Francine

Schwarzes Kind aus Marie Cresspahls Klasse in New York. Ihre Mutter lebt mit ihr und drei weiteren Geschwistern von der Fürsorge. Im Februar 1968 nehmen die Cresspahls sie für zwei Wochen bei sich auf.

218-221 Disput zwischen Gesine und Marie über Maries gespaltenes Verhältnis zu Francine. Marie hat ihretwegen »Sorgen«, seit Sister Magdalena sie neben sie gesetzt hat: »Sie ist eine Alibinegerin. [...] Ein Alibineger ist einer, der umsonst in unsere Schule gelassen wird.« Gesine: »Damit das Institut nicht die Bundeszuschüsse verliert.« Marie: »Damit das Gesetz belogen wird.« – Marie hat »Arbeit« mit ihr: »Die Arbeit ist das Freundlichsein.« Gesine: »Du magst sie nicht.« Marie: »Ganz recht, ich finde sie häßlich. [...] Nun sagt sie mir ins Gesicht hinein: sie findet mich nett.« – Marie sorgt sich, ihre Freundinnen könnten denken, dass sie Francine »nicht aus Anstand allein« hilft. »Die denken, was Francine denkt: Ich täte das aus Liebe. Ich will da raus.« Gesine rät ihr, die Freundinnen in die Hilfe für Francine einzubeziehen.

247-250 Marie wollte am 1. November 1967 ursprünglich eine eigene Halloween-Party veranstalten und Francine dazu einladen (vgl. 247). Dann geht sie doch zu einer Party mit ihren weißen Freundinnen. Wieder zu Hause, verdrückt sie sich rasch in ihr Zimmer und vermeidet auch noch am nächsten Tag Gespräche mit Gesine. »Es war nicht so. Marcia hatte uns eingeladen, bevor ich jemand einladen konnte. Und zu Marcia darf man gefärbte Kinder nicht mitbringen

344-347 Sie steht »halbe Nachmittage« vor den Läden am Broadway, »denn sie kann nicht nach Hause«. Sie lebt mit ihrer Mutter und drei Geschwistern in einem Zimmer. Ihre Geschwister sind nur Halbgeschwister, jedes Kind »hat einen Vater für sich allein«, aber keiner der Väter kümmert sich um sie, die Mutter lebt von der Fürsorge. Francine bekommt 20 Cent Taschengeld alle vierzehn Tage. Sie kennt ihren Vater nicht. Das Zimmer hat nur zwei Betten. »Der älteste Bruder muß bei der Mutter schlafen, seit er versucht hat, mit Francines Schwester es zu machen.« Der Bruder nimmt Drogen.

440-443 Francine besucht Marie. Sie hat Angst vor Gesine.

705-710 Am 11. Februar 1968, nach einer Messerstecherei, bei der Francines Mutter verletzt wird, nehmen Cresspahls Francine bei sich auf. »Francine wollte der Wachtmeister nicht gern loswerden an weiße Leute. – Wissen Sie auch, was Sie da tun, Lady? sagte er.«

730-734 Marie spricht mit ihrer Mutter über die Schwierigkeiten des Zusammenlebens mit Francine.

769-774 Nach zwölf Tagen wird Francine von der Fürsorge abgeholt und zur Mutter gebracht.

831 Marie ignoriert Francine in der Schule. »Sie kann sich nicht ausdenken, daß Francine zu der eigenen Mutter nicht zurückgehen wollte. Ihr ist das wie ein Riß im Verständnis von Francine, für den sie noch kein Pflaster hat. Es sieht aus, als habe Francine sie gekränkt.«

841-848 Am 9. März 1968 möchte Marie nach Francine in den Slums der Oberen Westseite suchen, um sich mit ihr »ins Reine zu bringen«. Gesine begleitet sie. Sie können Francine nicht finden. – Vom Portier des Mediterranean Swimming Club, Mr. Welch, erfahren sie, dass Francine dort zweimal nach ihnen gefragt hat. Sie beauftragen ihn, Francine auf ihre Kosten hereinzulassen, falls sie noch einmal auftauchen sollte.

862 Am 13. März 1968 gibt es im Mediterranean Swimming Club eine »ungenaue Aussöhnung« zwischen Marie und Francine. »Die Aussöhnung gilt nicht; sie mögen nicht allein sein, vermeiden einander zu berühren, sitzen weit auseinander. Francine hat sich ein allgemeines Betragen angenommen, nachlässig, unaufmerksam, als verlohnten wir die Anstrengung im Grunde doch nicht.«

1024 »Die Mutter hatte aus ihrem Europa Ideen mitgebracht, die sollte das Kind hier gebrauchen. Alle Menschen seien mit gleichen Rechten ausgestattet, oder zu versehen. Wie konnte Marie danach handeln? Sie konnte der Mutter zeigen, daß sie für eine schwarze Frau im Bus den Sitzplatz eben so beiläufig räumte wie für eine Rosane, sie kann zu Jason in unseren Keller steigen und ihn trösten über die lange lange Zeit bis zum Sonnenuntergang; aber die einzige schwarze Francine in der Schulklasse unter eine europäische Obhut nehmen, wie sollte das ausgehen mit den hellhäutigen Freundinnen? Davon mußte etwas fehlen in Erzählungen zu Hause, und am übelsten war das unablässige Vertrauen der Mutter auf eine Wahrheit, die durch die Lüge nun erst entstand, zusammen mit anderen Unternehmungen zugunsten Francines, die Marie erst recht hatte vermeiden wollen.«

1591 Marie schreibt an ihrem elften Geburtstag am 21. Juli 1968 an Anita Gantlik: »Wir haben sie gesucht auf der ganzen Oberen Westseite der Stadt, und selbst D. E. hat keine Spur. [...] Vielleicht ist sie tot.«

1885 Gesine träumt manchmal von Francine: »Die kleine Person mit den weitläufigen Augen, sie kommt manchmal in faserige Morgenträume, hält den Kopf schräg und flicht ihre störrischen steifen Zöpfe, sagt spöttisch und mit Sehnsucht ›Yes Ma'am – Yes, Ma'am‹; legt zum Abschied ein weißes Tuch mit Spitzenrand auf ihren dunklen Blick und Kopf; die Farbe der Trauer, mag gestorben sein; ist verloren.«

Vgl. auch 718. 725. 751. 753. 784. 826. 1048.