Jakob Abs in anderen Texten Johnsons
Mutmaßungen über Jakob (1959)
M 7 »Aber Jakob ist immer quer über die Gleise gegangen«. – »Und er war sieben Jahre bei der Eisenbahn.«
M 16-17 Arbeitet 1945 mit den aus Pommern geretteten Pferden auf den Dörfern um Jerichow, im Winter Schwarzhandel (Schnaps) mit sowjetischen Soldaten. – Schnitzt in die Tür von Cresspahls Werkstatt: »CRESSPAHL INTARSIEN«. – Mit achtzehn (recte: neunzehn) Jahren (vgl. B 150) fängt er an »als Rangierer auf dem Bahnhof von Jerichow«. – Die fünfzehnjährige (recte: vierzehnjährige) Gesine »kam immer noch mit auf seine Wege, immer noch nahmen sie sich für Geschwister«. – »Und ein für alle Male hatte Gesine Cresspahl die Mutter Jakobs zu eigen genommen wie Jakob als den geschenkten grossen Bruder«.
M 18-24 Seine Arbeit als »Streckendispatcher«.
M 24 »Er war vor sieben Jahren als Rangierer zur Deutschen Reichsbahn gekommen in einer geringfügigen Stadt an der mecklenburgischen Ostseeküste. [...] alle sagten Jakob zu ihm und du (er war aber nun Inspektor)«. – »Auf den Bildern im Schaukasten der Sportgemeinschaft Lokomotive stand er ohne namhaften Unterschied zwischen dem Linksaussen und dem Mittelläufer der Handballmannschaft I» und ist »überall so gross und festschultrig anzusehen, dass der Betrachter doch gleich dachte oder sagte: ›Das is Jakob. Der da, siehssu, welche so ebnmässich kuckt‹«.
M 30-31 An einem Abend im Herbst 1956 geht Jakob mit Sabine zum Essen in den Ratskeller. Er »legte ihr das Essen vor und bediente sie in allem (fühlte ihre Blicke in seinem Gesicht und fühlte den grossen trägen wehen Überdruss, den er ihretwegen gern geleugnet hätte [...])«.
M 49 Er »sprach den Namen [Deutsche Demokratische Republik] immer ungekürzt aus«.
M 61 Jakob »in der sauberen gebügelten vornehmen Uniform mit den drei Sternen auf den silbern beflochtenen Achselklappen«.
M 65 »Anfangs hatte er noch die abgelegte Taschenuhr, die ihm Herr von Bonn auf Bonnin geschenkt hatte«. – Trägt seit zwei Jahren eine Uhr, die ihm Gesine Cresspahl geschenkt hatte.
M 70 »Jakob hatte ein möbliertes Zimmer zur Miete in einem der schmalbrüstigen überhohen Häuser am Hafen«.
M 71 Ein Telegramm teilt ihm den Wegzug seiner Mutter aus der DDR mit: »DEINE MUTTER IST ZUM WESTEN = CRESSPAHL«.
M 75 Jonas Blach, der Jakob im Zug nach Jerichow trifft, ihn noch nicht kennt: »und weil ich einen Namen gesucht hatte, nannte ich ihn ›wie eine Katze so unbedenklich‹ wissend dass es falsch war, und ›hochmütig misstrauisch zärtlich‹ treffen ja nur mit einem ganz entlegenen Teil von Bedeutung zu. Ich hatte eher sagen wollen: ich habe einen gesehen dem man das Leben ansehen kann«.
M 86 Blach über Jakob: »er konnte so leise mit den Augen lachen, anfangs hab ich es immer übersehen, Lachen ist auch wieder nicht das richtige Wort«.
M 131 »›Ja‹ sagte Jakob, ›nein‹: sagte er. Dies war eine Gewohnheit, die er von Cresspahl angenommen hatte«.
M 130-131, 137-138 Jakob schlägt den Lokomotivführern der Reichsbahn die »Nicht-Überholen-Methode« vor, um Energie zu sparen und Verspätungen im Zugverkehr zu vermeiden.
M 138 »›Jakow‹: sagte Sabine, denn so pflegte sie ihn anzureden. Die Betonung lag auf der zweiten Silbe«.
M 152 »Aber Rohlfs wusste dass Jakob gerade an diesem Tag eigens was für den Sozialismus getan hatte, Erhöhung der Arbeitsproduktivität: Schnellfahren nach Methode Kriwonow«.
M 191 Gesine: »es war Jakob, der übriggeblieben war für mich. Der mich angehalten hatte am Arm, da war alles wirklich«.
M 213 Blach: »Ich hörte aus ihrer [Gesines] Stimme dass sie wie vergnügt nachsann und mich heiter betrachtete, als sie sagte ›Jonas ich will dir was sagen. Es ist meine Seele, die liebet Jakob‹«.
M 220 Jakob »hatte die Gewohnheit die Zigarette immer im Mundwinkel zu halten, seit er bei der Arbeit die Hände frei haben musste, und deswegen war sein rechtes Auge immer halb geschlossen, wenn er gesenkten Kopfes dasass rauchend«.
M 234-236 »›Ach, weisst du?‹ sagte Jakobs siebzehnjährige Melderin, die mit ihrer Freundin im Vorzimmer der Prüfung sass und gern über etwas anderes reden wollte: ›Der, das ist ein Lustiger. Hättst gedacht? ich kann es aber auch nicht so sagen. Schon wie er reinkommt, denn gibt er dir die Hand und sieht sich um als ob er sich nicht erinnern kann, steht so da mit der Hand im Nacken, bis er sich endlich hinsetzt und sagt: Wolln wir anfangen. [...] Ich dacht ja wunder was als ich zu ihm kam, wegen dieser da vom Reichsbahnamt [Sabine Beedejahn], weisst doch, die ist so fortschrittlich, er hat sie einfach sitzenlassen: sagen sie [...]. Oder wenn einer von seinen Freunden kommt und erzählt vom Heiraten, er macht da keine Witze oder so [...]. Und er hatte ja bald raus dass mir nicht ganz wohl war wegen der Prüfung, da hat er den ganzen Stoff mit mir durchgenommen, und wie. Ohne dass ich das merk. Nebenbei. [...] Kannst viel lernen. [...] er hat alles in seinem Kopf ohne steckenzubleiben; und als ich ihm einmal mit der Hand über den Tisch zeigte und jammerte wie hoch der Stapel von allen Vorschriftenbüchern ist, hat er bloss nachgesehen ob es die richtige Höhe hat, und genickt. Sagt: ›Ein Arzt muss auch viel lernen‹. Das mein ich.«
M 245 »Er hatte breite harte Hände mit langen Fingern, aber er konnte seine Finger nicht gerade strecken wie Jonas [Blach], darin war die Arbeit nach dem Krieg steckengeblieben«.
M 277 Über Jakob, als er Gesine Ende Oktober, Anfang November 1956 in Düsseldorf besucht: »oder wenn er das Abendessen einkaufte, bevor er sie von diesem verdammten N.A.T.O.-Bus abholte, er stand vor den Ladentischen und wählte sehr gründlich sorgfältig aus und bedachte womit er sie überraschen konnte, was isst sie besonders gern, und weil er ein Fürsorglicher war, hat er mit einer gewissen Zufriedenheit das immer schwerere Netz zurückgetragen und den Tisch gedeckt«.
M 280-282 Gesine: »er hat einmal in einer vorstädtischen Gaststätte auf mich gewartet, da war gerade ein Männergesangverein zusammengekommen [...], die wollten nun sofort den Kommunismus aus erster Hand eines frischen Ostflüchtlings erklärt haben [...] ach, du bist so ein Hergeschickter / ein Kommunist, alle Kommunisten sind Volksverräter / als Jakob den Tisch umwarf beim Aufstehen und sorgfältig seine Schläge abwog in die glatten zufriedenen vergesslichen Gesichter, in die Fresse schlagen«.
M 285-286 Gespräch zwischen Herrn Rohlfs und Gesine: Rohlfs vermutet, dass Jakob einen Fotoapparat, den er vor seiner Abreise nach Westdeutschland gekauft hat, »in der Bundesrepublik für etwa fünfhundert Westmark« verkauft hat, »das reichte für die Hotelrechnung«. Gesine: »Das wären doch gleich zwei Straffälligkeiten: einmal Schmuggelei und dann noch ein schwerer Verstoss gegen Ihr Gesetz über den innerdeutschen Geldverkehr. So würden Sie es ausdrücken? Jakob ist ein Devisenschieber, ein Schädling an der volkseigenen Wirtschaft? [...] Begreifen Sie denn nicht dass er seine Mutter hat besuchen wollen?«
M 299-300 »Und Sabine hat auch die Nachricht für die Zeitungen formuliert [...]: dass in den frühen Morgenstunden ein Angestellter der Deutschen Reichsbahn beim Überqueren der Gleise, auf dem Weg zum Dienst, in der Absicht, einer entgegenkommenden Lokomotive auszuweichen [...] auf dem Nebengleis von einer anderen erfasst wurde. Sofort eingeleitete Rettungsversuche hatten keinen Erfolg (der Tod trat ein während der Operation). [...] Und er ist immer über die Gleise gegangen«.
Karsch und andere Prosa (1964)
K 8-17.
Begleitumstände (1980)
B 120 »Streckendispatcher waren Geheimnisträger, die Hoffnung auf Bekanntschaft mit einem war vergebens. Da schien es geschickter, sich einen zu erfinden. Dieser kam freiwillig, liess sich sehen im Traum, weich umrissene Gestalt eines Mannes auf nachtschattenem Feldweg, der mit sachtem Schwung eine Katze vom Boden hebt, so dass sie auf seiner Schulter kauert, ehe sie sich's versieht. Er sprach mit einem Akzent aus der nördlichen Odergegend. Jakob hiess der.«