Zawi-Rê

Josephs zweite ›Grube‹, die Inselfestung Zawi-Rê, liegt »tief im Lande des Set und der roten Krone«, im unterägyptischen Gau von Mendes (Djedet). Dass es der »greuliche Bocksgau« ist, in den die Fahrt geht, gibt Joseph »noch ein eigenes Gefühl von Bedenklichkeit zu der allgemeinen Bedrücktheit und Schwermut, die ihn überschattete und doch auch wieder von einer gehobenen Empfindung des Schicksals und sinnigem Spiel der Gedanken begleitet war« (V, 1293).

Das ›sinnige Spiel der Gedanken‹ betrifft die mythische Deutung dieser zweiten Fahrt in die ›Grube‹, die Joseph, wie schon die erste, als Wiederholung von Tammuz' Fahrt in die Unterwelt versteht: »Es war der Abgrund, in den der Wahrhafte Sohn steigt, Etura, der unterirdische Schafstall, Aralla, das Reich der Toten. Durch die Brunnengrube war er ins Unterland, ins Land der Todesstarre gelangt; nun ging es auch dort noch wieder ins bôr und ins Gefängnis hinab nach Unter-Ägypten, – tiefer konnt' es nicht gehen« (V, 1295).

Zawi-Rê ist ein »Lager freudloser Baulichkeiten«, eine »Ansammlung von kubischen, Höfe und Gänge bildenden Kasernen, Ställen, Magazinhäusern und Kasematten«, überragt von einer Zitadelle, in der der Amtmann residiert, und »von dem Pylon eines Wepwawet-Tempels, dessen Flaggenschmuck den einzigen Augentrost in all der Unzier bildete« (V, 1304 f.).

Der »Amtmann über den Zwinger, Gefangenenvogt und Besatzungskommandant« ist Mai-Sachme (V, 1304), Josephs späterer Haushalter und Hausverwalter in Menfe. In Zawi-Rê sind die Rollen umgekehrt verteilt: Ungefähr ein halbes Jahr nach seiner Einlieferung wird Joseph »wie von selbst und ohne daß eine besondere Ernennung erfolgt wäre«, zum »Herrn des Überblicks« in der Kanzlei des Gefängnisses und nimmt Mai-Sachme lästige »Schreibereien und Verrechnungen« ab (V, 1327 f.).

Joseph verbringt drei Jahre in Zawi-Rê. Ein knappes Jahr nach seiner Ankunft werden die beiden der Verschwörung gegen Amenhotep III. verdächtigten Hofbeamten eingeliefert, der Oberbäcker Mersu-Rê und der Mundschenk Nefer-em-Wêse, denen Joseph aufwartet und die Träume deutet. Es dauert noch zwei Jahre, bis der freigesprochene und wieder in sein Amt eingesetzte Nefer-em-Wêse sich seines Versprechens entsinnt, Joseph aus dem Gefängnis zu helfen (V, 1402 f.). Da ist Amenhotep III. schon gestorben und Amenhotep IV. (Echnaton) auf dem Thron.

Vgl. Karte von Ägypten (Djedet). – Mit der Deutung des Gefängnisses als Unterwelt folgt TM Jeremias I (331). – Wepwawet (Up-uat, Upuaut) ist ein Kriegsgott in Wolfsgestalt, der eigentlich im 13. oberägyptischen Gau, in Siut (Asyut), verehrt wird.

Letzte Änderung: 18.08.2013  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück