Juda (Jehuda, Jehuda ben Jekew)

Im vierten Ehejahr wird Lea »von dem entbunden [...], den sie Lobgott oder Jehuda hießen« (IV, 324; Genesis 29, 35). Danach hält »Lea's Leib [...] Brache« (IV, 326), die (nach der Rechnung des Erzählers) mehr als vier Jahre, bis zur Geburt der Tochter Dina, anhält (IV, 152).

Der »starke, aber schwermütige Juda« (IV, 157), den das Volk »junger Löwe« nennt (IV, 551), ist »hochgewachsen, aber etwas rundrückig und mit einem Leidenszug um Nüstern und Lippen«, er hat »mähnenhaft« volles, rotbraunes Haar, trägt einen Spitzbart am Kinn und einen schmalen Schnurrbart über den »roten, gepolsterten Lippen«, die von Sinnlichkeit zeugen. Aber »die feingebaute, gebogene und dennoch flach darauf niedergehende Nase drückte eine witternde Geistigkeit aus, und in den grossen, schwerlidrigen und spiegelnd hervortretenden Hirschaugen lag Melancholie« (IV, 492).

Juda ist »ein verwickelter und geplagter Charakter« (IV, 412). Das bringt ihm die Sympathie des Erzählers ein, der ihn, ähnlich wie »den grundanständigen Ruben« (IV, 412), von seinem wenig schmeichelhaften Urteil über die übrigen acht älteren Brüder Josephs auszunehmen geneigt ist (vgl. Brüder Josephs). Juda ist ein Zerrissener. Denn Ischtar plagt ihn mit einem starken Geschlechtstrieb (IV, 88), der seinem »Geschlechtsleben von jung auf ein wirres und schmerzliches Gepräge« gibt, weil er seinem Verlangen nach »gottesvernünftiger Reinheit« widerstreitet. Er »stand mit Astaroth auf unvergnügt-gespanntem Fuß, litt unter ihrer Geißel, die ihn jagte, und war ihr untertan, ohne sie zu lieben, was einen Riß in seiner Seele bedeutete und eine Uneinigkeit in ihm selber« (IV, 492 f.).

Diese Uneinigkeit vertieft sich noch durch Judas Anwartschaft auf den Erstgeburtssegen, die Ruben (wegen seines Fehltritts mit Bilha) und Schimeon und Levi mit ihrer »Schekemer Schreckenstat« (IV, 380) verwirkt haben, so dass Juda zu Recht »Grund zu haben glaubte, besonders auf sich zu halten« (IV, 493). Doch immer wieder erliegt er seiner Lust und »löste sich aus keiner Hierodule Armen, ohne sein Haupt in Scham zu bergen und aufs schmerzlichste an seiner Tauglichkeit zur Erberwählung zu zweifeln« (V, 1548).

Nach der Tat an Joseph werden diese Zweifel begreiflicherweise noch stärker, auch wenn Juda, ähnlich wie Ruben, versucht hat, Josephs Tod zu verhindern. Denn von ihm stammt der Vorschlag, Joseph, statt ihn im Brunnen verschmachten zu lassen, an die Ismaeliter zu verkaufen (IV, 599). Sein moralisches Empfinden gibt ihm ein »volles Gefühl dafür, daß, den Knaben im Loche verkommen zu lassen, um kein Haar besser war, als sein Blut zu vergießen« (V, 1546). Juda führt auch die Verkaufsverhandlungen mit den Ismaelitern und wird dabei zur Präfiguration eines späteren Judas: Er verlangt »dreißig Silberlinge« (IV, 611) für den Bruder, und um den Wert seiner Handelsware recht zu unterstreichen, »tat er noch ein Äußerstes, ging hin und küßte den stille blinzelnden Joseph auf die Wange« (IV, 612; vgl. Matthäus 26,47-49). Am Ende erhandelt er für den Bruder aber nur zwanzig Silberlinge.

»Alles in allem« – und schon gar verglichen mit den anderen acht Brüdern – steht er zwar »nicht schlecht in dieser Sache«, aber dennoch geht ihm »die an Joseph und an dem Vater begangene Tat entsetzlich nahe« (V, 1546). Alles Übel, das ihm fortan widerfährt, nimmt er als Vergeltung für die begangene Tat, »was nun wieder von einem seltsamen Hochmut des Gewissens zeugt«, denn es verbindet sich mit Geringschätzung gegen die, »die ungeplagt blieben dank ihrer Dickfelligkeit« (V, 1547).

Insbesondere die »Plagen Aschtarti's«, unter denen Juda ja auch schon vorher litt, beginnt er nun »als eine Strafe anzusehen für seine Untat« (V, 1548). Tatsächlich verstärkt sich sein Sexualtrieb seitdem noch, »und es ist kaum anders zu sagen, als daß der Mann seitdem in der Hölle büßte – in einer der Höllen, die's gibt, der Geschlechtshölle« (ebd.). Das aber macht den Erzähler abermals geneigt, ihn in Schutz zu nehmen: Wer meine, das sei die schlimmste Hölle nicht, der kenne den »Durst nach Reinheit nicht, ohne welchen es freilich gar keine Hölle« gebe: »Die Hölle ist für die Reinen; das ist das Gesetz der moralischen Welt« (ebd.).

Trotz seines vom Vater ererbten Widerwillens gegen die Kanaanäer und ihren Baalsdienst heiratet Juda eine »geborene Baalsnärrin« (V, 1549), die Tochter eines Mannes namens Schua (IV, 493), deren Name nicht überliefert ist (V, 1548), weshalb sie nur Schua's Tochter genannt wird. Sie schenkt Juda drei Söhne, 'Er, Onan und Shelah, die alle kränklich sind. Die beiden ältesten aber sind »zugleich auch übel, kränklich auf üble Art und übel auf kränkliche, dabei hübsch und dazu frech, kurzum ein Leidwesen in Israel« (V, 1549).

Judas Schwiegertochter Thamar, die sich in Jaakobs Stamm und in die »große Geschichte« ›einzuschalten‹ entschlossen ist (V, 1539), macht sich Judas Anfälligkeit für Ischtars Plagen zunutze. Nachdem ihre Ehen mit 'Er und Onan ohne Nachkommen geblieben sind und sie durch deren frühen Tod zur zweifachen Witwe geworden ist, verführt sie Juda, als Tempeldirne verkleidet, zum Beischlaf und wird von ihm schwanger (V, 1572 f.). Der Erstgeborene der Zwillinge, die sie zur Welt bringt, Perez, ist Urahn des Bethlehemiters Isai. Dessen jüngster Sohn »konnte es wohl auf dem Saitenspiel und mit der Schleuder und brachte den Riesen zu Fall – da war er schon in der Stille zum König gesalbt« (V, 1576). Die »große Geschichte«, in die Thamar sich wie ihren Schwiegervater Juda ›einschaltet‹, ist die des Hauses David.

Als die Brüder in Ägypten das zweite Mal vor Joseph stehen, hält Juda, der »Mann des Gewissens«  (V, 1618), seine »berühmte Rede«, in der er die Schuld der Brüder an Josephs Verschwinden bekennt (V, 1680-1684). Dazu ist er, findet der Erzähler, wie kein anderer berufen. »Denn Schuld schafft Geist – und schon umgekehrt: ohne Geist gibt es gar keine Schuld« (V, 1678).

Juda gehört neben Ruben, Naphtali, Gad und Benjamin zu den fünf Brüdern, die Echnaton auf Josephs Vorschlag zu Hirten über seine königlichen Herden in Gosen beruft (V, 175).

Am Ende empfängt Juda den väterlichen Erstgeburtssegen, der zu einer Verheißung wird: Jaakob, der sich bei Judas Segen so sehr verausgabt, »daß mehrere Brüder nachher nur Kurzes und Ungefähres mit matter Stimme zu hören bekamen« (V, 1798), verheißt die Ankunft des Messias, der dereinst »aus ihm«, Juda, aus Judas Stamm, genauer: aus dem Hause eines »großen Königs«, der Judas Stamm entspringen wird (d.h. Davids), kommen werde: Schilo, der »Friedebringer, der Mann des Sternes«, dem »alle Völker anhängen würden« (V, 1799).

Band IV: 88, 157, 316, 324, 336, 412, 480, 491-493, 494, 505 f., 509, 512, 514, 517, 550 f., 554, 561, 563, 568, 570, 599 f., 602-606, 608-612, 626, 630, 647, 657 f.
Band V: 1471, 1538 f., 1541, 1545-1549, 1558-1564, 1566-1575, 1590, 1603 f., 1608-1613, 1618 f., 1620, 1625, 1632, 1640-1642, 1644, 1671 f., 1674 f., 1678-1685, 1686, 1696, 1716 f., 1725, 1727, 1738 f., 1746 f., 1751, 1754, 1789, 1791, 1796-1800, 1805 f.

Vgl. Übersicht zur Genealogie und Karte der Stammesgebiete Israels. – Die Reihenfolge der Söhne weicht bei Juda und Dan von der üblichen Zählung ab: Gewöhnlich wird Juda als vierter und Dan als fünfter Sohn Jakobs betrachtet; TM vertauscht beider Positionen, indem er Dans Geburt ins dritte Ehejahr, kurz nach Levis Geburt, und Judas Geburt ins vierte Ehejahr legt (IV, 324).

Letzte Änderung: 18.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück