Dieffenbach, Ragnhild
Mitbewohnerin von Ingwer Feddersen und Claudius in Kiel, 50 Jahre alt, Architektin, Diplomatentochter. Sie wohnt mietfrei in der gemeinsamen Wohnung, die alte Kaufmannsvilla gehört ihrer Familie (52). Ragnhild arbeitet sich immer noch an ihrem Herkunftsmilieu ab, betreibt eine Art »Verschlampung mit Niveau«, lässt das noble Interieur der Wohnung und sich selbst in »Unordnung und Staub« verlottern, trainiert sich die guten Manieren ab wie einen »Haltungsschaden« (51f.) und setzt als Architektin den béton brut gegen die gediegene Pracht aus Gründerzeit oder Jugendstil, in der sich ihre Vorfahren einrichteten (52). Sobald es aber darum geht, Aufträge an Land zu ziehen, kann sie augenblicklich umschalten und in Stöckelschuhen und Jil Sander-Kostüm den »große[n] Auftritt« hinlegen, wie sie ihn vom »Diplomatenvater« gelernt hat, muss sich danach allerdings im Irish Pub die Kante geben (52f.). Sie hat einen »Hang zum Psychologischen«, liest psychologische Fachzeitschriften, kennt »jeden klinischen Begriff und jedes Krankheitsbild« und belästigt ihre Umwelt mit ihren Diagnosen (139). Mit Ingwer hat sie »jetzt schon zweieinhalb Jahrzehnte lang nichts Halbes und nichts Ganzes«, sie schlafen manchmal miteinander, aber immer seltener (138). Ingwer hat »früher etwas Weiches unter ihrer Kratzigkeit gefühlt«, das er jetzt nicht mehr findet (61), sie wird immer »lauter, ruppiger« und ihr »Dauerhass auf die Familie Dieffenbach« stößt ihn zunehmend ab (138). Nach seinem Auszug schaffen Ragnhild und Claudius sich einen Kater an. Das sei das »empty nest syndrome«, erklärt Ragnhild, und Ingwer ist froh, dass er »nicht mehr das Haustier [...] in dieser Wohngemeinschaft« ist (313).