Barby, Armgard Comtesse von

Die jüngere Tochter des Grafen Barby und spätere Frau von Woldemar. Sie ist ungefähr 20 Jahre alt und lebt mit ihrem Vater und ihrer Schwester Melusine seit zehn Jahren am Kronprinzenufer in Berlin. Armgard ist in London geboren, hat aber nur Kindheitserinnerungen daran, denn sie war erst sechs, als die Familie aus London wegzog (vgl. 22/255). Die um elf Jahre ältere Melusine hat nach dem frühen Tod der Mutter Armgards Erziehung übernommen (vgl. 25/285). Über Armgards Äußeres erfährt man nur, dass sie ein wenig größer ist als Melusine (vgl. 11/130) und bei ihrer Hochzeit eine »blasse, schöne Braut« (36/368).

Die beiden Schwestern werden oft miteinander verglichen. So schreibt Woldemar in seinem Tagebuch über Melusine und Armgard: »An der einen alles Temperament und Anmut, an der anderen alles Charakter, oder, wenn das zu viel gesagt sein sollte, Schlichtheit, Festigkeit.« (12/135 f.) Armgards Qualitäten sind demnach weniger offensichtlich, und so fallen die meisten Vergleiche zwischen den beiden Schwestern meistens zu Melusines Gunsten aus. Schon zu Beginn spricht Rex, als er Czako von Woldemars Besuchen im Hause der Barbys berichtet, nahezu ausschließlich von der ›reizenden‹ Melusine (vgl. 10/124 f.); Graf Barby gibt seinem Diener Jeserich gegenüber zu, dass man »mit Armgard und nun gar erst Melusine« (11/133) mehr Unterhaltung hat als mit ihm selbst; Dubslav stellt schon nach einem Tag fest, dass sich in seiner Vorstellung »die Gräfin immer vor die Comtesse schiebt« (30/332), und vor allem Czako kann nicht verstehen, dass Woldemar sich für Armgard entscheidet: »Der kleine Finger der Gräfin […] ist mir lieber als die ganze Comtesse.« (33/352)

Trotz der ständigen Vergleiche besteht aber keinerlei Feindschaft oder unselige Konkurrenz zwischen den Schwestern, im Gegenteil. Als sie mit ihren neuen Hüten vorm Spiegel stehen, lachen schließlich beide, »weil jede der andern ansah, wie hübsch sie sich fand« (11/130). Nach der Verlobung küsst Melusine die jüngere »mit einer Herzlichkeit, als ob sie selber die glückliche wäre« (26/290), und Armgard lacht umgekehrt darüber, dass es bei ihrem Besuch in Stechlin mit Melusine »wieder das Herkömmliche« war und zuerst Dubslav, dann Lorenzen dem Charme der älteren Schwester erlagen (32/339). Sie selbst war, Woldemar zufolge, vor dem Besuch »in Furcht und Aufregung wie vor einem Examen« (26/294).

Gewöhnlich ist Armgard aber ruhiger und besonnener als Melusine, sie »hat so was Ernstes« (30/331) und »so was Unberührtes«, wie Dubslav feststellt (39/413). Woldemar erinnert sie an die Armgard aus Schillers »Wilhelm Tell«, die »dem Landvogt so mutig in den Zügel fällt« (12/136). Ist Melusine dabei, so bleibt sie oft eher schweigsam, wenn diese jedoch abwesend ist, erweist sie sich als gewandte Gastgeberin, die das Gespräch zu lenken versteht (vgl. 13/152 f.). Ihr Klavierlehrer Wrschowitz ist voller Bewunderung für sie und wirft ihr huldigende Blicke zu (13/155). Über Baronin Berchtesgadens Sinn für Skandale kann Armgard sich nur wundern, da sie selbst Gesellschaftsklatsch nicht mag und ihr alltägliches Leben viel interessanter findet »als diese sogenannte Pikanterie« (24/271). Sie scheut überhaupt davor zurück, schlecht über andere zu reden, selbst dann, wenn diese ihr unsympathisch sind wie Adelheid (vgl. 32/340 und 343). Im Unterschied zu Melusine ist Armgard vollkommen uneitel, kritisiert die Ältere auch schon mal für ihren Hochmut (vgl. z.B. 32/343) und erklärt Woldemar, dass sie, obwohl von Melusine erzogen, die Schwester nun nachträglich ihrerseits mitunter erziehen müsse (vgl. 25/285). Mit Bezug auf Cujacius spricht Armgard sich ganz allgemein gegen zu viel Selbstbewusstsein aus (vgl. 25/284), denn ihre Überzeugung ist: »Man erringt sich nichts. Alles ist Gnade.« (25/289) Könnte sie sich aber etwas erringen, so würde sie für andere leben »und der Armut das Brot geben« wollen – eine Aussage, auf die Melusine sehr gerührt reagiert und die der Verlobung mit Woldemar unmittelbar vorangeht (ebd.).

Dubslav ist »sehr glücklich über die Partie«, nicht zuletzt macht der Reichtum der Familie Barby mit ihren Elbgütern und den Besitzungen in Graubünden ihm einigen Eindruck, denn »höher hinauf geht es kaum«, wie er an den frisch verlobten Woldemar schreibt (26/291). Er freut sich, dass Woldemar durch die Heirat »zu Vermögen und Einfluß« kommt und »die Stechlins wieder 'raufbringen« kann (ebd.), und heißt Armgard in seiner improvisierten Tischrede sehr herzlich in der Familie willkommen (vgl. 30/332 f.). Dass die Verbindung sich aber in erster Linie auf Liebe gründet und wie glücklich Armgard mit Woldemar ist, erkennt Melusine aus einem Brief der Schwester von der Hochzeitsreise und an »allerhand kleinen, ihrem Charakter eigentlich fernliegenden Übermütigkeiten« (38/400). Auch Dubslav fragt sich nach der Lektüre des munteren Briefes verwundert, »wer der blassen Comtesse das zugetraut hätte« (38/402).

Während der Hochzeitsvorbereitungen spricht Armgard sich gegen Woldemars baldigen Austritt aus der Armee aus: »Nein Woldemar, nicht jetzt schon Abschied; ich bin sehr für Freiheit, aber doch beinah' mehr noch für Major.« (33/344) Doch nur wenige Monate nach Dubslavs Tod stellt sie fest, dass das großstädtische Leben in Berlin ihr nicht mehr so viel Freude macht und sie sich nach Stechlin sehnt; von »Major« ist keine Rede mehr. Woldemar ist glücklich, denn was »Armgard da sagte, war ihm aus der eignen Seele gesprochen« (46/461). Der Roman endet am Vortage ihres für den 21. September geplanten Einzuges auf Stechlin.