Mergentheim

Journalist, ehemaliger Kollege Keetenheuves beim »Volksblatt« vor dem Krieg, ein »Mann volkstümlich erklärender Betrachtungen, nicht unkritisch, wenn es nicht direkt den Kopf oder die Stelle kostete, und schließlich hatte er den Beruf des Zeitungsmannes und nicht den des Märtyrers gewählt« (II, 270). Statt Märtyrer war Mergentheim Chefredakteur des Volksblattes geworden und hatte die Gleichschaltung der Medien mitvollzogen, was sein Blatt langfristig allerdings auch nicht retten konnte. Er war dann als Korrespondent nach Rom gegangen und hatte sich dort abgesetzt, als es gefährlich für ihn wurde, »und so war er mit leidlich weißer Weste ein gesuchter und geförderter Mann des Wiederaufbaus geworden« (II, 269). Nach dem Krieg hatte Mergentheim Keetenheuve »gänzlich aus seinem Gedächtnis verloren, und als er ihn als Abgeordneten in Bonn bemerkte, einen Wilderer in seinem Revier, war er ehrlich erstaunt« (II, 269). 

Keetenheuve trifft sich mit Mergentheim, der »wie ein aufgeplusterter melancholischer Vogel hinter seinem Schreibtisch [saß], sein Gesicht wurde immer breiter, die Augen ständig verschleierter, die Gläser dicker, die Hornfassung der Brille schwärzer und schwerer, so verstärkte sich der Eindruck, einer Eule, einem Uhu gegenüberzutreten« (II, 272). Mergentheim bietet seinem Gast Zigarren an, obwohl er weiß, dass er nicht raucht, denn »Keetenheuve sollte sich nur nicht zu wichtig nehmen« (II, 272f). Er warnt Keetenheuve, dieser könne »schlachtreif sein« (II, 274), und spricht von einem Gerücht, das man gegen ihn verwenden könnte (II, 275f). Er trägt maßgeblich zu Keetenheuves Misserfolg bei, indem er die Information über die brisanten Äußerungen der englischen und französischen Generale zur deutschen Teilung, die er offenbar ebenso wie Keetenheuve von Philip Dana bekommen hat, am Tag der Plenarsitzung des Bundestages in seiner Zeitung veröffentlicht, so dass Keetenheuve den Fall nicht mehr für seine Rede nutzen kann. Mergentheim »dachte: er ist eben mein Feind, ein Mann mit solchen Ansichten ist mein Feind.«

Nach der Plenarsitzung, in der der Kanzler Mergentheims Artikel erwähnt hatte, erholt er sich »bei einem Kaffee von Rundfunkdurchsagen. Er hielt Cercle. Man gratulierte ihm, daß er dem Kanzler aufgefallen war« (II, 372).