Ohldin, Jungfer
Der sprechende Name der Figur ist Programm. Sie ist mit fast fünfzig Jahren noch unverheiratet, deutet aber an, dass es ihr in der Vergangenheit nicht an Gelegenheiten gemangelt habe. Mehr als zwölf Heiratsanträge habe sie bekommen, einzig die fehlende Entschlussfreude »in solchen wichtigen Sachen« (I, 1; LM III, 203) habe sie von einer Eheschließung abgehalten. Sie ist froh, dass ihr Zaudern diesmal übergangen wird (vgl. Oronte), und hofft auf ihr Glück mit dem Capitaine von Schlag. Seine Motive, seine Schulden, ja, Geld im Allgemeinen, spielen für die arglose Jungfer eine nur untergeordnete Rolle; leicht lässt sie sich von den Meinungen anderer mitreißen. Als der Betrug auffliegt, der ihre Heirat verhindern sollte, erkennt sie sofort, dass ihr Neffe Lelio dahinter steckt. Ihm verzeiht sie, Lisette dagegen, die sie für die Hauptverantwortliche hält, will sie entlassen. Am Ende heiratet sie den verschuldeten Capitaine von Schlag.
Jungfer Ohldin nennt Lelio ihren »Vetter«, Lelio nennt sie seine »Muhme«. Im 18. Jahrhundert sind beide Verwandtschaftsbezeichnungen mehrdeutig, können auch weitläufigere Verwandtschaftsgrade bezeichnen als Onkel, Neffe oder Cousin (›Vetter‹) bzw. Tante, Nichte oder Cousine (›Muhme‹). Der Altersunterschied zwischen der Jungfer und Lelio spricht eher dafür, dass sie Tante und Neffe sind. Lelios zwischenzeitlicher Heiratsantrag könnte dem allerdings widersprechen, denn zumindest die Ehe mit Geschwistern des Vaters unterliegt im 18. Jahrhundert (Lev. 18, 12-16 folgend) dem Inzestverbot (vgl. Claudia Jarzebowski: Inzest. Verwandtschaft und Sexualität im 18. Jahrhundert. Köln 2006, S. 157, Anm. 187; S. 76 u. pass.).