Der Tod in Venedig (1912)
Aschenbach, Gustav von
Der berühmte Schriftsteller, Anfang 50, lebt seit langem in München. Er ist viel geehrt worden, auch mit dem Adelstitel, doch muss er seine Leistung immer dem Widerstehenden abringen. Er lebt allein, seine Frau ist gestorben, die Tochter verheiratet.
An einem Maitag überkommt ihn plötzlich Reiselust, und er fährt, nach einem Zwischenaufenthalt, zu Schiff nach Venedig. Ein eigenmächtiger Gondoliere bringt ihn mit der sargschwarzen Gondel zu seinem Ziel. Aschenbach quartiert sich in einem Bäderhotel am Lido ein. Dort wohnt auch eine polnische adlige Familie mit einem schönen vierzehnjährigen Knaben.
Aschenbach genießt das Meer, das er liebt, und den Liebreiz des Knaben Tadzio am Strand. Aber weil ihn der Schirokko quält, der ihn schon einmal aus der Stadt vertrieben hat, beschließt er, wieder abzureisen. Am Bahnhof möchte er den Entschluss widerrufen, und eine Gepäckverwechslung macht das möglich. Er kehrt glücklich zurück.
Nun beobachtet er täglich den holden Knaben am Strand; sie wechseln keine Worte, aber gelegentlich reagiert Tadzio auf den Blick, der ihm folgt. Aschenbach ist der Verliebte, der »Heimgesuchte« (584). Immer widerstandsloser erliegt er dem Eros, dem »Dämon«, er geht dem Geliebten nach, vergessen sind Zucht und Ordnung. Er hat Träume von dionysischer Entfesselung und lässt sich kosmetisch verjüngen, obwohl er bei der Hinreise mit Schrecken einen ähnlichen alten Jüngling gesehen hat.
Als er erfährt, dass die Cholera Venedig erreicht hat, warnt er die polnische Familie nicht. In der heißen Stadt isst er Früchte. Die polnische Familie bereitet ihre Abreise vor. Am letzten Strandtag sieht er noch einmal Tadzio zu, den sein Spielgefährte Jaschu plötzlich angreift und quält. Dann geht der Schöne am Meer entlang, und Aschenbachs Kopf sinkt. Er stirbt am gleichen Tag.
Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (Umschlagbild) – © Robert Gernhardt.
Geck, alter
Auf dem Dampfschiff, auf dem Gustav von Aschenbach nach Venedig reist, bewegt sich in einer Gruppe junger Leute ein Jüngling, der in Wahrheit ein alter Mann ist: übertrieben modisch gekleidet, geschminkt und mit Perücke, aber seine Hände sind Greisenhände. Später ist er berauscht, da wirkt er fratzenhaft unheimlich auf Aschenbach, dem er Komplimente nachruft, bis er das Gebiss verliert. Gegen Ende der Erzählung lässt sich Aschenbach vom Friseur ebenfalls Gesicht und Haar verjüngen.
Abbildung aus Hoffmeister/Gernhardt (128) – © Robert Gernhardt.
Jaschu
Stämmiger polnischer Knabe mit schwarzen Haaren (538), der den schönen Spielgefährten Tadzio dienend liebt, ihn aber am letzten Tag am Strand plötzlich attackiert und fast im Sand erstickt.
Tadzio
Der anmutige vierzehnjährige Knabe, ein polnischer Adliger, in den sich Gustav Aschenbach am Lido von Venedig verliebt. Er verkörpert lebendige Schönheit für den Dichter, der aber immer mehr dem Dionysischen verfällt. Der Knabe mit den »dämmergrauen« Augen bemerkt den Beobachter, der ihm ständig folgt, und vergewissert sich manchmal seiner; aber sie sprechen nicht miteinander. Auch der Spielgefährte Jaschu liebt Tadzio; aber am Ende greift er ihn an und versucht, ihn zu ersticken. Der Knabe, seine Mutter und die drei nonnengleichen Schwestern reisen ab, als sie von der Cholera-Epidemie erfahren. Aschenbach hatte sie nicht gewarnt. Er stirbt unmittelbar nach ihrer Abreise.