Judejahn, Adolf

Sohn von Eva und Gottlieb Judejahn, Cousin Siegfried Pfaffraths, Diakon und angehender Priester. Er verbrachte seine Kindheit, zeitweise gemeinsam mit Siegfried (II, 451), in einer »nationalsozialistischen Erziehungsburg […], aus der sie ihren Führernachwuchs holen wollten« (II, 458). Zum Ende des Krieges schickten die Erzieher die Kinder mit dem Zug nach Hause. Adolfs Zug wurde von Tieffliegern beschossen, er blieb unverletzt und traf einen jüdischen Jungen aus einem anderen zerstörten Zug, der aus einem Konzentrationslager kam. Adolf teilte sein Essen mit dem Jungen und deckte den Frierenden mit seiner Uniformjacke zu. »Er tat es nicht aus Mitleid« (II, 461). Am darauffolgenden Morgen setzte er sich in die Dorfkirche eines nahen Ortes, »weil ihr Tor offen stand, und weil sonst kein Tor offenstand« (II, 462). Er »glaubte den Menschen nicht mehr. Er wollte dem Herrn dienen« (II, 463).

In Rom sucht Adolf seinen Vetter Siegfried in dessen Hotel auf. Beide hadern mit ihren Eltern, die sich in der NS-Zeit schuldig gemacht haben, aber anders als Siegfried fühlt Adolf sich verpflichtet, seinen Eltern zu helfen, auch wenn er nicht daran glaubt, »sie erlösen« zu können (II, 469). Beide verabreden sich für den nächsten Tag an der Engelsbrücke (II, 470).

Am nächsten Tag besucht er den Petersdom. Die Via della Conciliazione erinnert ihn an das Nürnberger Parteitagsgelände (II, 497). Der Dom schüchtert ihn ein. Er hat Zweifel an der Kirche und an seiner Berufung zum Priester. Erst der Anblick von Michelangelos Pietà gibt ihm wieder Zuversicht. Er »wollte lieben, auch wenn er sich zur Liebe zwingen musste« (II, 501).

In der Engelsburg beobachtet er unerkannt seinen Vater, der »seine Notdurft in das Loch für den ärmsten Gefangenen« verrichtet (II, 509). Der Anblick erschüttert ihn tief. An der Engelsbrücke trifft er Siegfried, dem er von seiner Begegnung mit dem Vater berichtet. Siegfried lädt ihn zu einem Eis ein (II, 512), beide streiten über den richtigen Umgang mit den Eltern. Am Ende des Gesprächs schenkt Siegfried seinem Vetter seine Konzertkarte.

Adolf besucht seine Mutter in ihrem Hotelzimmer. Sie begegnet ihm kalt und ablehnend, weil sie seinen Beruf verachtet. Als Judejahn überraschend den Raum betritt, begrüßt er seinen Sohn nicht. Adolf beobachtet das Wiedersehen seiner Eltern und betet für sie. Am Ende drückt Judejahn ihm Geld in die Hand mit der Bemerkung, er solle sich damit betrinken oder mit einem Mädchen ausgehen, »wenn du noch ein Mann bist« (II, 526).

Beim Konzert versucht Adolf, Siegfrieds Musik zu begreifen, und erkennt »Gegensätzliches, wohltuenden Schmerz, lustige Verzweiflung« (II, 538). Als er am Ende nicht weiß, ob er applaudieren soll, sieht er seinen begeistert applaudierenden Vater und versteht die Welt nicht mehr. »Adolf ahnte nichts von der Existenz des kleinen Gottliebs in seinem Vater, und so konnte er Judejahns Verhalten nicht enträtseln« (II, 540 f.).

Nach dem Konzert gehen Adolf und Siegfried durch die nächtliche Stadt und diskutieren über die Notwendigkeit politischer Ideale. Siegfried führt ihn in die Schwulenbar, in der Laura arbeitet. Ihr Lächeln bezaubert Adolf (553). Siegfried möchte ihn »vom bittersüßen Trank kosten« lassen (II, 555) und trifft für ihn eine Verabredung mit Laura. Als Gottlieb Judejahn kurz darauf das Lokal betritt und erkennt, daß Laura seinen verachteten Sohn ihm vorzieht, läuft er blaurot an (II, 557), verlässt aber die Bar, ohne Adolf angesprochen zu haben (II, 559 f.). Später begleiten Adolf und Siegfried Laura durch die Nacht. An der Santa Maria degli Angeli verabschiedet Siegfried sich, und Adolf steht lange mit Laura am Kirchengemäuer. Er »versuchte, das Lächeln zu greifen«, erschrickt aber und läuft davon (II, 568).

Am nächsten Morgen geht er in der Santa Maria degli Angeli zur Beichte (II, 570) und gibt das Geld seines Vaters beim Verlassen der Kirche einer Bettlerin. Im Garten der Diokletiansthermen sieht er plötzlich seinen Vater mit blaurotem Gesicht heranwanken und der Länge nach hinschlagen. Er holt den Priester aus der Kirche, damit er dem sterbenden Judejahn die letzte Ölung erteilt, und betet für den Vater (II, 578 f.).