Scuderi, Magdalaine von

Die 73-jährige, scharfsinnige Protagonistin der Geschichte, »bekannt durch ihre anmutigen Verse, durch die Gunst Ludwig des XIV. und der Maintenon«, lebt gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Paris in der Rue St. Honoré (780). Sie ist von »uraltem Adel« (806), der »Tugend getreu« und der Frömmigkeit »von Kindheit an« eng verbunden (797).

Als Ludwig XIV. gedrängt wird, zur Aufklärung einer Serie von Raubmorden einen eigenen Gerichtshof einzurichten, verhilft sie dem widerstrebenden König mit einem Zweizeiler zu einer galanten Begründung seines abschlägigen Bescheids: »Un amant qui craint les voleurs / n'est point digne d'amour« (795). Bald darauf, in einer Herbstnacht des Jahres 1680, wird ihr durch einen geheimnisvollen jungen Mann (Olivier Brußon) ein Kästchen mit erlesenem Schmuck überbracht, mit dem sich »Die Unsichtbaren«, wie ein beiliegender Zettel wissen lässt, bei dem Fräulein bedanken dafür, dass sie sie »von großer Verfolgung errettet« habe (797).

Die entsetzte Scuderi, durch das ungebetene Geschenk unfreiwillig in die Machenschaften der (vermeintlichen) Mörderbande verwickelt, sucht Rat bei der Marquise de Maintenon, die den Schmuck sofort als Arbeit des berühmten Goldschmieds Cardillac erkennt. Der herbeigerufene Cardillac bestätigt dies, gibt vor, dass der Schmuck ihm gestohlen worden sei, möchte ihn aber nicht zurücknehmen, sondern drängt ihn der Scuderi förmlich auf.

Einige Monate später wirft ihr derselbe junge Mann, der ihr den Schmuck überbracht hatte, ein Zettelchen zu, auf dem er sie beschwört, den Schmuck binnen zwei Tagen zu Cardillac zurückzubringen, andernfalls sei ihr Leben in Gefahr. Als das Fräulein zwei Tage später vor das Haus des Goldschmieds kommt, stellt sich heraus, dass Cardillac in der Nacht ermordet und sein Geselle, Olivier Brußon, als sein mutmaßlicher Mörder und als mutmaßliches Mitglied der vermeintlichen Schmuckräuberbande verhaftet worden ist. Madelon, Cardillacs Tochter und Verlobte Brußons, bittet das Fräulein um Hilfe.

Die Scuderi nimmt sich der Verzweifelten an, und nachdem sie sich von der Glaubwürdigkeit ihrer Darstellung des Hergangs überzeugt hat, ist sie entschlossen, Brußon zu retten. Sie wendet sich an den berüchtigten Polizeipräsidenten la Regnie, der aber angesichts der erdrückenden Indizien hart bleibt. Der Scuderi scheint es, »als könne vor diesem schrecklichen Manne keine Treue, keine Tugend bestehen« (816). Sie verlangt, Brußon zu sprechen, fällt aber bei seinem Anblick in Ohnmacht, weil sie in ihm den jungen Mann erkennt, der ihr das Zettelchen zuwarf, und ist nun von seiner Schuld überzeugt. Dennoch lässt sie sich von dem Polizeioffizier Desgrais zu einer erneuten Begegnung mit Brußon überreden. Bei dieser Begegnung gibt Brußon sich ihr als Sohn ihrer Pflegetochter Anne Guiot zu erkennen und beichtet seine ganze Geschichte: Keine Räuberbande, sondern Cardillac war der Mörder und Schmuckräuber, der die Stadt in Angst und Schrecken versetzt hatte. Brußon wurde durch Zufall zu seinem Mitwisser und sah sich mit Rücksicht auf Madelon dazu gezwungen, den Mörder zu decken. Den Tod fand Cardillac bei seinem letzten Raubüberfall: Dessen Opfer (Graf von Miossens) erstach ihn in Notwehr.

Da Brußon um Madelons willen darauf besteht, sein Wissen auch weiterhin nicht preiszugeben, erscheint seine Rettung nahezu aussichtslos. Die Scuderi scheut jedoch keine Kosten und Mühen, um der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Sie beauftragt sogar den berühmtesten Anwalt in Paris, Arnaud d'Andilly, der ihr allerdings vorerst nicht weiterhelfen kann. Dann aber kommt ihr die Aussage des Grafen Miossens zu Hilfe, der ihr gesteht, Cardillac in Notwehr erstochen zu haben. Das Geständnis bewahrt Brußon vor der Folter und verschafft dem Fräulein Zeit für ein Gnadengesuch beim König. Da Ludwig XIV. von dem Fall Brußon nichts wissen will, setzt die Scuderi ihr ganzes erzählerisches Geschick ein: Durch die spannende Erzählung der Geschichte aus ihrer und Madelons Sicht gelingt es ihr, den König zu fesseln und schließlich von Brußons Unschuld zu überzeugen. Er begnadigt den jungen Mann und stellt resigniert fest, dass die Scuderi »Parlamentsadvokat« sein und seine »Rechtshändel ausfechten« sollte: Denn, »beim heiligen Dionys, Eurer Beredsamkeit widersteht niemand auf Erden« (851).