Marjorie

Ein Mädchen in New York, eine Straßenbekanntschaft von Gesine und Marie Cresspahl aus dem Winter 1966/67, die sie gelegentlich in der Umgebung des Riverside Drive treffen.

263-266 »Sie heißt nicht Marjorie. Wir wissen ihren Namen nicht. Wir kennen sie nicht. Sie ist uns zugekommen im vergangenen Winter, ein Mädchen, das an der 97. Straße auf den Bus 5 wartete. Es war ein Tag mit ätzendem Wind, kalt genug das Warten eindringlich und inständig zu machen. Sie stand nicht krumm und im Unglück der Kälte zusammengezogen; sie machte aus dem Frieren eine sorgfältige und zierliche Pantomime. Es sah aus, als fröre sie aus Kameradschaft. Wir gaben ihr nur ganz wenig Worte, und schon vertraute sie uns an: sie sei froh, dies Wetter nicht versäumt zu haben.« – Sie ist schön: »Das Wort schön, für sie ist es übriggeblieben. Sie kann unter wuchtigen Capes verbergen, daß sie schon sechzehn Jahre lang richtig gewachsen ist, sehr schlank, noch nicht schmächtig, auf langen Beinen, die auch die Blicke weiblicher Passanten auf sich ziehen.« – »Sie sieht uns, sie strahlt. Sie redet mit ihren schwarzen Augen, und wir glauben ihr. Es ist nicht erfindlich, warum sie glücklich sein sollte, uns zu sehen; wir nehmen es hin ohne Widerrede in Gedanken.« – »Sie kennt von uns nicht den Namen. Wir kennen von ihr nicht den Namen. Sie will von uns nichts. Wir können von ihr nichts wollen. Es ist ohne Zweck.«

»Wenn jemals, Mrs. Cresspahl, die Stadt New York Ihnen Schaden oder Leides getan hat, bin ich beauftragt, Ihnen zu sagen: Es sollte nicht sein. Es ist geschehen durch ein Versehen. Es tut uns leid, und ich werde Sie trösten.«

541-543 In der Sauna des Hotels Marseille am 2. Januar 1968 ist sie, inzwischen siebzehn Jahre alt, »die einzige mit einem noch vollkommenen Körper hier, und wird für älter gehalten«. Sie macht den Frauen, die über die zunehmenden Vergewaltigungen in der Stadt klagen, vor, wie sie sich zur Wehr setzen würde.

1668 Nach dem Einbruch in ihre Wohnung am 29. Juli 1968 gehen Gesine und Marie Cresspahl abends durch die Straßen. »Vielleicht suchten wir Marjorie. (Wenn jemals, Mrs. Cresspahl, die Stadt New York Ihnen Schaden oder Leides getan hat...) Es war zu spät am Abend. Nirgends war sie zu sehen.«