Cham (Ham)

Cham ist einer der Söhne Noahs und Bruder Sems und Japheths (V, 1553). In der mythischen Ordnung des Romans ist er einer der Üblen, der ›Roten‹, ja sogar einer derer, die die Spuren gelegt haben, in denen die ›roten‹ Gegenbrüder und Vaterschänder wandeln (vgl. v.a. Ismael). Denn in der »verdammten Geschichte [...] mit Noah im Zelt« hatte er seinen im Weinrausch entblößten Vater Noah verhöhnt (entmannt) und war darauf mitsamt seinem »üblen Söhnchen« Kenaan verflucht worden (V, 1143 f.; vgl. Genesis 9,22).

Seitdem, belehrt der Erzähler seine Leser, hatte der Gedanke der ›Blöße‹ und ›Entblößung‹ seine ursprüngliche »Unschuld und Heiterkeit« verloren und »einen Knacks abbekommen für immer, war rot und anrüchig geworden«, so daß »schließlich alles Verwehrte und Fluchbedachte auf dem Felde der Sinnenlust und Fleischesvermischung, darunter aber besonders [...] der Sohneseinbruch ins väterlich Vorbehaltene, ›Entblößung‹ hieß« (V, 1143 f.).

Für die Abrahamsleute und besonders für Jaakob sind die aus Chams Nachfahren hervorgegangenen Völker deshalb Inbegriff der Schamlosigkeit und religiösen ›Narrheit« (IV, 417), namentlich Kanaan und Ägypten, als deren Stammväter Chams Söhne Kenaan und Mizraim gelten (vgl. Genesis 10,6). Jaakob duldet auf seinem Hof keine Chamiten »ihres Ahnen wegen, des Vaterschänders« (IV, 20). 

Nach seinem Fehltritt mit Bilha wird Ruben vom Vater folgerichtig als »Cham, Vaterschänder« beschimpft (IV, 86), und »es ist nicht zu sagen, wie es dem fehlbaren Ruben durch Mark und Bein gegangen war, als der Vater ihm seinerzeit den anrüchigen Namen des Cham entgegengeschleudert hatte« (IV, 94).

Chams Tat wird im Roman meist mit ähnlicher Delikatesse behandelt wie in Genesis 9,22. Dass er Noah nicht nur in seiner Blöße verhöhnt, sondern wie Kronos den Uranos ›mit der Sichel‹ entmannt hat, wird nur an zwei Stellen explizit gesagt (IV, 24; IV, 215). Darin folgt TM den »Sagen der Juden«, die Noahs Fluch folgendermaßen zitieren: »Du ließest mich nicht noch einen Sohn zeugen, darum sollst du ein Knecht sein deinen Brüdern« (Gorion I, 229). In einer anderen Variante der Geschichte schreiben sie die Tat nicht Cham, sondern seinem Sohn Kenaan (Kanaan) zu und nennen sie dort auch ausdrücklich beim Namen: »er trat an ihn heran und verschnitt ihn« (Gorion I, 230). Auch darauf wird im Roman versteckt angespielt (vgl. IV, 417). – Die Farbe Rot spielt auch hier eine Rolle: »Dafür, daß Ham mit seinen Augen die Blöße seines Vaters geschaut, wurden seine Augen rot«, heißt es, und überdies: »dafür, daß er sein Angesicht nicht abgewandt hatte, wurden die Haare seines Kopfes und seines Bartes wie versengt; dafür, daß er seines Vaters Blöße nicht zugedeckt hatte, sollte er selber nackend herumgehen mit bloßer Scham« (Gorion I, 229).

Letzte Änderung: 26.03.2015  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück