Eckhoff, Vera

Tochter von Friedrich und Hildegard von Kamcke, geboren 1940 in Ostpreußen (171), Adoptivtochter von Karl Eckhoff, Halbschwester von Marlene Hove. Im letzten Kriegswinter muss Hildegard von Kamcke mit der fünfjährigen Vera aus Ostpreußen fliehen, dabei erfriert Veras kleiner Bruder, ein Säugling, im Kinderwagen. Die Flucht endet im Alten Land, wo sie auf dem Hof von Ida Eckhoff unterkommen. Etwa zwei Jahre später heiratet Hildegard von Kamcke den Hoferben Karl Eckhoff (14), der Vera adoptiert, sie heißt nun Vera Eckhoff. Vor dem ständigen Streit zwischen der Mutter und Ida Eckhoff flüchtet sie in den Stall oder zu dem etwa gleichaltrigen Hinni Lührs vom Nachbarhof (30). Mit neun Jahren findet sie Ida Eckhoff, die sie in Abwesenheit ihrer Mutter »Oma Ida« nennt (31), erhängt auf dem Kornboden (33). Mit vierzehn Jahren wird sie von der Mutter verlassen, Hildegard von Kamcke heiratet den Architekten Fritz Jacobi und lässt Vera bei Karl Eckhoff zurück (33f., 205). Die seltenen Besuche bei der Mutter in Blankenese sind demütigend, sie stellt sie bald ein (175). Vera lernt schießen, jagt Hasen und Rehe (37f.) und weiß sich zu wehren gegen Mitschüler, die sie als »Polackenbalg« beschimpfen (34). Am Mädchengymnasium in Stade legt sie ein »Einserabitur« ab (ebd.), studiert Zahnmedizin in Hamburg (37) und eröffnet im Dorf eine Praxis (40). Sie führt ein einsames Leben, hin und wieder unterbrochen von unverbindlichen Liebesbeziehungen mit verheirateten Männern (43f.), und sorgt treu für den seelisch zerrütteten Karl, der kaum noch schläft. Doch auch sie schläft zunehmend schlechter, denn in den Nächten glaubt sie die Stimmen und Geräusche früherer Bewohner des Hofes zu hören (47), die ihr den Schlaf rauben, darunter insbesondere die »jahrelange Schreierei« zwischen ihrer Mutter und Ida Eckhoff (14f.). Sie überträgt die Traumata ihrer Kindheit und Jugend auf Ida Eckhoffs Haus. Ein »Kinderglaube«, den sie bei Tag ›lächerlich‹ findet, bei Nacht aber nicht abwehren kann (281), lässt ihr das alte Haus als Wesen erscheinen, das ein Eigenleben führt, als »Racheengel« (281), der Eingriffe in seine jahrhundertealte Substanz mit »Blut und Scherben« (36) oder gar mit dem Tod wie dem von Ida Eckhoff (37) vergilt, weshalb sie es auch nicht anrührt und verfallen lässt (36f.), ein »Patron aus Stein und Eiche, herrisch und selbstgefällig«, der sie, den hergelaufenen Flüchtling, »in seinen Wänden nur widerwillig duldete« (47), sie loswerden und »abstoßen« will »wie ein fremdes Organ« (41). Um so entschlossener hält sie an ihm fest, weil es ihr seit der Flucht aus Ostpreußen als der einzige sichere Ort erscheint, an dem sie »zwar keine Wurzeln schlagen [...], aber doch festwachsen« kann »wie eine Flechte oder ein Moos«. »Nicht gedeihen, nicht blühen, nur bleiben.« (42) Nach Karls Tod ist sie einsam »bis auf die Knochen« (228), die nächtlichen Geräusche und Stimmen werden noch bedrängender, sie verbringt die Nächte am Küchentisch, schläft nur noch wenige Stunden am Morgen und ist nahe daran, den Rest des Mittels, mit dem sie Karl beim Sterben geholfen hat (132f.), selbst zu nehmen. Aber Hinni Lührs gibt auf sie acht (227) wie sie nach dem Unfalltod seiner Frau Elisabeth auf ihn achtgegeben hat (200f.). Als dann »ihre Flüchtlinge« kommen (227), ihre Nichte Anne Hove und der kleine Leon, beginnt ein langwieriger Heilungsprozess, der sich in der langwierigen Renovierung ihres verfallenden Hauses abbildet, die Vera nun mit Annes und Carsten Drewes Hilfe beginnt. Dass das Haus dabei stillhält »wie ein altes Pferd, das sich beschlagen ließ« (281), mag darauf hindeuten, dass die Heilung gelingen wird.