Ingrid Babendererde in anderen Texten Johnsons

Eine Abiturklasse – Aus einem aufgegebenen Roman (1968)

A 109 Ingrid Babendererde »war vor vier Jahren auf die Oberschule gekommen ohne sich viel dabei zu denken. Für die Tochter der Lehrer-Babendererdes verstand sich das wie natürlich […]. Sie besuchte mit Eva Mau die Tanzstunde, ließ sich einladen zu den Festen der damaligen 12 B und erwähnte manchmal die Babendererdes in Lübeck«.

A 111 »Als sie [Klaus Niebuhr und Jürgen Petersen] wiederkamen, war die Schülerin Babendererde sehr schön von den Ferien in Lübeck. […]. In diesem Herbst [1950] war Ingrid viel allein.«

A 112. A 113 Nachdem zwei Angehörige der FDJ-Gruppe »die Demokratische Republik verlassen hatten«, kommt es zu einer Diskussion in der Schule: »Die Babendererde sagte: sie verdenke es den Abgeschiedenen nicht, indem es weder mit der Freiheit noch mit der Bequemlichkeit weit her sei in der Demokratischen Republik. [Klaus] Niebuhr hatte nach einer Weile höflich erwidert: es gehe in der Demokratischen Republik vorläufig weder um das eine noch um das andere sondern darum ob man den Sozialismus wolle oder nicht. Worauf die Babendererde geringschätzig einigen Atem zwischen ihren Lippen hervorgeblasen habe, denn sie mißtraute den Leuten, die solche Worte öffentlich aus ihrem Munde kommen ließen«.

A 114-115 Während der Kartoffelernte, zu der auch die Klase 10 A II verpflichtet wurde, auf dem Hof von Itsches Vater: »Abends saßen sie in der niedrigen Wohnstube um den großen Tisch und ließen sich von Itsche bedienen; Ingrid pflegte auf dem Sofa zu liegen und sagte sehr wenig. Manchmal hätte sie gern gelesen um auch ihre Gedanken zu ermüden, aber sie wollte irgend jemand der Anwesenden nicht sehen lassen was sie außerhalb der Schule trieb.«

In diesen Weihnachtsferien ging sie »gründlich durch den Bücherschrank ihres Vaters« und redete ganze Abende lang mit ihrer Mutter über »die deutsche Literatur der vergangenen Jahrhunderte.« Frau Babendererde »hielt ihr Gesicht in Ordnung und bereitete sich vor auf die Fragen ihrer Tochter, während sie Briefmarken verkaufte und Telegrammworte zählte«.

A 120 »Gegen Ende ihres zehnten Schuljahrs lag Ingrid Babendererde auf Nielsens Steg […]. Mit mal kam ein Segelboot […] durch das Schilf, und darin saß Klaus Niebuhr […]. Es wurde ihnen aber alles schwierig was mit ihnen zusammenhing, und sie waren nicht immer so einig wie in dieser Woche zwischen Pfingsten und schriftlichem Abitur«.

Johnsons Romanerstling »Ingrid Babendererde. Reifeprüfung 1953« lag bei Erscheinen des ›Kleinen Adressbuchs‹ (1983) noch nicht vor, wurde erst 1985 posthum veröffentlicht. Bis dahin war nur der hier verwendete Auszug im Druck zugänglich. Er erschien in dem Band: Aus aufgegebenen Werken. Mit einer Vorbemerkung von Siegfried Unseld. Frankfurt a. M. 1968, S. 109-123.

Begleitumstände (1980)

B 75-76. 77-78 »Erichson ist ein Zeuge; die Erzählung ist unabhängig. Überliesse man die ihm (und müsste er ausklammern, was er nach dem Mai 1953 erfuhr), so wäre von ihm zu hören, dass er eine Ingrid Babendererde, jetzt an die Achtzehn, kenne von Kindesbeinen an, von den ihren nämlich, und so sei sie denn ausgekommen ohne seine Billigung, als sie sich im Frühjahr 1952 zusammentat mit einem Jungen aus ihrer Klasse, Klaus Niebuhr, der seit 1943, nach einer ziemlich scheusslichen Sache mit seinen Eltern, bei den Schleusen-Niebuhrs wohnte. Von dem habe sie das Segeln gelernt und was ihr unbegreiflich gewesen war an der Mathematik, und da auch er von ihr etwas lernen wollte, seien sie bei Erichsons Besuch längst eines von jenen Paaren gewesen, auf die die ganze Schule stolz ist«.

B 79-80 »Ingrid und ihrem Klaus, Klaus und seiner Ingrid sei an diesem Morgen [12. Mai 1953] noch der Schreck von gestern anzusehen gewesen, als jeder vom anderen dachte, er habe es vergessen, nämlich dass sie auf diesen Tag vor einem Jahr sich verbündet hatten auf Nielsens Bootssteg im Unteren See; zu sehen war auch die Genugtuung darüber, dass sie es beide behalten hatten als das Wichtigste, weswegen sie den ganzen Nachmittag segelnd über beide Seen gereist waren; seit heute morgen auch trug Ingrid einen Ring am Handgelenk, der war mal ein silberner Löffel gewesen im Besteckkasten von Klausens Tante«.

B 83 Sie wird am Mittwoch, 13. Mai 1953, im Verfahren gegen die Junge Gemeinde aus der FDJ ausgeschlossen: »Diese Ingrid Babendererde ist aus der F.D.J. ausgeschlossen. Mit 289 gegen 17 Stimmen. Ihr ist das Betreten des Schulgeländes ab sofort verboten. Für eine Rede. Für bloss eine Rede.«

B 87 Sie geht mit Klaus Niebuhr nach »Westberlin, von wo sie umsteigen in jene Lebensweise, die sie ansehen für die falsche. Um die polizeiliche Kontrolle an ihrem Heimatbahnhof zu umgehen, haben die der Volkspolizei ihr Motorboot aus einem streng verschlossenen Schuppen geklaut, damit sie zu einer Schnellzugstation weiter südlich reisen können und einsteigen ohne Schererei«.

B 98 Beim Treffen mit Uwe Johnson im Juli 1957 brach Peter Suhrkamp »einen Streit vom Zaun: was das denn schon für ein Name sei, Babendererde. Nun musste er wissen, was das bedeutet, denn er war im Niederdeutschen aufgewachsen, ›auf der Erde‹ hiess so jemand, das war seine Verfassung und Befindlichkeit. Und der sich das gemerkt und ausgesucht hatte, ihm war dieser Name, 1704 noch ›BavenderErde‹ geschrieben, zu Gesicht gekommen auf verwitterten wie frischen Grabsteinen, er war mit Leuten dieses Namens in Mecklenburg zur Schule gegangen!«