Ich

In der Erzählgegenwart geht der Erzähler an einem Sonntagmorgen auf einem Deich spazieren. Das »traumhafte Gefühl der Jugend« (II, 41) überkommt ihn dabei. Er erinnert sich an seine Jugendliebe Susanne, mit der er an genau diesem Strand früher schon einmal spazieren gegangen ist. Zum Zeitpunkt der eigentlichen Handlung, an die der Erzähler sich auf seinem Spaziergang erinnert, ist er »ein junger Advokat« (II, 57), der eine demokratische Einstellung hat. Die Handlung der Novelle besteht im Wesentlichen darin, dass er zusammen mit Susanne, in die er verliebt ist, und deren Mutter, der Frau Geheimrätin, zunächst auf dem Deich spazieren geht, sie im Anschluss zusammen mit dem Schiff auf eine Hallig übersetzen und dort den Vetter besuchen.

Schon auf der Überfahrt wird deutlich, dass der Erzähler und Susanne einander anziehend finden. Eine Gemeinsamkeit entdeckt der Erzähler etwa, als er der Frau Geheimrätin die Sage von Rungholt erzählt, und ihm und Susanne bewusst wird, dass sie beide gern »an Wunder« glauben (II, 44). Die Anziehungskraft wird noch deutlicher, als die beiden sich später im Garten des Hallighauses aufhalten und »in jenen träumerischen Zustand« geraten, »von dem in der Sommerstille, inmitten der webenden Natur so leicht ein junges Paar beschlichen wird« (II, 53): Die beiden fühlen sich einander ganz nahe, schweigen, wobei die Naturbeschreibung des Erzählers – Winde, die die Blumen befruchten – sexuell konnotiert ist.

Als sich die beiden kurz darauf in der Scheune des Hallighauses noch einmal treffen, meint der Erzähler schon zu erkennen, dass die aufkeimenden Gefühle auch dazu führen könnten, verletzt zu werden. Susanne kommt zu ihm und schaut ihn mit einem Blick an, in dem »etwas von dem blauen Strahl eines Edelsteins« (II, 55) ist, woraufhin sich der Erzähler fragt, ob ihm vielleicht von ihr nicht doch ein Leid geschehen könnte. Das hängt, wie am Höhepunkt der Handlung deutlich wird, vor allem mit seinen demokratischen Überzeugungen zusammen.

Der Erzähler und Susanne verlassen die Scheune und gehen allein am Strand spazieren. Susanne betrachtet Eier in einem Vogelnest, erschrickt sich, weil sie von Vögeln attackiert wird, stürmt auf den Erzähler zu und fällt ihm um den Hals. In diesem Moment ist sein Schicksal gewebt, wie der Erzähler selbst deutlich macht, indem er das Gedicht ›Das Paar‹ von C. Reinhold zitiert. Zugleich schießt dem Erzähler aber unmittelbar seine soziale Stellung und die damit verbundenen Verpflichtungen in den Sinn. Seine Karriere als Advokat ist durchaus aussichtsreich, er müsste dafür aber seinen Bart rasieren und seinen »Heckerhut« (II, 57) ablegen. Schnurrbart und Heckerhut waren in der damaligen Zeit Ausdruck einer antifeudalen, freiheitlichen und – im Sinne der Revolution von 1848 – revolutionären Einstellung. Vom Erzähler wird also letzten Endes verlangt, dass er seine demokratischen Überzeugungen aufgibt, um Karriere machen zu können – was er machen müsste, wenn er Susanne einmal heiraten will. In dem Moment, in dem das dem Erzähler bewusst wird, regt sich, trotz der innigen Umarmung Susannes, zugleich Widerstand »gegen diese Tyrannei der öffentlichen Meinung« (II, 57-58) in ihm. Der Erzähler »resigniert« (II, 58) daraufhin: Anstatt Susanne weiter zu umarmen oder zu küssen, erinnert er an den Heimweg; und die innige Umarmung deutet er ihr gegenüber nicht als Ausdruck beginnender Liebe, sondern als Reaktion darauf, dass sie sich durch die Vögel erschreckt hat. Gleichwohl sind sich die beiden jetzt näher als zuvor, denn es ist, wie der Erzähler meint, »unverkennbar«, dass sie »nun zusammen« fliegen (II, 58).

Als die beiden zurück zum Haus kommen, schickt der Vetter Susanne zu ihrer Mutter und will mit dem Erzähler alleine reden. Der Vetter und Susannes Mutter haben die Umarmung durch das Teleskop beobachtet. Bei der Vorstellung, dass Susanne und der Erzähler ein Paar werden, strahlt das Gesicht des Vetters »vor Freude« (II, 59) – auch Susannes Mutter scheint nach den Schilderungen des Vetters mit einer Beziehung durchaus einverstanden zu sein. Der Erzähler schiebt die Umarmung indes erneut auf die Vögel, was der Vetter aber nicht gelten lässt. Da der Erzähler noch einmal wiederholt, dass zwischen ihm und Susanne »wirklich nichts« (II, 60) ist, schlägt der Vetter ihm, während die Frauen mit dem Wagen zum Schiff fahren, vor, dass sie an Ostern das Haus auf der Hallig ausbauen und der Erzähler zu ihm auf die Hallig kommen kann.

Auf der Fahrt mit dem Schiff zurück zum Festland stehen Susanne und der Erzähler gemeinsam an Deck, wobei der Erzähler über Susannes und seine Gefühle nachdenkt, aber zu keinem klaren Schluss kommen kann. Er hat seither, wie er im Anschluss erläutert, die Nähe zu Susanne nie wieder gesucht. Aus diesem Tag ist ihm »keine Frucht, aber auch keine Enttäuschung« (II, 61) entstanden. Dass er seinen Hut und seinen Schnurrbart beibehalten hat, macht deutlich, dass er die mögliche Liebesbeziehung seinen demokratischen Idealen geopfert hat. Wie die Handlung einer Sage sind die Ereignisse dieses Tages für ihn »in dem sicheren Lande der Vergangenheit« (II, 61) wohlverwahrt.

Bevor der Vetter stirbt und einige Jahre nach dem Tag auf der Hallig, besucht der Erzähler den Vetter erneut. Nach dem Tod des Vetters erbt der Erzähler dessen Geige unter der Bedingung, dass er sie niemals verkaufen oder verschenken, nur vererben darf. Außerdem vermacht ihm der Vetter seine Bibliothek und seinen handschriftlichen Nachlass. Darin findet der Erzähler einige kurze Aufzeichnungen des Vetters, aus denen genauer deutlich wird, warum dieser sich damals auf die Hallig zurückgezogen hat.