Lexikon zu »Joseph und seine Brüder« (1933-43)

Abgeschlossene Einträge: 490   |   Letzte Änderung: 21.07.2018

V

Vergoldung

Wenige Tage nach der informellen Ernennung Josephs zum ›Obersten Mund‹ durch Echnatôn (vgl. V, 1478-1480) und der Rückkehr der königlichen Familie mit Joseph von On nach nach Theben wird »die schöne Förmlichkeit der Investitur und Vergoldung« an dem neuen hohen Staatsdiener vollzogen (V, 1485). Echnatôn und Nofertiti, auf einer »Art von Balkon« stehend, lassen auf den unterhalb des »Säulen-Altan[s]« im Schlosshof stehenden Joseph (V, 1486) »einen Regen und Segen von Kostbarkeiten« niedergehen: »Ketten aus aufgereihten Goldperlen, Gold in Löwengestalt, goldene Armringe, goldene Dolche, Stirnbänder, Halskrägen, Zepter, Vasen und Beile aus gediegenem Gold« (V, 1487). Der Erzähler zieht die Parallele zu Jaakob, der seinen Reichtum auch einst »im Land ohne Wiederkehr, bei Laban, dem Teufel« gesammelt habe, »und so tat an diesem Tage auch sein Liebling in dem fröhlichen Totenland, in das hinab er verkauft und verstorben war. Denn soviel Gold gibt es freilich nur in der Unterwelt, und Joseph wurde gleich hier auf der Stelle, allein durch das Lobgold, zum vermögenden Mann« (V, 1488).

TM stützt sich hier auf die Beschreibung der ähnlich verlaufenden Auszeichnung des Priesters (und späteren Pharao) Eje bei Erman/Ranke (134-136). – Abb.: Auszeichnung des Eje (Zeichnung nach einem Relief im Felsengrab des Eje in Amarna).

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Vierstadt Hebron
 

 

W

Wa   We   Wi
 

Wächter des Brunnens Mann auf den Felde

Weh-Froh-Mensch

»Einen Weh-Froh-Menschen muß ich mich nennen«, bekennt Joseph seinem Herrn Peteprê bei ihrer ersten Begegnung im Dattelgarten (IV, 890). Die eigentümliche Bezeichnung geht zurück auf seine Lektüre des Gilgamesch-Epos. Auch Gilgamesch habe sich, heißt es, einen »Weh-Froh-Menschen« genannt (V, 1307), und gilt Joseph wie seinem Erzähler als das mythische Muster dieses Typus.

Den »Weh-Froh-Menschen« blickt das Leben an wie Mai-Sachme den Joseph bei seiner Einlieferung in Zawi-Rê: mit »drohend« zusammengezogenen »schwarzen Brauen« und einem Lächeln um den Mund. Es ist »das Bild düsterer Umstände mit durchschlagendem Gotteslicht« (V, 1308). Der ›Weh-Froh-Mensch‹ ist »begünstigt und geschlagen zugleich«, das ist seine »Schicksalsmischung«, die »Gilgameschmischung«, die auch Mont-kaw zugeteilt ist, wie Joseph früh erkennt (V, 990), und für die er eine tiefe Sympathie hegt, zumal es nicht nur seine eigene, sondern auch die seines Vaters Jaakob ist (vgl. V, 1509).

Die seelische Verfassung, die diese besondere »Schicksalsmischung« hervorbringt, ist ein Zugleich von dunkler Trauer und heller Zuversicht. Wenn Joseph »sich einen Weh-Froh-Menschen nannte, wie Gilgamesch es getan, so in dem Sinne, daß er die frohe Bestimmung seines Wesens zwar anfällig wußte für vieles Weh, andererseits aber wieder an kein Weh glaubte«, das »schwarz und opak genug« wäre, »daß es sich für sein eigenstes Licht, oder das Licht Gottes in ihm, ganz undurchlässig hätte erweisen sollen«, eine Seelenverfassung, die man, so der Erzähler, »[s]chlecht und recht« auch einfach »Gottesvertrauen« nennen kann (V, 1307).

Die eigentümlich gemischte Stimmung, in der Joseph die Fahrt in seine zweite »Grube«, die Reise nach Zawi-Rê, antritt, ist von dieser Art. Er weint die Tränen Gilgameschs (vgl. V, 1296) und sieht sich zugleich als Akteur in einer Göttergeschichte, als Tammuz-Osiris, der in die Unterwelt fährt (vgl. 1295 f., 1300 f.). Das ist eine Perspektive, die die Möglichkeit der ›Wiederauferstehung‹ einschließt, und tatsächlich entgegnet er dem hämisch triumphierenden Cha’ma‘t: »Wenn du meinst, ich scheide vom Land der Lebendigen, so magst du recht haben. Aber wer sagt, daß [...] ich nicht morgen über den Weltenrand steigen werde, wie ein Bräutigam hervorgeht aus seiner Kammer, strahlend, daß dich die blöden Augen beißen?« (V, 1301)

Josephs ›Weh-Froh‹-Natur ist auch gegenwärtig in seiner Sympathie für alles Gemischte und Gegensätze Verbindende, so etwa in seiner Sympathie für Menfe, die Stadt mit dem »schnoddrig abgekürzte[n] Todesnamen« (IV, 749), »deren Tote nicht übers Wasser zu fahren brauchten, weil sie schon selber im Westen des Stromes lag« (V, 1507). Diese Sympathie für einen Ort, an dem sich Tod, Trauer und Vergangenheit mit »dem menschlichen Lebensgewimmel« vereinen (ebd.), ist ein Kennzeichen des doppelt Gesegneten, »von oben herab und von der Tiefe, die unten liegt« (V, 1508), ein Kennzeichen der Hermes-Natur des Mittlers »zwischen entgegengesetzten Sphären und Einflüssen« (V, 1758), zwischen Leben und Tod, Ober- und Unterwelt, Tag und Nacht. In seinen Reflexionen über Josephs Entschluss, in der »witzigen Grabes-Großstadt« (V, 1509) zu wohnen (V, 1505-1509), stellt der Erzähler den Zusammenhang zwischen diesem zentralen Merkmal und Leitmotiv seiner Hauptfigur und dem Motiv des »Weh-Froh-Menschen« her. Dabei bringt er mit dem hebräischen Adjektiv »tâm« und der »merkwürdigen Formel ›Urim und Tummim‹« (V, 1508) zwei neue Begriffe ins Spiel, deren Erklärungen schließlich zu der Feststellung führen, dass, wer »tâm« sei (wie Joseph und auch Jaakob), »ein Weh-Frohmensch, wie Gilgamesch« sei (V, 1509). »Tâm« nämlich sei ein »seltsam oszillierendes Wort«, dessen Sinn ein Doppeltes umfasse, »das Positive und Negative, das Ja und das Nein, Licht und Finsternis, Leben und Tod«. In dem Wort »Tummim« kehre es wieder und stehe dort »offenbar für den dunklen, vom Tode beschatteten Welt-Aspekt«, jedoch ohne das Helle auszuschließen. Vielmehr bedeute »Tâm oder Tummim […] das Helle und Finstere, das Oberweltliche und Unterweltliche zugleich und im Austausch«, während »Urim nur das Fröhliche, in Reinkultur davon abgesondert« sei (V, 1508).

Die Fügung »Weh-Froh-Mensch« kommt zwar in der von TM wohl hauptsächlich benutzten Übersetzung des Gilgamesch-Epos (Ungnad, 66-118) nicht vor, wird aber schon in der zweiten deutschen Übersetzung (von Peter Jensen) als Bezeichnung Gilgameschs verwendet (Peter Jensen: Assyrisch-Babylonische Mythen und Epen. Berlin 1900, S. 131; vgl. auch Ders.: Das Gilgamesch-Epos in der Weltliteratur. Band 1, Straßburg 1906, S. 4). Auch in einer erstmals 1916 erschienenen populärwissenschaftlichen Prosafassung des Epos taucht sie zweimal als Bezeichnung Gilgameschs auf (vgl. Gilgamesch. Eine Erzählung aus dem alten Orient. Zu einem Ganzen gestaltet von Georg E. Burckhardt. Leipzig: Insel 1916, S. 4 und 9). Im zweiten Teil von »Wandlungen und Symbole der Libido« (1912) erwähnt C. G. Jung, auf Jensens Übersetzung Bezug nehmend, den »schöne[n] Name[n] des Sonnenhelden Gilgamesch: Wehfrohmensch« (Jahrbuch für psychoanalytische und psycho-pathologische Forschungen 4, 1912, Teil 1, S. 216, Anm. 1).

Demnach handelt es sich nicht um eine von Thomas Mann geprägte Fügung, wie die einschlägige Forschung vermutet. In der Annahme, dass sie »im Gilgamesch-Epos selbst nicht enthalten« sei, führt man sie, einem Vorschlag Bergers folgend (Berger, 223), auf Siegmunds Klage im 1. Akt der Wagnerschen »Walküre« zurück (»Frohwalt möcht' ich wohl sein: / doch Wehwalt muß ich mich nennen«). Josephs Äußerung »Einen Weh-Froh-Menschen muß ich mich nennen« (IV, 890) ist sicherlich von dieser Stelle inspiriert, aber die Fügung ›Weh-Froh-Mensch‹ selbst entstammt zweifellos der frühen Gilgamesch-Philologie. Sie dürfte Thomas Mann bei seinen Vorstudien begegnet sein, auch wenn sich wohl keine der oben genannten Übersetzungen in seiner Bibliothek befunden hat. Abweichungen seiner Zitate von Ungnads Text lassen ohnehin darauf schließen, dass er nicht nur diese Fassung (und die passagenweisen Nachdichtungen in Mereschkowskij, 172 ff., 186 ff. u.ö.) in Händen gehabt hat. Die Prosafassung von Burckhardt wurde übrigens in ihrem Erscheinungsjahr von Hermann Hesse rezensiert (Neue Zürcher Zeitung, 22.10.1916). Nicht ausgeschlossen, dass Thomas Mann, der während seines Schweizer Exils häufiger bei Hesse in Montagnola zu Gast war (und in dieser Zeit an dem dritten Band arbeitete), sie bei ihm kennengelernt hat, wenn sie ihm nicht schon vorher untergekommen ist. Das Gespräch mit Peteprê im Dattelgarten, in dem die Fügung erstmals auftaucht, entstand im März/April 1934.

Letzte Änderung: 25.05.2015  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Weltall

Von Eliezer lernt Joseph den Bau des Weltalls. Danach besteht die Welt aus dem himmlischen und dem irdischen All, und letzteres ist genaue Entsprechung des ersteren. Das himmlische All setzt sich »aus oberem Himmel, aus des Tierkreises himmlischer Erde und dem südlichen Himmelsmeer« zusammen, das irdische All hat entsprechend »Lufthimmel, Erdreich und irdischen Ozean«. Der irdische Ozean umgibt die Erdscheibe wie ein Band, »war aber auch unter ihr, so daß er zur Zeit der großen Flut durch alle Spalten brechen und seine Wasser mit denen des herabstürzenden himmlischen Meeres vereinen mochte« (IV, 401).

TM orientiert sich hier erkennbar an der Darstellung der sumerisch-babylonischen Kosmologie von Jeremias II (127-130 und 130-157 pass.). – Vgl. auch Jeremias I (51-56).

Letzte Änderung: 27.07.2010  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Weltalter Olâm

Wepwawet

Mitten in der Inselfestung Zawi-Rê, in der Joseph seine von Peteprê verhängte Strafe abbüßt, befindet sich ein Wepwawet-Tempel, »dessen Flaggenschmuck den einzigen Augentrost in all der Unzier bildete« (V, 1304 f.). Mit dem Priester des Tempels spielt Mai-Sachme gelegentlich Brettspiele (vgl. V, 1307, 1324).

Einer der beiden Hengste, mit denen Peteprê, kurz nachdem Joseph von Mont-kaw gekauft wurde, auf den Hof seines Anwesens gefahren kommt, trägt den Namen des Gottes (vgl. IV, 808).

Wepwawet (Up-uat, Up-uaut) ist ein Kriegsgott in Wolfsgestalt, der eigentlich im 13. oberägyptischen Gau, in Siut (Asyut), verehrt wird. – Wiedemann verwendet die Namensform Ap-uat-u (Ap-uat) und beschreibt ihn als Gott in Schakalsgestalt (62, 209), was ihn mit Anup verbindet. Damit hängt wohl zusammen, dass Anup – in dem von Jaakob kurz vor seiner Hochzeit geträumten Traum – seinen Dialog mit Jaakob mit den Worten »Ap-uat, Ap-uat« beginnt (IV, 289). Jaakob scheint das als Versuch der Ablenkung von seiner wahren Identität, vielleicht auch nur als überflüssiges Sichvorstellen zu verstehen, denn er antwortet: »Bemühe dich nicht, Sohn des Usiri [...]. Du bist Anup, der Führer und Öffner der Wege, ich weiß es.« (Ebd.) Zur Ähnlichkeit zwischen Wepwawet/Up-uat und Anubis vgl. auch Erman, 43.

Letzte Änderung: 18.03.2018  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

›Wer hat dich geschlagen?‹

Ein Spiel, mit dem sich die ägyptischen Besatzungssoldaten in Schekem die Zeit vertreiben (IV, 156).

TM stützt sich hier auf ein bei Erman/Ranke (S. 290, Abb. 129) abgebildetes und von Wiedemann (378) beschriebenes Spiel, bei dem »der eine Teilnehmer, das Gesicht der Erde zugekehrt, auf dem Boden (hockte). Von seinen beiden Genossen versetzte ihm der eine einen Schlag auf den Rücken, und mußte er [sic] nun angeben, wer der Schlagende gewesen sei.«

Letzte Änderung: 26.07.2010  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Wese Theben

Weser-ke-bastet (Beset)

Dem Kommandanten der ägyptischen Besatzungstruppe in Schekem ist, obwohl er in der »Geschichte Dina's«, zu der er gehört (IV, 152-184), keine besondere Rolle spielt, ein eigener Erzählabschnitt gewidmet (»Beset«; IV, 154-157). Er gibt einen Vorgeschmack auf die Schönheit, Dekadenz und Komik der ägyptischen Welt im dritten und vierten Teil der Tetralogie.

Weser-ke-Bastet, Vorsteher von »einige[n] zwanzig Mann ägyptischer Besatzung«, ist ein »blutjunger, aus der Deltagegend gebürtiger Offizier«, dessen Hauptaufgabe darin besteht, einmal im Jahr von Hemor, dem Stadtfürsten von Schekem, »einige Barren Goldes in Ringform einzutreiben, die ihren Weg hinab zur Amunsstadt nehmen mußten und deren Ausbleiben den jungen Weser-ke-Bastet [...] große persönliche Unannehmlichkeiten eingetragen haben würde« (IV, 154).

›Beset‹, wie ihn die Leute von Schekem meist kurz nennen, hat »vom Krieger so gut wie gar nichts an sich«. Er frönt »bis zur Narrheit« seiner Liebe zu Katzen und Blumen, ist mit Sichem, dem ähnlich verweichlichten »Burgsöhnchen« (IV, 155), befreundet, und »nie hatte man ein Panzerkleid, nie eine andere Waffe an ihm beobachtet als ein Stöckchen« (IV, 156).

Seine Heimatstadt ist die Katzenstadt Per-Bastet und seine der Göttin Bastet geschuldete »Katzenfrömmigkeit« maßlos: »auf Schritt und Tritt war er umgeben von diesen Tieren«, und in seinem Quartier lehnen Katzenmumien an den Wänden, denen er weinend »Mäuse und Milch als Opfergaben« darbringt (IV, 155).

Seine »Blumenliebe, die als Ergänzung und Gegengewicht männlicherer Neigungen hätte ein schöner Zug genannt werden können, aber in Ermangelung solcher entmutigend wirkte«, ist »geradezu lächerlich«: Stets »ging er mit einem breiten Kragen aus frischen Blumen umher, und der untergeordnetste Gegenstand seines Bedarfes mußte mit Blumen umkränzt sein« (IV, 156).

Bei dem Überfall der Jaakobssöhne auf Schekem findet auch Weser-ke-Bastet den Tod, und wie sein Freund Sichem, der von den Brüdern »schändlich zugerichtet« wird, ist auch sein Leichnam »in hohem Grade unvollständig, was unter dem Gesichtspunkt seines angestammten Glaubens besonders schwer ins Gewicht fiel« (IV, 181).

Abb.: Katzenmumien aus Theben. 

Letzte Änderung: 06.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

Weset, Weset-per-Amun Theben
 

Westland Kanaan

›Wieviel Finger?‹ (Spiel)

Ein Spiel, mit dem sich die ägyptischen Besatzungssoldaten in Schekem (IV, 156) und die jugendlichen ›Torhüter‹ vor Peteprês Anwesen (IV, 779 f.) die Zeit vertreiben. 

TM bezieht sich hier wohl auf das von Wiedemann (378) beschriebene ›Mora-Spiel‹, »bei welchem die beiden Mitspielenden einander gegenüber saßen und einige Finger der einen Hand oder auch beider Hände schnell ausstreckten und wieder zurückzogen. Der Partner hatte die Anzahl der ausgestreckt gewesenen Finger anzugeben; als Spieleinsatz diente ein Topf.« – Vgl. auch V, 1330, wo von Mai-Sachmes »dem Mora- und Kegelspiel sehr ergebene[n] Kanzlisten« (in Zawi-Rê) die Rede ist.

Letzte Änderung: 26.07.2010  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück

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