Kliefoth, Julius

Dr. phil., Lehrer für Englisch und Latein, aus Malchow gebürtig, wohnhaft in Jerichow seit 1932. Oberstleutnant im Ruhestand. Raucher. Kommt 1932 aus Berlin in den Jerichower Winkel. Oberlehrer am Gymnasium in Gneez. Bei Kriegsbeginn meldet er sich freiwillig, wird 1940 genommen, später an der Ostfront eingesetzt. Nach dem Krieg Direktor der Fritz Reuter-Oberschule in Gneez, im April 1950 abgesetzt.

413 Erklärt Ottje Stoffregen die Etymologie seines Nachnamens (Platzregen, Wolkenbruch). Er hat das Haus des abgesetzten Bürgermeisters Erdamer gekauft. Stammt aus Malchow am See.

496 »Von Oberlehrer Kliefoth galt es als sicher, daß er nicht umsonst aus Berlin in eine Gegend geschlichen war, in der die Nazis die Macht schon ein halbes Jahr länger genossen hatten als anderswo und ihm eher verzeihen würden, aber was?« (Vgl. dazu 1627).

499 Am 23. Dezember 1967 schreibt Gesine Cresspahl ihm einen Brief. Am Schluss bittet sie ihn nachzusehen, ob die Gräber ihrer Eltern und Jakobs ordnungsgemäß für den Winter abgedeckt worden sind.

532 Wie Heinrich Cresspahl stammt auch Kliefoth aus Malchow am See. In Jerichow wird er deshalb »Klattenpüker« genannt, »nach den Kletten, die die Malchower aus der Schafwolle pusseln mußten, bevor sie ihr Tuch anfangen konnten«.

777 Wird nach dem Krieg Direktor der Fritz Reuter-Oberschule, aber im April 1950 abgesetzt, »auch als Lehrer« (vgl. 1625-1635).

860 Ist im Krieg an der Ostfront eingesetzt. Hört heimlich BBC-Sendungen.

891-894 Im November 1942 übersetzt er Heinrich Cresspahl einen aus dem unbesetzten Frankreich eingeschmuggelten Brief von Dora Semig. Cresspahl »ging nicht gern zu Kliefoth. Er war ein Malchower, ein Klattenpüker; er war einer von den Gebildeten. Er hatte in England gelebt, aber an Universitäten. Den Ersten Weltkrieg hatten sie gemeinsam, aber 1918 war Kliefoth längst Leutnant gewesen.« Cresspahl misstraut ihm, weil er sich 1939 sofort zur Waffe gemeldet hatte, zwar zunächst nicht genommen wurde »wegen der Flecken in seiner berliner Karteikarte«, aber vom Frankreichfeldzug an bis zu seiner Entlassung »wegen Erreichens der Altersgrenze« dabei war. Und seine Frau hatte »für ihn die Hakenkreuzfahne herausgehängt. Cresspahl fand es nicht leicht, den Mann in Eile herauszukriegen.«

Nachdem Kliefoth ihm erzählt hat, wie er 1940 »eine Schülerin mit einem jüdischen Namen arisch schwor«, traut Cresspahl sich, ihm Dora Semigs Brief zu zeigen. Kliefoth übersetzt ihn und bewahrt ihn für Cresspahl auf, so dass die Gestapo, die am nächsten Tag bei Cresspahl in der Tür steht, nichts bei ihm findet.

900 Nachdem Gesine dem Direktor der Jerichower Schule, Gefeller, vor die Füße gespuckt und in Betragen eine Vier bekommen hat (899), wollen Gefeller und Stoffregen sie in eine Sonderschule umschulen. »Herr Dr. Kliefoth aber, Träger hoher und höchster Auszeichnungen, promoviert über das französische Wort aller und ein Fürst im Reiche des Schulrats von Gneez, hatte dies Kind artig geschworen.« Gesine kommt auf das Lyzeum nach Gneez.

911 Im November 1942 stellt Kreisleiter Swantenius Kliefoth zur Rede, weil er nicht Parteimitglied ist. Kliefoth verweist auf seine militärischen Verdienste, und Swantenius gibt klein bei.

1170-1171 Bei Kriegsende geht er »den ersten Abgesandten der Roten Armee in der Ausgehjacke der deutschen Wehrmacht« entgegen, »fertig zu einer Verhaftung«. Aber Stadtkommandant Pontij begegnet dem »eigensinnigen Menschen« freundlich, hat mit ihm ein langes Gespräch über die beiden Weltkriege und verfügt die »Fortzahlung der Offizierspension als eine städtische Ausgabe«, befreit ihn zudem von Arbeitseinsätzen und Einquartierung und spricht mit einigem Stolz von dem »großen, ehrenhaften Militaristen in seinem Befehlsbereich«. Als Kliefoth dennoch drei seiner vier Zimmer für Obdachlose hergibt und sich für die Feldarbeit einteilen lässt, »brütete K.A. Pontij etwas Finsteres«. Bei den Feldarbeiten übernimmt Kliefoth nach und nach eine Führungsrolle.

1171-1176 Als Kliefoths Frau im August 1945 stirbt, will er sie in ihrem Geburtsort Kirchdorf auf der Insel Poel beerdigen und bringt den Sarg mit der Hilfe des zwölfjährigen Gabriel Manfras auf einem Handkarren nach Rande. Dort ist aber kein Fischer bereit, ihn mit dem Sarg nach Poel überzusetzen. Zuletzt bietet Ilse Grossjohann ihm einen Grabplatz in Rande an und hilft ihm, die Tote zu bestatten. – 1950 hat er sie dann doch noch nach Kirchdorf auf Poel umbetten lassen (1177).

1176-1178 Als er am Abend nach Jerichow zurückkehrt, findet er seine Wohnung von Rotarmisten besetzt vor, seine Bücher liegen auf der Straße. K. A. Pontij hilft ihm nicht. – Wie später erzählt wird, wohnt Kliefoth seitdem in einem »Untermietzimmer an der Feldstraße von Jerichow« (1625).

1280 Im Sommer 1946 werden Kliefoth, Pastor Brüshaver, Leslie Danzmann, Peter Wulff und Frau Uhren-Ahlreep für einige Stunden festgenommen und verhört. Der Zweck dieser Aktion bleibt undeutlich. Eine der Fragen, die ihnen gestellt werden, deutet darauf hin, dass die Sowjets Cresspahl in einen Zusammenhang mit Waffengeschäften des Geheimrats Hähn in den zwanziger Jahren bringen möchten.

1402 Dr. Kliefoth gehört zu den wenigen Erwachsenen, mit denen die Schülerin Gesine sich gut versteht. Sie fahren gelegentlich gemeinsam von Gneez nach Jerichow zurück.

1460 Die »alte Gilde« des Gneezer Bildungsbürgertums möchte Dr. Kliefoth integrieren, aber »der kam nicht« zu Lesungen und sonstigen Kulturveranstaltungen. »Låt em. Murrjahn wier'n bösen Hund, œwe tauletzt müßt hei sick doch gewn.« [Laß ihn. Murrjahn war ein böser Hund, aber zuletzt mußte er doch klein beigeben.]

1532 Gesines Erinnerung an den eichenen Schreibtisch, den ihr Vater für Kliefoth getischlert und ihm auf der Schulter ins Haus getragen hat.

1577-1578. 1587 Kliefoths Unterricht an der Fritz Reuter-Oberschule in Gneez, sein Wirken als Direktor der Schule.

1625 Noch vor dem Ende des Schuljahres 1949/50, im April 1950 (vgl. 1633), wird Kliefoth seines Amtes als Direktor der Fritz Reuter-Oberschule enthoben. Die Schüler bekommen dafür keine Begründung.

1625-1635 Mögliche Gründe: Sein störrisches Verhalten gegenüber den DDR-Behörden, darunter seine Weigerung, Begünstigungen anzunehmen; seine Weigerung, an Wahlfälschung mitzuwirken. – Über sein Verhalten in der NS-Zeit: »Kliefoth war der Hitlerpartei von Berlin schon 1932 ausgewichen in die ländlichen Gefilde von Jerichow, hatte seit Anfang des Krieges vor ihr sich verborgen gehalten in der Wehrmacht.« – Über Angebote der sowjetischen Besatzungsbehörden 1948, die Kliefoth ablehnte: »Wer so reichlichem Großmut sich versagt, dem darf man ein wenig böse sein.« (1628) – Sein nachlässiger Umgang mit der Direktive, die Gründung der DDR in der Schule angemessen zu feiern. – Kassiert einen Verweis, weil er den Musiklehrer Buck wegen seiner despektierlichen Behandlung der neuen Nationalhymne nicht angezeigt hat. – Missachtet die Anordnung, wonach Schulfeste im Winter 1949 »nur für den Generalissimus« Stalin zu dessen 70. Geburtstag erlaubt sind.

In einem imaginierten Zwiegespräch mit Gesine Cresspahl nennt Kliefoth den letzten Anlass seiner Absetzung: Er hatte sich der Anordnung widersetzt, die Schüler einen Aufsatz mit dem Titel »Was mir mein Lehrer von Stalin erzählt hat« schreiben zu lassen.

Kliefoth verbringt sein »vorzeitiges Altenteil« in Jerichow »mit den Herren Juvenal und Cicero und Seneca« und in seinem Kleingarten, in dem er »Kartoffeln und Tomaten und Zwiebeln und Mohrrüben« anbaut, »wie er das gelernt hatte als Kind in Malchow am See«.

1649-1650 Gesine Cresspahls Erinnerungen an Kliefoths Unterricht

1824-1826 Im Sommer 1952 nimmt Gesine Cresspahl tägliche Englischstunden bei Dr. Kliefoth, bevor sie ins Studium geht. Es ist ihr »drittes Abitur«, und das »soll gelten«. – Über Gesines Verbundenheit mit Kliefoth, ihre jährlichen Briefe, »Rechenschaft« an ihn. – Rückblick auf seine Kindheit in Malchow. – Gesine Cresspahl versorgt ihn regelmäßig mit Zigarren und Tabak.

1888-1891 Gesine und Marie Cresspahl treffen ihn, durch Vermittlung von Anita Gantlik, auf dem Weg nach Prag am 20. August 1968 in einem Badehotel an der dänischen Küste.

Vgl. auch 416. 477. 562. 671. 711. 778. 856. 918. 920-923. 943-944. 986. 1062. 1142. 1179. 1184. 1205. 1235. 1460. 1587. 1647. 1652. 1681. 1697. 1829. 1840. 1859.