IV, 273 f.). Bei dem Abkommen über die gesprenkelten Schafe allerdings (IV, 353-358) erkennt der »schwerfällig berechnende Mann« seinen Nachteil nicht und spielt unwissentlich die Rolle des betrogenen Betrügers (IV, 355), die Jaakob ihm von langer Hand zugedacht hat, nicht aus Rachegelüsten, »sondern schlechthin, weil es sich so gehörte, daß zuletzt der betrügerische Teufel spottgründlich betrogen war« (IV, 326).

Der grausamste Betrug, den Laban seinem Schwiegersohn antut, ist die Vertauschung der geliebten Braut Rahel gegen Lea in der Hochzeitsnacht (IV, 293-315), die dem armen Jaakob die Seele spaltet (IV, 325). Hatte er schon seine Reise zum Onkel als Reise in die Unterwelt, ins »Nimmerwiederkehr-Land« Kurnugia gedeutet, so betrachtet er seinen Schwiegervater fortan »gebildeterweise« als einen Teufel, einen »Schwarzmonddämon und schlimmen Drachen« der Unterwelt, aus der es Rahel, seine ›befreite Ischtar‹, herauszuführen gilt (IV, 159).

Rahel übernimmt diese Sicht auf den Vater. Deshalb hat sie kein schlechtes Gewissen, als sie ihm vor der Flucht nach Kanaan seine Teraphim stiehlt, »damit sie ihm nicht Auskunft gäben über die Pfade der Flüchtigen« (IV, 363), und bleibt später, als Laban Jaakobs Tross einholt und das Lager verzweifelt nach den Teraphim durchsucht, ungerührt auf ihrem Diebesgut sitzen (IV, 370-373).

Nach seinem Eintritt in Potiphars Hauswesen ist Joseph von der »Wiederkehr des Väterlichen« ganz erfüllt: »Er war Jaakob, der Vater, eingetreten ins Labansreich, gestohlen zur Unterwelt, unmöglich geworden zu Hause, flüchtig vor Bruderhaß« (IV, 819). Später wird er Echnaton und seiner Mutter Teje zu beider Vergnügen das »Stückchen« von den gesprenkelten Schafen erzählen, davon, wie Laban, der Teufel, »in die Patsche gelegt« worden ist »vom Geist des anschlägigen Gottes« (V, 1432), d.h. vom Geist des »Gott-Schalks« Hermes, den Joseph zwar bis dahin nicht gekannt hat, dessen Geist aber, wie er Echnaton mit dem »Stückchen« beweisen will, »unter den Meinen immer zu Hause war und mir vertraut ist« (V, 1429).

Peteprês Eltern, Huij und Tuij, haben sich in Josephs Augen mit der Verschneidung ihres Sohnes »labanmäßig« (IV, 875) aufgeführt, »waren im Alten verharrt, gerade indem sie dem Weltneuen ein Zugeständnis zu machen versuchten« (IV, 875).

Labans Charakterisierung als Teufel und Dämon der Unterwelt wie auch Jaakobs Reise zu Laban als Höllenfahrt stützt sich vermutlich auf Jeremias I (317 u. ö.).

Abb.: (1) Götzenbildchen aus Khorsabad. – (2) Tönerne Kassette des Nabopolassar zur Aufbewahrung von Tontafeln.

Letzte Änderung: 10.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Labartu

Dämonin der babylonischen Mythologie, die es insbesondere auf neu- oder noch ungeborene Kinder abgesehen hat. Deshalb treibt Adina während Rahels Schwangerschaft allerlei Aufwand, um die »Hexe« fernzuhalten. Sie legt der Tochter Salbenverbände nach alten Rezepturen auf und murmelt Formeln, die Labartu und andere böse Geister wie Namtar und Utukku vertreiben sollen (IV, 337). Eine Tonfigur der Dämonin mit einem Ferkelherzen im Munde wird in Rahels Nähe aufgestellt, »um die Abscheuliche aus dem Körper der Schwangeren, den sie bezogen, hinüberzulocken in ihr Bild«, das alle drei Tage mit einem Schwert zerschlagen und in einem Mauerwinkel vergraben werden muss (IV, 344). 

Trotz seiner Vorbehalte gegen den Aberglauben seiner mesopotamischen Verwandten beteiligt Jaakob sich an diesen magischen Handlungen, erneuert Adinas Salbenverbände und zerschlägt und vergräbt einmal sogar das Bild der Labartu. Denn er ist sich nicht ganz sicher, ob alle diese Vorkehrungen nicht vielleicht doch auf Umwegen von dem Gott seiner Väter herstammen (IV, 344 f.).

Die Darstellung der Dämonin und des Beschwörungsrituals stützt sich auf Meissner (v.a. II, 204 f., 209, 222-225, 317 u.ö.) und Bezold (S. 122); vgl. auch Jeremias II (163 f., 410-417).  

Eine Fotografie des bei Meissner I (Tafel-Abb. 213) abgebildeten Beschwörungsreliefs (des sog. ›Hades-Reliefs‹) mit einer Darstellung der Labartu (Lamaštu, Lamashtu, Lamaschtu) ist auf der Webseite des Louvre zu sehen. – Ein der Beschreibung typischer Labartu-Darstellungen bei Meissner (II, 204) sehr nahekommendes Amulett mit dem Bildnis der Lamaschtu befindet sich im British Museum

Letzte Änderung: 28.02.2011  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Labaschu

Ein Krankheit bringender Dämon in der mesopotamischen Mythologie. Rahels Mutter Adina legt der schwangeren Tochter Salbenverbände nach alten Rezepturen auf und murmelt Formeln, die Labaschu und andere böse Geister vertreiben sollen: »Der böse Utukku, der böse Alu mögen beiseite treten; böser Totengeist, Labartu, Labaschu, Herzkrankheit, Bauchgrimmen, Kopfkrankheit, Zahnschmerz, Asakku, schwerer Namtaru, geht aus dem Hause, beim Himmel und bei der Erde sollt ihr beschworen sein!« (IV, 337). 

Die Darstellung stützt sich auf Meissner (v.a. Band II, 199 ff. u.ö.) und Bezold (118-122). Labašu war »der Erreger einer bestimmten Krankheit, vielleicht des Schüttelfrostes« (Meissner II, 201). Adinas Beschwörungsformeln und die Zusammensetzung ihrer Salbe sind ebenfalls aus Meissner entnommen (ebd., 222 und 317).

Letzte Änderung: 22.02.2010  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Lachama

In Kanaan verehrte Gottheit, Namenspatron(in) von Beth-Lachem. Auf der Flucht von Schekem nach Hebron zum Hain Mamre möchte Jaakob »mit den Räucherern des Lachama das Wesen dieser Erscheinungsform des Erstandenen und des Ernährers [d.i. Tammuz] erörtern, zu dessen Kult schon Abraham freundlich interessierte und bedingt-verwandtschaftliche Glaubensbeziehungen unterhalten hatte« (IV, 384). Doch daraus wird nichts: Kurz vor Bethlehem kommt Rahel mit Benjamin nieder und stirbt.

Die Charakterisierung Lachamas (Lahamas) als männliche Gottheit und als Variante des Tammuz geht auf Jeremias I (205, Anm. 2) zurück. – Abrahams »Glaubensbeziehungen«, von denen im Zitat die Rede ist, betreffen Malkisedek, den ›Priesterkönig‹ von Schekem, und den dort geübten Tammuz-Kult.

Letzte Änderung: 30.04.2012  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Lachama, Haus des Beth-Lachem

Lamech

Ein »uraltes Lied, Bruchstück einer halb verwehten, nicht vollständig überlieferten Ballade oder Epopöe aus versunkenen Zeiten« kündet von Lamech, der sich vor seinen Frauen Ada und Zilla brüstet, sich an seinen Beleidigern gerächt zu haben, und für sich selbst siebenundsiebzigfache Rache fordert, elfmal mehr als Gott dem Kain zugestanden hatte (IV, 549).

Während die Brüder auf den Weiden bei Dotan dumpfe Rachegedanken brüten, stimmt Schimeon das Lied in einem »halblauten Singsang« an, und einige der Brüder fallen summend ein. Danach entspinnt sich ein Disput über »Lamech und seine Strieme« (IV, 549-553). Die Brüder suchen in Lamechs »unbestechlich mörderischer Mannheit und anspruchsvoller Rachsucht« eine Rechtfertigung für ihre Rache an Joseph, die sie kurz darauf vollziehen, und hängen den alten Zeiten nach, in denen Männer wie Lamech noch etwas galten, während »Männer in unseren Zeiten viel eklere Schande schlucken, als Lamech sich bieten ließ«, und »da sitzen sie dann, und in ihnen gärt der Schandfraß, daß sie nicht essen noch schlafen mögen« (IV, 551 f.). Schuld an dem zivilisatorischen Fortschritt, der sie vor der Rache an Joseph zurückschrecken lasse, so Sebulun, sei Lamechs Frau Ada, denn sie »gebar Jabal, den Urahn derer, die in Zelten wohnen und Viehzucht treiben, Abrams Ahn, Jizchaks und Jaakobs, unseres sanften Vaters. Da haben wir den Verderb und die Bescherung, daß wir keine Männer mehr sind« (IV, 552).

Nur Ruben widerspricht heftig: »Ich will dir sagen«, entgegnet er Levi, »was aus des Mannes Hand nimmt seine Rache und macht, daß wir ungleich geworden Lamech, dem Helden. Es ist zweierlei: Babels Satzung und Gottes Eifer, die sprechen beide: Die Rache ist mein. Denn die Rache muß von dem Manne genommen sein, sonst zeugt sie wild weiter, geil wie der Sumpf, und die Welt wird voll Blutes« (IV, 550).

Am Ende ist es Juda, der einräumt, dass die Berufung auf Lamech weder Hand noch Fuß hatte, sondern ein »hundsföttisch Zwitterding« war, weil sie es – als Kinder weniger rauer Zeitläufte – nicht fertiggebracht haben, den Bruder »nach Heldenvorbild« zu töten: »Darum sage ich euch: da wir's dem Lamech nicht gleichzutun wußten und mußten den Läuften was drangeben, so wollen wir gleich ganz ehrlich sein und den Läuften gemäß und wollen den Knaben verkaufen!« (IV, 599)

Grundlage des Passus ist das so genannte ›Lamechlied‹ in Genesis 4,23-24. Rubens Rede von »Babels Satzung« bezieht sich auf den Codex Hammurapi.

Letzte Änderung: 01.09.2010  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Lea

Älteste Tochter Labans und Adinas, Rahels Schwester und Jaakobs erste Frau, die Laban, »der Teufel« (IV, 325), ihm in der Hochzeitsnacht an Rahels Stelle unterschiebt. Neben der einzigen Tochter Dina schenkt Lea sechs Jaakobssöhnen das Leben: Ruben, Schimeon, Levi, Juda, Issakhar und Sebulun. Ihre Magd Silpa vermehrt den Kindersegen um zwei weitere Söhne: Gad und Ascher.

»Was Lea betraf, so erschien sie durchaus nicht weniger wohlgebaut, ja sogar größer und stattlicher als Rahel, gab aber ein Beispiel ab für die eigentümliche Entwertung, die ein tadelfreier Gliederwuchs durch ein häßliches Antlitz erfährt« (IV, 237). Lea ist »blödgesichtig« (IV, 255), das heißt: sie schielt, worüber Jaakob sich leise (IV, 237), Esau dagegen, als ihm die Schwägerin beim Wiedersehen der Brüder nach 25 Jahren vorgestellt wird, »laut verwunderte« (IV, 149). Zu allem Überfluss leidet sie auch noch unter einer dauerhaften Entzündung der Bindehäute, so dass ihre Augenlider stets ›grindig‹ und gerötet sind (IV, 237), ein Leiden, das sie ihren Söhnen vererbt und für das Esau ihr bei derselben Gelegenheit einen »edomitischen Kräuterbalsam« anbietet, »wofür sie wütenden Herzens dankte, indem sie ihm die Zehenspitzen küßte« (IV, 149).

Der Erzähler, der nicht müde wird, Leas Hässlichkeit immer wieder in Erinnerung zu bringen, möchte aber doch immerhin festgestellt wissen, dass sie nicht etwa hässlicher »als alle« ist, sondern nur im Vergleich zu Rahel und »nur unter dem Gesichtspunkt des Lieblichen« stark abfällt und dass sich durchaus ein Mann denken ließe, »der, diesem Gesichtspunkte weniger unterworfen als Jaakob, der Älteren trotz der entzündlichen Blödigkeit ihrer blauen Augen [...] sogar den Vorzug gegeben hätte wegen der Fülle und Blondheit ihres schwer geknoteten Haares und der Stattlichkeit ihres zur Mutterschaft tüchtigen Leibes« (IV, 286 f.).

Bei der Brautwerbung bekennt Jaakob gegenüber seinem künftigen Schwiegervater freimütig, dass es ihm allein um Rahel zu tun sei und Lea seine »männlichen Wünsche« gar nicht entfache, »sondern im Gegenteil« (IV, 264). Diese Kränkung der Vaterliebe (IV, 313) lässt Laban ihn bitter entgelten, indem er ihm die Verschmähte in der Brautnacht unterschiebt, so dass Jaakob, im Glauben, die geliebte Rahel zu umarmen, »der Unrechten meine Seele und all mein Bestes« gibt (IV, 313). Das presst ihm das Herz zusammen (IV, 315).

Lea ist »groß im Zeugen«, wie der unfreiwillige Bräutigam selbst in seiner Verstörung zugeben muss (IV, 313), und eine tüchtige Schwangere, die weder mit Übelkeit zu kämpfen hat noch über die ›Verunstaltung‹ ihres Leibes klagt, sondern »rüstig und wohlgemut« ihre Arbeit tut »bis zur Stunde, da sie mit etwas veränderter Miene befahl, die Ziegelsteine zu richten« (IV, 317 f.). Jaakobs Liebe aber vermag sie dennoch nicht zu gewinnen. Seine Liebesbekundungen tragen »offen das Gepräge mattester Höflichkeit«, was selbst der Erzähler missbilligt (IV, 327).

Lea nimmt ihr Schicksal der ungeliebten Frau meistens still hin. Selbst dass Jaakob nach Rahels Tod nicht sie, sondern Rahels Magd Bilha »zur Liebsten und Rechten« macht, was ihre Söhne ihm nie verzeihen (V, 1789) und Ruben zu seiner jähzornigen Tat hinreißt (IV, 84), scheint sie schweigend zu ertragen. Ihr ganzer Stolz ist die stattliche Reihe von Söhnen, die ihr vor der bevorzugten, aber lange unfruchtbaren Rahel einen uneinholbaren Vorsprung gibt.

Nur hin und wieder bricht die schon bei Jaakobs Ankunft auf Labans Gehöft (IV, 238) beginnende Eifersucht sich Bahn, so etwa bei dem Streit um die Dudaim. Als Rahel dann doch noch schwanger wird und Lea hört, wie Jaakob das Ungeborene »Dumuzi, echter Sohn« nennt, verliert sie sehr begreiflicherweise die Fassung, hat sie ihrem Mann doch »sechs echte Söhne und eine ebenfalls durchaus echte Tochter gebracht« (IV, 335). Sie ruft ihre vier ältesten Söhne herbei, »Söhne Jaakobs und Lea's, mit uns ist's aus«, und klagt ihnen ihr Leid: »Es ist wie ein Messer in meine Brust und wie ein Backenstreich in mein Antlitz« (IV, 335). Tief gekränkt wird sie Zeuge, wieviel Aufhebens um die schwangere Rahel gemacht wird, während nach ihren »rüstigen Schwangerschaften niemals ein Hahn gekräht hatte« (IV, 336).

Auch der Erzähler fragt schon bald nicht mehr viel nach ihr und hat nur noch Augen für Jaakobs »Dumuzi«: Wie Leas Leben weiterging, wann und wie sie starb, wird nicht erzählt. Nur am Ende des Romans kann man erfahren, dass sie im Erbbegräbnis Machpelach begraben liegt und dass Jaakob zuletzt nicht bei der am Wegesrand begrabenen Rahel, sondern bei Lea liegen will, denn »es schickt sich nicht, daß ich am Wege liege, sondern bei seinen Vätern will Jaakob liegen und bei Lea, seinem ersten Weibe, von der der Erbe kam« (V, 1778).

Leas »Blödgesichtigkeit« muss den in den »Brunnen der Vergangenheit« gefahrenen Erzähler so beeindruckt haben, dass er über ihre Augen- und Haarfarbe widersprechende Auskünfte gibt. Ob sie mit »grüngrauen« (IV, 237) oder »blauen Augen« (IV, 286) schielte und ob ihr zu einem schweren Knoten gebundenes Haar aschfarben (IV, 237) oder blond (IV, 286) war, wird uns daher auf immer verschlossen bleiben.

Auf die Frage Julius Babs, warum er Leas im weiteren Verlauf der Geschichte nicht mehr gedenke, antwortete Thomas Mann in einem Brief an Bab vom 25.3.1934: »Tatsächlich liegt dem Schreiben über Lea eine Art von künstlerischer Absicht zugrunde; sie soll ganz einfach in Vergessenheit geraten. [...] Ich hatte das Gefühl, daß die Erzählung sich über diese ›Unrechte‹, nachdem sie ihre Rolle ausgespielt hat, [...] in Schweigen hüllen und über ihr unbeträchtlich gewordenes weiteres Schicksal hinweggehen könne. Von ihrem Tode zu berichten, war rein erzählerisch keine Neigung vorhanden«; auch hätte ein »kalter Bericht über Leas Tod mit dem Bericht über Rahels Hinscheiden vielleicht liebloser kontrastiert [...], als das vollkommene Schweigen« (Selbstkommentare, 91 f.).

Letzte Änderung: 25.02.2015  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Levi

Levi ist der dritte Sohn Jaakobs und Leas, geboren im dritten Ehejahr (IV, 322; Genesis 29, 34). Levi und sein ein Jahr vor ihm geborener Bruder Schimeon sind ein unzertrennliches Brüderpaar, die »wilden Zwillinge«, geeint durch ihr ›rohes, aber frommes‹ Wesen (IV, 502) und ihre barbarischen Taten (vgl. Zwillinge). Nur einmal werden sie getrennt, als Joseph verfügt, dass Schimeon als Geisel in Ägypten zurückbleibt, während die übrigen Brüder zurückreisen, um Benjamin zu holen (V, 1624). Da ist Levi »nur noch ein halber Mann« (V, 1641).

Auch der Vatersegen, der Schimeon und Levi wegen ihrer Schekemer Schreckenstat »verflucht unterm Segen«, bestimmt ihre Trennung. Levi soll »zerstreut in Jaakob« sein und kein Stammland erhalten (V, 1794). Da die »Verwerfung [...] unterm Gesamtheitssegen« geschieht, sind beide von diesem Fluch wenig beeindruckt (V, 1795). »Daß aber das Leviblut mit der Zeit zu den höchsten Ehren gelangen und das Dauervorrecht des Priestertums gewinnen sollte [...], das blieb dem Scheideblick Jaakobs offenbar verhüllt« (V, 1797).

Levi heiratet »ein jahugläubiges Mädchen [...], das für eine Enkelin Ebers galt« (IV, 492).

Band IV: 82, 88, 132 f., 145, 152, 157 f., 164, 170, 174, 181, 316, 322, 324, 336, 359, 380, 412, 480, 491-494, 502, 509-511, 514 f., 520, 549 f., 552, 556, 559, 562, 564, 566 f., 600, 623, 627 f., 631, 658.
Band V: 1470, 1540, 1545, 1547, 1555, 1590, 1622, 1625, 1641, 1652, 1664, 1726, 1789, 1794-1797.

Vgl. Übersicht zur Genealogie und Karte der Stammesgebiete Israels.

Letzte Änderung: 03.10.2008  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Leviathan

Das sagenhafte Seeungeheuer ist für Abraham ein Indiz für die Macht und unvorstellbare Größe seines Gottes: »Gott hatte die Welt geschaffen, in der doch Dinge vorkamen von so gewaltiger Größe wie der Sturmwind oder der Leviathan. Dies mußte man erwägen, um sich von seiner eigenen Außengröße eine Vorstellung oder, wenn keine Vorstellung, so doch einen Gedanken zu machen. Er war notwendig viel größer als alle seine Werke« (IV, 431).

Als Jaakob um Joseph trauert und (wie Hiob) mit Gott rechtet, spricht Eliezer zu ihm wie Gott zu Hiob (Hiob 40, 6-31): »Willst du befinden über Recht und Unrecht und zu Gericht sitzen über Den, der nicht nur den Behemoth gemacht hat, dessen Schwanz sich wie eine Zeder streckt, und den Leviathan, dessen Zähne schrecklich umherstehen und dessen Schuppen wie eherne Schilde sind, sondern auch den Orion, das Siebengestirn, die Morgenröte, die Hornissen, die Schlangen und den Staub-Abubu?« (IV, 644).

Der Erzähler identifiziert Tiamat, den von Mardug bezwungenen »Chaosdrachen« (IV, 429), mit dem biblischen Leviathan (IV, 501).

Die Identifikation von Tiamat und Leviathan stützt sich auf Jeremias I (58).

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Lied des Lebensmüden, Das

Ein von Peteprê besonders geschätztes Gedicht, das Joseph ihm »oft und immer wieder« vorlesen muss und in dem »der Tod mit vielen guten und zärtlichen Dingen sehnsüchtig-gleichmäßigen Tonfalls verglichen« wird. Potiphar lauscht den Worten »wie man einer Musik lauscht, die man genauestens kennt« (V, 920).

Es handelt sich um das auf dem Papyrus Berlin 3024 überlieferte »Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele«, das bei Erman/Ranke (454 f.) referiert und in Auszügen zitiert wird.

Letzte Änderung: 14.04.2015  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Lot

Von Lot ist im Zusammenhang mit den Geschichten Abrahams einige Male die Rede. Nach der Überlieferung der Jaakobsleute war er ein Sohn von Abrahams Bruder Charran (Haran), mithin ein Neffe Abrahams (IV, 116; vgl. Genesis 11,26 f.), der mit seinem Onkel aus Charran nach Kanaan auswanderte und in seinem Gefolge blieb, bis beide so »schwer […] an Schafen, Rindern und Hütten« waren, dass »das Land sie beide nicht trug« und sie sich trennen mussten. Lot zog an den unteren Jordan bis nach Sodom und nahm die »ganze Jordansaue« in Besitz (IV, 117; Genesis 13, 11-12). Als »Könige aus Osten« ins Land einfielen und Lot samt Anhang und Habe gefangennahmen, trieb Abraham sie mit »dreihundertachtzehn hausbürtige[n] Knechte[n]« vor sich her »bis über Damaschki« und befreite den Neffen (IV, 103, 132 f.; V, 1453; vgl. Genesis 14). Die Geschichten von Lots Errettung vor dem Untergang Sodoms, von seiner zur Salzsäule erstarrten Frau und von seinen Töchtern, die mit ihm Moab und Ammon (Ben-Ammi), die Stammväter der Moabiter und Ammoniter, zeugten, gehören zu den Geschichten, die Joseph dem im Sterben liegenden Mont-kaw erzählt (V, 994; vgl. Genesis 19).

Dass Lot Abrahams »Brudersohn« war, wie die Überlieferung berichtet (vgl. Genesis 12,5), hält der Erzähler für eine Erfindung und Verwechslung. Lot sei ein Proselyt gewesen, ein von Abraham Bekehrter, der ihm eben deshalb nach Kanaan gefolgt sei: »Gewiß, Lot von Sodom war ein Sohn Charrans, da er von dort stammte, so gut wie der Ur-Mann. Aber aus Charran, der Stadt des Weges, einen Bruder des Ur-Mannes und also aus dem Proselyten Lot einen Neffen von ihm zu machen, war eitel Träumerei und Gedankenspiel« (IV, 17). Dass Abraham ihn »als seinen Neffen zu betrachten und Bruder zu nennen pflegte«, habe damit zu tun, dass er ein Bruder Saras, also Abrahams Schwager gewesen sei (IV, 124).

Lot habe Abrahams Rückführung aller Dinge auf nur einen einzigen Gott erschreckt, und »bleichen Angesichts« habe er ihn gefragt: »Wenn aber dein Gott dich verläßt, so bist du ja ganz verlassen!« Abrahams Umkehrschluss, dass ihn das Bündnis mit diesem einen Gott aber auch unbesiegbar mache, habe ihn überzeugt, er habe »sich stark gemacht und zu ihm gesprochen: ›So will ich dein Bruder sein!‹« (IV, 428)

Die Geschichte von Lots Befreiung gilt dem Erzähler als Paradebeispiel für seine Überzeugung, dass »die Sphäre rollt«, dass sich die Geschichten »entsprechungsweise und zugleich hier und dort«, am Himmel und auf der Erde, abspielen. Es gebe nämlich eine von ›jüngeren Redaktoren‹ der Vätergeschichten favorisierte Variante, in der Abraham die Könige aus Osten nicht mit dreihundertachtzehn Knechten, sondern ganz allein mit Eliezer geschlagen habe. Das sei eine »der Wahrheit dienliche Zurückführung des Vorkommnisses auf seine himmlische Form«, die Beschreibung eines Kampfes zweier Götter gegen »eine Überzahl von Riesen oder minderen Elohim« (IV, 422 f.).

Joseph setzt diese »Lieblingsprahlgeschichte« seines Stammes (IV, 422) geschickt ein, um bei Echnatôns Mutter Teje zu punkten mit der Einsicht, dass Gottesklugheit mit »Rüstigkeit« gepaart sein muss (V, 1453 f.).

In Abrahams und Lots Trennung erblickt Jaakob ein wiederkehrendes Muster der Trennung ungleicher Brüder, das ihm die Entstehung von Völkern erklärt und das er auch in seiner Trennung von Esau (nach dem Wiedersehen beider am Jabbok; IV, 151) wiedererkennt (vgl. IV, 118 f.).

Das Tote Meer wird auch »Meer des Lot« oder »Lotmeer« genannt (IV, 364), denn »der bleierne Laugensee lag dort, wo ihre [d.i. Sodoms und Gomorras] Unzucht geblüht hatte« (IV, 16).

In die Darstellung Lots sind einige Motive aus den »Sagen der Juden« eingeflossen. Sara wird dort »Tochter Harans« genannt (Gorion II, 46); darauf stützt sich wohl die Bezeichnung Saras als Schwester Lots (IV, 124), womit der Erzähler implizit seiner These widerspricht, dass Abrahams Bruder Haran (Charran) eine Erfindung bzw. Verwechslung mit dem Ort Charran und Lot lediglich ein Proselyt gewesen sei (IV, 17). Auch die »himmlische« Variante von Abrahams Kampf gegen die »Könige aus Osten«, in der er ganz allein bzw. nur mit Hilfe Eliezers gekämpft hat, entstammt den »Sagen« (Gorion II, 172 f.). Dasselbe gilt für den Entstehungsmythos des Toten Meeres: »Und Gott ließ Schwefel und Feuer über Sodom vom Himmel regnen, und nach drei Tagen ward die ganze Gegend zu dem Wasser, das man heute das Salzmeer nennt.« (Gorion II, 226)

Letzte Änderung: 14.02.2015  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Lus, Luz Beth-el

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