Damon, oder Die wahre Freundschaft (1747)
Verfasserin: Karolina Kubista
Wittwe, Die
Die junge, umworbene Witwe legt großen Wert auf Tugendhaftigkeit und ist ihrer Bediensteten Lisette gegenüber gütig und aufgeschlossen. Alle eitlen und egoistischen Freier hat sie abgewiesen, so dass nur noch Leander und Damon geblieben sind. Da sie beide gleichermaßen schätzt und sich zwischen ihnen nicht entscheiden kann, geht sie auf Lisettes Vorschlag ein, denjenigen zu wählen, der bei einer vergleichbaren geschäftlichen Unternehmung den größeren Gewinn macht (1. Auftritt). Als die tugendhafte Witwe erfährt, dass Leander seinen Freund mit Hinterlist und Intrige zu übervorteilen versucht, entscheidet sie sich für den glücklosen, aber ehrlichen Damon. Wie Damon verzeiht am Ende auch sie dem reumütigen Leander.
Leander
Der beste Freund Damons freit um die junge und liebenswerte Witwe. Seit er weiß, dass auch Damon um sie wirbt, hält er sich scheinbar zurück, um den Freund nicht zu benachteiligen. Von Freundschaft spricht er freilich mehr, als er danach handelt. Als er erfährt, dass sein Handelsschiff untergegangen ist, lässt er sich von Lisette überreden, dies dem Damon zu verheimlichen und ihm vorzuschlagen, beider Vermögen des Freundschaftsbundes wegen zu tauschen. Lisette überredet ihn auch, der Witwe weiszumachen, dass Damon sie nicht mehr liebe (4. Auftritt). Nachdem er erfahren hat, dass es sich bei dem verunglückten Schiff um das des Freundes handelte, sein eigenes Schiff dagegen unversehrt den Hafen erreicht hat, ist von Teilung oder Tausch keine Rede mehr: Er prunkt mit seinem Vermögen vor der Witwe und wiederholt seinen Antrag in Gegenwart des unglücklichen Damon. Er weiß nicht, dass die Witwe seine Intrigen mit Lisettes Hilfe durchschaut, bereut aber am Ende, Damon hintergangen zu haben.
Damon
Wie sein Freund Leander freit auch Damon um die junge Witwe. Um den Freund nicht auszustechen, hält er sich bei der Werbung allerdings zurück. Er ist uneigennützig und ehrlich – auch gegen sich selbst. Es bestürzt ihn, dass die Witwe denjenigen erwählen will, der bei einem Handel den größeren Gewinn macht, ihre Wahl also dem Zufall und dem Geld überlassen will. Um es nicht so weit kommen zu lassen, schlägt er Leander vor, Schaden und Gewinn ihrer beider Handelsunternehmungen zu teilen. Leander stimmt der Abmachung zu, überbietet den Freund sogar mit dem Vorschlag, beider Vermögen zu tauschen (5. Auftritt). Erst danach erfährt Damon, dass der Freund zu diesem Zeitpunkt schon die (irrtümliche) Nachricht bekommen hatte, dass sein Handelsschiff verunglückt sei. Wie sich herausstellt, beruhte die Nachricht auf einer Verwechslung: Es ist Damon, der sein Schiff und damit sein ganzes Vermögen verloren hat (7. Auftritt).
Als die von Leander zum eigenen Vorteil gesponnenen Intrigen aufgedeckt werden, beweist Damon Großmut und verzeiht ihm, was wohl auch damit zu tun hat, dass er sich nicht sicher ist, ob er im umgekehrten Fall »großmüthig genug gewesen seyn (würde), ihm zu helfen« (8. Auftritt; LM III, 196 f.). Die schöne Witwe aber ist sich ganz sicher, in ihm den tugendhafteren und großmütigeren der beiden Freunde zu ihrem Mann zu wählen.
Der Name spielt auf die antike Erzählung von den zwei treuen Freunden aus Syrakus, den Pythagoreern Damon und Phintias, an.
Oronte
Ein Verwandter des Damon, der kaum einen Satz sagt, ohne die Wendung »Versteh Er mich« einzufügen. Er ist geldgierig und boshaft. Oronte überbringt Damon die Nachricht, dass das Schiff mit den Handelsgütern, in die er investiert hat, untergegangen ist, und rät ihm dazu, Bankrott zu machen und die Gläubiger durch einen Meineid zu betrügen – so wie er selbst es schon mehrfach getan habe (7. Auftritt). Zuletzt versucht er gar, Leanders Werbung zu überbieten und die Witwe mit Verweis auf sein größeres Vermögen für sich zu gewinnen (10. Auftritt).
Oronte und Damon sprechen sich gegenseitig mit »Vetter« an. Das ist eine im 18. Jahrhundert mehrdeutige Verwandtschaftsbezeichnung. Sie wird teils in ihrer ursprünglichen Bedeutung (›Vaterbruder‹) für ›Onkel‹ verwendet (so auch von Lessing in Familienbriefen), teils auch in erweiterter Bedeutung für beliebige männliche Verwandte. – Oronte ist einer der gebräuchlichen Lustspielnamen des komischen Alten in der Pariser ›Comédie italienne‹, der die Stelle des Pantalone der Commedia dell’arte einnimmt. – Abb: Jacques Callot: Die drei Pantalone (1618-20), Blatt 2 (Pantalone oder Cassandre). – Bildquelle: Zeno.org
Lisette
Die kluge, gewitzte und selbstbewusste Dienerin der Witwe ist zugleich deren Vertraute und kennt ihre Gedanken und Gefühle. Um den richtigen Bräutigam für ihre Herrin herauszufinden, schmiedet Lisette einen Plan, der die Tugendhaftigkeit und Freundschaft von Leander und Damon auf die Probe stellt. Als sie erkennt, dass hinter Leanders Schwärmerei keine wahre Freundschaft steckt, stellt sie ihm eine Falle und rät ihm zu der Intrige gegen den Freund. Durch diesen Plan wird Leanders Hinterlist aufgedeckt, und Damon erweist sich als der richtige Mann für die Witwe.