Klaus Heinrich, Prinz

Er wird mit einer verkümmerten Hand geboren, die er vor der Öffentlichkeit verbergen muß. Klaus Heinrich hat wie seine schöne Mutter stahlblaue Augen und dunkle Haare, aber breite Backenknochen (›Der Schuster Hinnerke‹, 65) und wirkt durchaus bodenständig. Anders als sein Bruder ist er neugierig auf die Welt, »stöbert« gern mit der Schwester Ditlinde im großen Schloß herum und verirrt sich dabei (ebd. 72ff.).

Er wird von Schulrat Dröge privat unterrichtet (ebd. 60f.). Im Alter von 14 bis 17 Jahren besucht er gemeinsam mit fünf ausgesuchten adligen Mitschülern ein Internat im Jagdschloß Fasanerie, wo ihn vor allem der Hilfslehrer Dr. Überbein beeindruckt (›Doktor Überbein‹, 84). Im letzten Schuljahr ist er Schüler des Gymnasiums in der Residenz, teilt aber keine wirkliche Kameradschaft mit den anderen Schülern.

Beim Bürgerball löst sich seine lange geübte Contenance auf. Berauscht von Bowle und vom Tanz mit Fräulein Unschlitt gibt er sich einem »Wir«-Gefühl hin, während die anderen jungen Leute ihren Spott mit ihm treiben. Dr. Überbein findet ihn schließlich halb bewußtlos mit Bowlendeckel und Blumen geschmückt und macht dem ein Ende – eine Erfahrung, die der jetzt Achtzehnjährige nicht vergißt (›Doktor Überbein‹, 114f.).

Sein übliches Benehmen gegenüber Menschen ist immer freundlich und respektvoll (ebd. 129). Nach dem Abitur wird er feierlich für mündig erklärt (ebd. 106) und geht auf die Universität eines kleinen Städtchens, von Überbein begleitet. Nach einem Jahr folgt der militärische Dienst, auch er eine Farce; es folgt eine Bildungsreise, zu deren Programm eine kurze Begegnung mit einer jungen Dame aus der Theaterwelt gehört (ebd. 132).

Nach dem Tod seines Vaters bezieht er das Schloß Eremitage und übernimmt viele Repräsentationspflichten anstelle seines menschenscheuen Bruders. Er trägt immer Uniform, seiner gefaßten Haltung entsprechend (›Albrecht II.‹, 152) und ist durchaus populär. Der ältere Bruder Albrecht ernennt ihn bald zu seinem offiziellen Stellvertreter mit dem Titel ›Königliche Hoheit‹. In dieser Rolle führt er nun ein anstrengendes und sinnentleertes Leben, das aus Eröffnungen, Einweihungen und Audienzen besteht; es ist bloße Form – und besonders absurd angesichts der Verschuldung des Landes (›Der hohe Beruf‹, 175ff.).

Als die Milliardärstochter und Mathematikstudentin Imma Spoelmann im Städtchen erscheint, ist Klaus Heinrich 26 Jahre alt. Er sieht sie gelegentlich in der Öffentlichkeit, und ihm ist »so neuartig zumute« (›Imma‹, 225), wie er Dr. Überbein gesteht (»So? Ist Ihnen?«). Er besucht sie zum Tee und reitet mit ihr zur Fasanerie (Imma: »Von sinnverwirrendem Prunk scheint Ihre Jugend nicht umgeben gewesen zu sein«, ebd. 283). Ihrer Feinheit und Behendigkeit gegenüber wirkt er samt seinem Pferd simpel und schwerfällig (ebd. 271).

Weitere Besuche und Ausritte, die sich auch zum Wettreiten mit Imma entwickeln, folgen im Frühjahr. Im Sommer bringt er Imma eine von den dunkelroten Rosen, die beim Alten Schloß blühen – doch die riecht nach Moder, wie Imma entsetzt bemerkt (ebd. 308f.). Endlich fragt sie ihn nach seiner verkrüppelten Hand, und er sinkt wie erlöst vor ihr auf die Knie (ebd. 313).

Doch danach kehrt sie zu ihrer spöttischen Haltung zurück: sie könne kein Vertrauen zu ihm haben, er bewirke durch seine erlernte Förmlichkeit Ernüchterung und Kälte (›Die Erfüllung‹, 335, auch ›Imma‹, 280). Vergeblich erbittet er von ihr seine Heilung (›Die Erfüllung‹, 336f.).

Nachdem Minister von Knobelsdorff im Herbst den Prinzen in genaue Kenntnis der verzweifelten finanziellen Lage des Landes gesetzt hat, beginnt Klaus Heinrich, Bücher über Staatswirtschaft zu studieren (›Die Erfüllung‹, 354f.). Das erweckt auch Imma Spoelmanns Interesse, und beim Hofball verloben sie sich (ebd. 370). Dynastische Bedenken werden zurückgestellt, und Samuel N. Spoelmann darf das Land retten. »Und so gingen denn die Dinge ihren denkwürdigen Gang bis zum seligen Ende« (ebd. 375). Überall wird renoviert oder neu gebaut, und der sagenumwobene Rosenstock, der einst seinen Duft wieder bekommen soll, wird zum Schloß Eremitage verpflanzt (›Der Rosenstock‹, 392).

Im Mai findet die Hochzeit statt, und die alte Weissagung, ein Fürst mit einer Hand werde einmal das Land beglücken (›Die Hemmung‹, 36 und ›Die Erfüllung‹, 374), scheint sich zu erfüllen.