Bülow, Herr von

Ein ehemaliger Stabskapitän, Autor politischer Schriften und seit Kurzem häufiger Gast bei den Carayons, denen er aufrichtig zugetan ist. Er tritt stets mit seinem Verleger Sander gemeinsam auf. Nach »einem abenteuernden Leben in England und den Unionsstaaten« ist er in seine alte Heimat zurückgekehrt, wo er »allgemein als das Haupt« der »militärischen Frondeurs« gilt (1/5). Bülow ist einige Jahre jünger als Sander und trägt einen Spitzbart. Er neigt zu Überheblichkeit. Seinen politischen Überzeugungen gibt er oft, gern, gesten- und wortreich Ausdruck: »Er konnte, wie seine Freunde sagten, nur sprechen um Vortrag zu halten, und – er sprach eigentlich immer.« (Ebd.) Nur im Anschluss an Victoires Gesangsvortrag schweigt Bülow und ist in sich gekehrt, denn er »hatte, wie die meisten mit Staatenuntergang beschäftigten Frondeurs, auch seine schwachen Seiten, und eine davon war durch das Lied getroffen worden. [...] Wider Wissen und Willen, war er ein Kind seiner Zeit, und romantisierte.« (2/18)

Was das politische Zeitgeschehen betrifft, so ist Bülow – anders als Schach – ein Befürworter der Haugwitzschen Mission, hält diese »Rettung« Preußens aber für eine nur vorübergehende, denn seiner Ansicht nach sind der »nationale wie der konfessionelle Standpunkt [...] hinschwindende Dinge, vor allem aber ist es der preußische und sein alter ego der lutherische« (2/16). Erhält ein anderer zu viel Aufmerksamkeit, wird Bülow schnell nervös, denn er ist ein Mann, »der nicht gern neue Götter neben sich« duldet (2/15). Und auch sonst entsprechen seine Manieren nicht den Konventionen: Er sitzt mit weit vorgestreckten Füßen und lässt beim Sprechen eine Hand in der Hosentasche; er kleidet sich nachlässig, kurz: »Nonchalance gehörte mit zur Genialität« (ebd.). In seinem Desinteresse an Äußerlichkeiten ist Bülow aber auch der einzige, der Victoires Blatternarben nicht sieht oder jedenfalls »als absolut gleichgiltig« betrachtet (1/8) und der sie später im Brief an Sander als »ein paar Grübchen mehr in der Wange [...], als gerade modisch oder herkömmlich ist«, bezeichnet (20/154).

Mit dem an Äußerlichkeiten dagegen sehr interessierten Schach, den er ebenso wenig mag wie Schach ihn, verstrickt Bülow sich immer wieder in politische Diskussionen, aus denen er meist als Sieger hervorgeht, wie Victoire in ihren Briefen an Lisette hervorhebt (vgl. 5/50 u. 21/157 f.). Schach hält Bülows angebliche Genialität in politischen Fragen allerdings für »die billigste der Weisheiten, die Weisheit post festum« (4/38). Für ihn ist Bülow weiter nichts als exzentrisch, »und das Feuer, das in ihm brennt, ist einfach das einer infernalen Eigenliebe« (4/38). Frau von Carayon widerspricht, sie hält Bülow für »verbittert« und fürchtet gleichzeitig, »daß er ein Recht hat, es zu sein« (ebd.).

Trotzdem ist Bülow ein gern gesehener Gast, auch der Prinz freut sich auf die Opposition, die ihn erquicke (vgl. 6/51), und schließlich gibt sogar Schach zu, dass Bülow »ihm zwar nie sympathisch, aber trotz all seiner Schrullen immer ein Gegenstand des Interesses gewesen sei« (19/149). Umgekehrt sieht auch Bülow nach Schachs Tod den ehemaligen Gegner differenzierter. In seinem Brief an Sander räumt er ein, dass Schach, »all seiner Fehler unerachtet, immer noch einer der besten war«, und erklärt, dieser »Schach-Fall« sei »nur ein Symptom« für den falschen Ehrbegriff, der in der fridericianischen Armee herrsche und »die richtige Ehre tot gemacht« habe (20/153). Am Ende ist Bülow sogar sicher: »Wir werden an derselben Welt des Scheins zugrunde gehn, an der Schach zugrunde gegangen ist.« (20/155)

Das historische Vorbild für die Figur war Adam Heinrich Friedrich Freiherr von Bülow (1757-1807).