Die Frau im Fenster (1897)

Braccio, Messer

Dianoras Mann. Die Amme beschreibt ihn als große, starke Person. Sie weiß von zwei Vorfällen zu berichten, die Braccios brutalen Charakter kennzeichnen: Einem Pferd, das ihm in die Hand gebissen hat, schlug er »mit der Faust hinter die Ohren, daß das große starke Pferd getaumelt hat wie ein junger Hund« (III, 102). Und einen Gesandten aus Como, der unangenehme Nachrichten überbrachte, tötete er grausam und unmotiviert (vgl. III, 104). Als Messer Braccio Dianoras Ehebruch aufdeckt, rächt er ihr Vergehen mit einem Verhör. Schließlich erwürgt er sie »mit der Sicherheit eines wilden Tieres auf der Jagd« (III, 114) mit jener seidenen Leiter, über die ihr Geliebter Palla degli Albizzi immer zu ihr gelangt war.

Dianora, Madonna

Die zwanzigjährige Dianora verbringt den Tag damit, ungeduldig auf ihren Geliebten Palla degli Albizzi zu warten, den sie nach Einbruch der Dunkelheit erwartet. Am Balkonfenster ihres »ernsten lombardischen Palastes« stehend (III, 95), schaut sie sehnsüchtig über die im Abendschein liegenden Hügel und Gärten. Als es dunkel geworden ist, befestigt sie eine seidene Strickleiter am Balkon und wird von ihrer Amme überrascht. Im Gespräch mit ihr ist sie unkonzentriert und versucht auszublenden, was ihr die Amme über ihren brutalen Ehemann berichtet. Als die Amme aber von einem spanischen Ordensbruder zu sprechen beginnt, der von »der Ergebung in den Willen des Herrn« predigt (III, 105) und eine Stimme hat, die der des Palla degli Albizzi ähnelt, hört Dianora aufmerksam zu. Nachdem die Amme das Zimmer verlassen hat, verbinden sich in Dianora das Bild des spanischen Bruders und das des Geliebten zu der Vorstellung eines bacchantischen Jünglings (vgl. III, 107). Aus ihrer Hoffnung, dass die Ankunft ihres Geliebten nun kurz bevor stehe, wird sie jäh aufgeschreckt, als ihr Mann Messer Braccio das Zimmer betritt und sie zur Rede stellt. Sie begreift sofort, dass er sie töten wird und lässt wesentliche Stationen ihres kurzen Lebens Revue passieren. Sie spricht über ihre Kindheit in Bergamo, den Tod ihrer Mutter, die erzwungene Hochzeit mit Braccio und ihr Liebesverhältnis zu Messer Palla, das seit zwölf Wochen besteht. Anlässlich der Hochzeit des Franceso Chieregati habe sie in ihrem damaligen Tischnachbarn sofort ihre Liebe erkannt. Während ihrer Liebesbeichte ist Dianora zwar von Todesangst erfüllt. Sie zeigt aber keine Reue und beschreibt ihrem brutalen Ehemann ihre Liebe zu Messer Palla als eine innere Freiheit, für die es sich zu sterben lohnt.

Amme

Kommt vom abendlichen Kirchgang zurück und überrascht Dianora in ihrem Zimmer. Sie berichtet ihrer Herrin über einen spanischen Ordensbruder, der in der Kirche Ergebung und Demut predige und dessen Stimme der des Palla degli Albizzi, Dianoras Geliebten, ähnlich sei. Die beiden Frauen kommen dann auf Braccios Wunde in der Hand zu sprechen, die von einem Pferdebiss herrührt, den er sich am Tag der Hochzeit Franceso Chieregatis zugezogen hat. Die Amme wundert sich, dass Dianora von der Herkunft der Wunde keine Kenntnis hat. Dianora gesteht daraufhin, dass sie bei der Hochzeit von ihrem Tischnachbarn (und jetzigen Geliebten) Palla so eingenommen war, dass sie nicht mitbekam, wie ihr Mann bei Tisch die Geschichte mit dem Pferdebiss erzählte. Nachdem die Amme sie darüber aufgeklärt hat, wie sich Braccio mit einem brutalen Schlag aufs Genick gegen den »schönen großen Rotschimmel« gewehrt hat (vgl. III, 100), erzählt sie ihr auch die Geschichte, die über Braccios brutalen Mord an dem Gesandten aus Como in Umlauf ist.

© Katharina Meiser 2012 – Alle Rechte vorbehalten.